(Am 25. Oktober 1842 von 3 3/4 bis 6 Uhr abends.)
[54.1] Was da betrifft den Boden dieses Planeten, so ist dieser im Durchschnitt mehr eben als gebirgig. Die Ebenen werden gewöhnlich von Bächen, Flüssen und Strömen durchfurcht, woselbst dann die Ströme sich durch irgendeine Gebirgsschlucht unter großem Toben und Brausen in das Meer ergießen. Stehende Gewässer, wie Seen, findet man nirgends von einiger Bedeutung; die größten darunter dürften kaum einige Stunden im Umfang haben.
[54.2] Aber desto mehr gibt es sowohl an der nördlichen als auch an der südlichen Gebirgsbegrenzung Vulkane und somit auch häufig siedend heiße Quellen, ja manchmal sogar ganz heiße Bäche, wodurch dieses Land auch um einen bedeutenden Teil bezüglich der warmen Temperatur erhöht wird. Denn fürs Erste wird die Luft, welche diese Ebenen und Täler durchströmt, erwärmt, und so kann da von irgendeinem kalten Wind nicht leichtlich die Rede sein; fürs Zweite wird aber dadurch auch das Land, oder vielmehr das Erdreich, schon von innen aus erwärmt und somit, wie gesagt, in der Temperatur erhöht, wodurch es dann aber auch sehr fruchtbar wird und allenthalben die merkwürdigsten Früchte hervorbringt.
[54.3] Was da die Vulkane an und für sich betrifft, so ist solches bezüglich ihres Feuers zu berücksichtigen, dass dessen Flamme, wie auch die Glut, nicht also wie bei euch auf der Erde eine schmutzig-rötliche Färbung in sich birgt, sondern eine lichtgrüne, welche fürs Erste viel heller ist als die rote, und fürs Zweite als Erwärmung wohltätiger wirkt als eben auch die rote Farbe des Strahles.
[54.4] So erblicken die Bewohner dieses Planeten auch die Sonne selbst in einem grünlichweißen Licht. Der Grund davon liegt in der weitgedehnten atmosphärischen Luftregion wie auch in deren besonderen Reinheit. Aus dem Grunde eben auch erscheinen entfernte Landteile nicht also blau wie bei euch, sondern grün; denn die Ursache liegt ebenfalls in dem Licht und zumeist, wie schon gesagt, in der atmosphärischen Luft. Dafür aber sind die Blätter der Bäume, der Gesträuche, der Pflanzen, wie auch das Gras blau; und es ist das somit gerade der umgekehrte Fall, als es zu sein pflegt auf eurer Erde. Wir haben zwar auch schon im Saturnus die blaue Farbe vorherrschend gefunden; aber sie ist allda noch bei weitem nicht so intensiv und lebhaft wie hier.
[54.5] Hier dürfte mancher fragen: Wie ist wohl solches möglich? – Solches ist ganz leicht möglich und kann von jenen, welche tiefere Kenntnisse hinsichtlich der Farbenbrechung des Lichtes haben, gar leicht begriffen werden. Die grüne Farbe des Lichtes ist die intensivste und daher auch die kräftigste, darum sie auch auf den der Sonne näher liegenden Erdkörpern fast die sämtliche Pflanzenwelt durchdringt und aus derselben in den Blättern und jüngeren Zweigen widerstrahlt. Alle anderen Farben sind demnach auch weniger intensiv und können daher nur zartere Gegenstände durchdringen. Die blaue Farbe aber ist die am wenigsten intensive, daher von ihr auch am wenigsten verzehrt wird und die Luft mit ihr stets angefüllt sein kann; aus welchem Grunde auf eurem Erdkörper entfernt liegende Gegenstände auch allzeit blau gefärbt erscheinen.
[54.6] Aber auf unserem Planeten Miron ist es hinsichtlich seiner großen Entfernung, wie auch bezüglich seines großen Luftreichtums, der ganz entgegengesetzte Fall. Die grüne Farbe des Lichtes hat bei dieser weiten Entfernung des leuchtenden Körpers, als da ist die Sonne, notwendigerweise an der Intensität verloren; denn ihr könnt es annehmen, dass auf den ganzen Planeten Miron nicht so viele Sonnenstrahlen fallen wie auf das alleinige Afrika eurer Erde. Wenn nun diese wenigen Sonnenstrahlen auf die weitgedehnte Oberfläche der Mironluftregion fallen, so werden sie, als die wohltätigsten, sobald von ihr aufgezehrt. Nur der blaue Strahl, als viel weniger belebend, wird durch die reine Luft gelassen und fällt auf das Pflanzenreich; aus welchem Grunde dann auch die Pflanzen zuallermeist, wie schon bemerkt wurde, mit Ausnahme der Blüten in der schönsten blauen Färbung erscheinen. Jedoch dergleichen weitere mathematische Erörterungen sind für unseren Zweck nicht notwendig, und in dem bereits kurz Erwähnten ist für jeden denkenden Geist schon ohnehin überaus viel gesagt. Daher wollen wir uns sogleich zur eigentlichen vegetativen Welt dieses Planeten wenden.
[54.7] Was die vegetative Welt dieses Planeten betrifft, so ist diese für eure Begriffe im wahren Sinne genommen etwas außerordentlich Wunderbares.
[54.8] So wächst zum Beispiel ein Fruchtbaum bis zu einer bestimmten Größe und Höhe von etwa hundert Klaftern mit der größten Üppigkeit fort, und das bis zu einem Alter von etwa zwanzig bis dreißig Mironjahren, das heißt, nicht zu vergessen, dass ein Mironjahr bei dreizehn eurer Monate lang ist und kein Sonnenjahr, sondern nur ein Mondjahr ist. Hat ein solcher Baum seine höchste Vollendung erreicht, alsdann geht mit dem Baum von einem Tag bis zum anderen Tag eine plötzliche Metamorphose vor sich. Entweder verschwindet er plötzlich aus dem Dasein, und an seiner Stelle entdeckt der Forscher eine Menge ganz neuer Insekten; oder der Baum wirft seine Äste ab, die sich von ihm also losmachen wie etwa bei euren Bäumen die Blätter im Herbst, und dieser Stamm treibt nun ganz andere Äste und bringt mit der Zeit auch eine ganz andere Frucht zum Vorschein. Wird der Baum zu Insekten, so leben diese eine Zeit lang, aber nur an der Stelle, da der Baum stand; dann aber sterben sie ab, und aus ihrem leicht verweslichen Moder entwickelt sich in kurzer Zeit eine neue Pflanzengattung, welche aber mit dem vorherigen Baum durchaus keine Verwandtschaft hat. Ihr müsst auch nicht annehmen, dass da bei einer solchen Metamorphose zu jeder Zeit dieselben Insekten zum Vorschein kommen. Solches hängt dort von der verschiedenartigen Konstellation der Monde ab; und daher kann auch ein solcher zugrunde gegangener Baum zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten entweder in verschiedene Insekten übergehen, aus denen dann auch wieder verschiedene neue Pflanzen entstehen können, oder der Baum kann nach Abwurf der Äste nach ebensolchen Umständen in verschiedene andere Baumgattungen übergehen, welche entweder ganz neu sind oder welche schon irgend bestehen.
[54.9] Wie es aber mit einem oder dem anderen Baum der Fall ist, so ist es auch mit den kleineren Pflanzen derselbe Fall.
[54.10] Das Gesetz solcher Übergänge erstreckt sich auch auf das Tierreich bis zu den vierfüßigen, größeren und größten Landtieren. Das Reich der Amphibien, das Reich der sämtlichen Insekten, wie auch das Reich der sämtlichen Vögel ist dem Gesetz solcher Transition unterworfen. Aber nicht etwa auf die Weise wie auf eurer Erde das Reich der Raupen und der Insekten; denn bei euch wird aus derselben Raupe auch immer derselbe Schmetterling und aus demselben Wurm dasselbe Insekt. Allein auf unserem Planeten Miron geschieht das alles nach Umstand der Sache und der Zeit; daher kann da niemand bestimmen was hier oder dort zum Vorschein kommen wird.
[54.11] Aus diesem Grunde verlegen sich die Bewohner dieses Planeten auch durchaus nicht viel auf die Naturwissenschaft, besonders was die Vegetation und die untere Tierwelt betrifft. Wohl aber stellen sie in dem Punkt ihre Beobachtungen an, wo die Natur konsistent zu werden anfängt.
[54.12] So geschieht es auch zu öfteren Malen, dass da ein oder der andere Vogel, Schmetterling oder ein anderes fliegendes Insekt, seine Eier legt, und aus diesen Eiern, welche gewöhnlich in das warme Erdreich gelegt werden, kommt statt ähnlichen oder anderen Tieren eine neue Pflanzenwelt zum Vorschein, welche eine Zeit lang besteht, dann wieder gänzlich ausstirbt. Aus dem Moder dieser ausgestorbenen Pflanzen, wie auch nicht selten aus ihren Samenkörnern, entstehen anstatt der ähnlichen Pflanzen wieder neue Tiere; manchmal kann man sogar in den bedeutend großen und ziemlich festen Samenschalen oder Hülsen, wenn man dieselben eröffnet, schon ein ziemlich wohlausgebildetes Tierchen finden, welches entweder so gestaltet ist, dass es eine Ähnlichkeit mit einem schon irgendwann gesehenen Tier hat oder es ist ein ganz neues, noch nie gesehenes.
[54.13] Es dürfte vielleicht einer oder der andere sagen: Desgleichen finden ja auch wir auf unserer Erde; denn wem sollte es nicht bekannt sein, dass fast eine jede Frucht- und Kerngattung nicht selten ihr Gewürm in sich trägt, und die Gallusäpfel, Buchblattkörner und dergleichen mehreres, wie z. B. die Knopper des Eichbaumes, die raue Knorre des Rosenstrauches nichts anderes sind als ganz eigentümliche Pflanzeneier, in denen ein lebendiger Wurm ausgeboren wird. – Ich sage aber: Solches ist zwar richtig, allein es liegt ein großer Unterschied zwischen einer fortwährend gleichartigen Erscheinung und einer stets veränderten.
[54.14] Aus diesem Grunde kann dieser Planet dann wohl auch mit allem Recht Miron [Welt der Wunder] heißen, indem seine animalische Gestaltung so außerordentlich veränderlich ist, dass da entweder eine ausgestorbene Pflanze, ein ausgestorbener Baum oder eine ausgestorbene Tiergattung nicht wieder als vollkommen dieselbe zum Vorschein kommt. Inwieweit aber dieser Planet noch seinem seltenen Namen entspricht, wird die Folge noch ins größere Licht stellen.
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