(Am 15. Oktober 1842 von 4 3/4 bis 6 3/4 Uhr abends.)
[48.1] Was da betrifft einen Tempel zur Verehrung Gottes bei den Bewohnern dieses Gürtels, so ist zwar an und für sich ein solcher Tempel nicht von einer so fortgesetzten, riesenhaften Bauart wie die uns jetzt schon bekannte Straße. Dessen ungeachtet aber ist er doch an und für sich, was die kunstvolle Bauweise betrifft, das außerordentlichste Meisterstück der gesamten Baukunst der Bewohner dieses Gürtels. Zwei Dinge sind vorerst bei dem Bau dieses Tempels zu berücksichtigen, und dieses ist seine Größe und seine Höhe.
[48.2] Was seine Größe betrifft, da wäre zum Beispiel euer Ungarn kaum groß genug dazu, um den gesamten Bau eines solchen Tempels auf seinem Boden aufzunehmen. Was aber seine Höhe betrifft, da dürften wohl eure höchsten Berge kaum als Verzierungen an den verschiedenen Ecken und Ausrundungen des Tempels dienen.
[48.3] Ist der Tempel ein Gebäude? O nein; sondern ein solcher Tempel ist so wie ein Wohnhaus, gewisserart wie ein Vielgebäude, und gleicht eher einer Riesenstadt als einem einzelnen Gebäude.
[48.4] Das Vorgebäude eines solchen Tempels besteht in einer über hundert Klafter hohen Ringmauer, welche aber nicht in ein gerades Viereck gezogen ist, sondern sich allzeit nach dem Terrain des Landes richtet, allda ein solcher Tempel erbaut ist.
[48.5] Etwa in einer Entfernung von tausend Klaftern hinter dieser Mauer sind in verhältnismäßigen Entfernungen Türme erbaut in der Art, wie ihr euch den sogenannten Turm Babylons vorstellt. Diese Türme sind alle von gleicher Höhe und überragen die Ringmauer um zwei Drittel ihrer Höhe.
[48.6] Ist der Grund innerhalb der Ringmauer nicht vollkommen eben, so wird er an den Stellen der Vertiefungen ausgefüllt und eben gemacht; denn auf der Tempelstandfläche darf durchaus weder eine Erhöhung noch eine Erniederung vorkommen; und da heißt es im buchstäblichen Sinne: Die Berge müssen erniedrigt und die Täler zu einem ebenen Weg werden.
[48.7] Wozu dienen denn diese Türme? Diese Türme dienen gewisserart dazu, wozu einst bei euch die großen Pyramiden Ägyptens gedient haben. Sie sind nämlich Grabmäler der Bewohner dieses Gürtels, welche zum Bezirk eines oder des anderen Tempels gehören. Aber ein solcher Turm ist nicht etwa das Grabmal eines einzelnen Menschen, sondern er ist als Friedstätte für viele Tausende und Tausende von Menschen errichtet. Sein Umfang zuunterst beträgt nicht selten vier deutsche Meilen, und seine Höhe ist über dem Boden etwas über dreihundert Klafter. Ein solcher Turm sieht dann freilich mehr einem gemauerten Berg als eigentlich einem Turm gleich. Bei manchem Tempel gibt es innerhalb einer solchen Mauer einige Hunderte solcher Türme.
[48.8] Weiter gegen das Innere zu, ungefähr eine deutsche Meile von den Türmen entfernt, erhebt sich dann ein großes Rundgebäude bis zu einer Höhe von tausend Klaftern. Dieses Rundgebäude hat keine Etagen, sondern besteht aus lauter Bögen, über welche eine über zweitausend Klafter breite Straße führt. Diese Straße selbst ist mit den großartigsten und wohlverzierten Geländern sowohl nach außen wie nach innen umfasst. Allenthalben, wo ein Bogenpfeiler dem Boden entsteigt, ist über der Straße noch eine Art großartiger Triumphbogen errichtet, der ebenfalls eine Höhe von fünfhundert Klaftern über der Straße hat. Durch einen jeden Pfeiler kann man auf einer in dessen Mitte errichteten Wendeltreppe auf die Straße gelangen. Von der Straße aber führt dann wieder in der Seitenmauer eines Triumphbogens eine zweite Wendeltreppe bis auf die hohe Galerie des Triumphbogens selbst, welcher zuoberst flach ist und ist abermals mit festen, metallenen Geländern umfangen.
[48.9] Diese Straße über diesen Bögen wird die Straße der göttlichen Ehre genannt. Auf dieser Straße pflegen die Menschen eine Art Prozession zu halten und loben auf dieser Wanderung die große Macht und Ehre Gottes.
[48.10] Mit diesem Gebäude, welches noch immer einen Umfang von zwei-, drei-, manchmal auch bis vierhundert Meilen hat, wären wir fertig. Nun gehen wir wieder eine deutsche Meile weiter. Allda erblickt ihr abermals einen Kranz von himmelhohen Türmen, welche aber mehr das Aussehen riesenhafter Obelisken als das der eigentlichen Türme haben.
[48.11] Auf dem Boden seht ihr gleichhohe, kegelförmige Fußgestelle dieser riesenhaften Obelisken, wovon ein jedes Fußgestell schon eine Höhe von zweitausend Klaftern hat. Über diesen Fußgestellen erheben sich dann erst die riesenhaften Obelisken, die aber nicht viereckig, sondern kegelförmig rund sind und sich über den Postamenten zu einer Höhe von viertausend Klaftern erheben. Diese Rundobelisken sind aber nicht glatt aufsteigend wie ein Kegel, sondern steigen stufenförmig auf, so zwar, dass man von dem mit starken Geländern umfassten Postament von außen bis zur Spitze dieses Obelisken gelangen kann. Damit solche Obelisken aber auch samt den Postamenten bestiegen werden können, so führt durch ein jedes Postament an einer Seite desselben eine Wendeltreppe bis zum Fuß des Obelisken, der nämlich auf diesem Postament ruht.
[48.12] Wozu dienen denn diese Obelisken? Sie dienen den Menschen zur Betrachtung der Stärke der göttlichen Weisheit. Denn die Bauleute dieses Gürtels sind natürlicherweise auch gute Rechenmeister und wissen, dass in einem Kegel der Messkunst größte Geheimnisse verborgen sind, darin sie auch der Weisheit Grund suchen. Aus diesem Grunde stellen sie auch dieses Monument zur Ehre der Stärke der göttlichen Weisheit auf. Also hätten wir auch diesen Teil des Tempels gesehen.
[48.13] Verfügen wir uns nun wieder eine gute Meile landeinwärts. Hier erblicken wir kein Gebäude, sondern einen über eine deutsche Meile breiten Graben, der aber bis zuoberst mit Wasser gefüllt ist. Über dieses Wasser führt keine Brücke, sondern nur mittels zierlicher Kähne, welche an den Ufern fast in einer Unzahl vorhanden sind, kann man darüber gelangen. Der Graben aber darf nie tiefer sein als nur so, dass das Wasser einem Mann allenthalben bis zum Kinn reicht.
[48.14] Seht, hier ragt in schauerlicher Höhe uns schon der erste Vorhof des eigentlichen Tempels entgegen. Eine achttausend Klafter hohe Mauer, ganz glatt und ohne Fenster nach außen, starrt uns an. Über dieser Mauer erblicken wir noch in bläulicher Ferne regelmäßige, weiße Spitzen wie Nadeln; an und für sich aber sind sie ebenfalls runde Ziersäulen des obersten Randes dieser Mauer, welche Säulen noch an und für sich eine Höhe von zweitausend Klaftern und einen Umfang von tausend Klaftern haben.
[48.15] Seht, hier ist ein geräumiges Bogentor durch dieses Riesengebäude. Aber so geschwind, als ihr meint, werden wir nicht durchkommen; denn der Weg durch dieses Tor wird sich bis zu drei Stunden eures Maßes erstrecken. Das Tor bildet sonach einen großartigen Tunnel und zeigt zugleich die ganze Breite dieses riesigen Gebäudes an. Seht es aber von inwendig und zählt alle die Galerien und die nahe zahllosen, tunnelartigen Bogengänge in das Innere dieses Gebäudes, und seht auch zugleich, wie lebendig es auf diesen Galerien, deren es wohl Hunderte übereinander gibt, zugeht.
[48.16] Was hat wohl dieses riesenhafte Gebäude für einen Zweck? Das ist das eigentliche Schulhaus, in welchem es verschiedene Klassen gibt, wo die jungen Menschen in allem Möglichen unterrichtet werden.
[48.17] Seht zu ebener Erde dieses riesigen Gebäudes, wie da im Hintergrund der großen, tunnelartigen Gänge Feuer lodern, und hört ein wenig zu, wie es da knallt und klirrt. Seht, das ist die Schule der Schmiede, in welcher sie allerlei Dinge aus dem Metall verfertigen lernen. Und so werdet ihr auf jeder Galerie etwas anderes finden.
[48.18] Also wüssten wir auch, wozu dieses Gebäude dient. Daher können wir auch dieses verlassen und unsere Tempelreise weiter fortsetzen.
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