(Am 14. Oktober 1842 nachmittags von 3 bis 6 1/4 Uhr.)
[47.1] Ihr habt schon bei Gelegenheit der Darstellung des Planeten Uranus vernommen, dass unter dessen Bewohnern der Grundsatz gilt, demzufolge alle Straßen gerade sein müssen. Obschon die Darstellung gerader Straßen auf dem ziemlich großen Planeten selbst schon mit vielen tausend Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so sind aber doch alle diese Schwierigkeiten nur für gering zu achten gegen diejenigen, die in diesem Gürtel das Erdreich oder vielmehr der Boden der großen Sonnenwelt darbietet.
[47.2] In dem Planeten sind die höchsten Berge im außerordentlichsten Falle wohl fünf- bis sechsmal so hoch, wenn auch noch etwas darüber, als die höchsten Gebirge eurer Erde. Was ist aber das gegen die Höhe der Gebirge auf der Sonne, die nicht nach Klaftern, sondern nach Meilen gemessen wird?! Nun denkt euch eine Hauptstraßenanlage, welche nur über die mittlere Höhe der großen Länder dieses Gürtels führt; bedenkt dabei die vielen überaus tiefen Täler, dann die vielen Ströme, Wasserfälle, Seen und sogar hier und da Einbuchtungen des Meeres mittels der sogenannten Meereszungen. Wenn ihr solches ein wenig überdenkt, so dürfte es euch wohl schon im Voraus ziemlich klar werden, welch ein Bewandtnis es da mit dem Bau einer vollkommen geraden Straße hat.
[47.3] Dann aber bedenkt, dass diese Straße sich gleich einem Ring um diesen ganzen sechsten Sonnengürtel zieht, und zwar sowohl nördlicher- als südlicherseits (mit dem Unterschied nur, dass die Geländerverzierungen der südlichen Hauptgürtelstraße mehr abgerundet erscheinen als die des nördlichen Gürtels, welche mehr eckig und spitzig sind). Bedenkt aber noch dazu, dass die Straße noch immer eine Länge von nahe zweimalhunderttausend deutschen Meilen hat.
[47.4] Wenn ihr solches mehr und mehr zu erwägen beginnt, so wird euch die Großartigkeit einer solchen Straße immer einleuchtender zu werden anfangen. Bedenkt aber noch hinzu, dass diese Straße allenthalben gleichmäßig zweitausend Klafter breit ist, so werdet ihr noch mehr zu stutzen anfangen. Bedenkt, über wie viele tausend Täler, die nicht selten von der Linie der Straße eine Tiefe von fünf bis zehn Meilen haben[, diese Straße führt]. Seht, aller dieser, für euch kaum glaublichen Schwierigkeiten ungeachtet, zieht sich dennoch hoch über allen diesen schauerlichen Abgründen eine überaus feste und sogar zierlich gebaute Straße.
[47.5] Nun hättet ihr schon den ersten Riss dieser Straße dargetan. Aber hier werdet ihr fragen und sagen: Die Angabe einer solchen Straße steht zwar nicht außer dem Bereich der Möglichkeit sie zu denken, sie aber zu erbauen, da können wir nichts anderes sagen, als dass ein solches Werk wohl Gott möglich ist. Ob aber dergleichen Werke auch geschaffene Wesen mit Hilfe der gegebenen Materie und mit der Kraft ihrer Hände zuwege bringen können, das begreife, wer es kann und mag. Wir aber halten die Sache so lange für rein unmöglich, solange wir nicht wohlaussichtig davon überzeugt werden, welche höheren Kräfte diesen Menschen zu Gebote stehen, und wie sie mit diesen Kräften verfahren, damit solche Werke ihren Händen entstammen.
[47.6] Ich aber sage: Nur Geduld! Betrachtet so manche Tiere auf eurer Erde und stellt sie bezüglich ihrer Werke mit euch in eine entsprechende Vergleichung, und ihr müsst da notwendig erschauern, indem ihr eure größten Händewerke dagegen als armseligste Schneckenhäuser betrachten müsst. Damit ihr aber solches ein klein wenig klarer erschauen mögt, so will Ich euch nun fürs Erste zu einem nicht selten über eine Klafter hohen Ameisenhaufen führen. Vergleicht einmal dieses Werk mit der Größe der Bauleute; ist es im Verhältnis nicht offenbar größer und in Hinsicht ihrer Bauleute mehr, als so ihr, vermöge eurer Größe und Kraft, einen Chimborasso oder ein Himalaja-Gebirge aufgeführt hättet? Solltet ihr dieses etwa übertrieben finden, so beliebt nur, ein wenig verhältnismäßig nachzurechnen, und ihr werdet die Sache als vollkommen bestätigt finden.
[47.7] Nehmt zum Beispiel eine Ameise an, wie sie kaum eine Linie mit ihrem Köpfchen vom Boden der Erde entfernt ist. Nehmt dann eine Höhe von anderthalb Klaftern, welche Höhe nicht selten das Maß eines großen Ameisenhaufens ist. Versucht, wie oftmal allenfalls eine halbe Linie in der ganzen Höhe von neun Schuhen enthalten ist. Setzt dann eure Höhe ebenso oft übereinander, und ihr werdet daraus gar leichtlich das Verhältnis finden, wie hoch und umfangreich eure Gebäude sein müssten, wenn sie verhältnismäßig der Größe eines solchen Ameisenhaufens gleichen sollten. Ich will dabei der tausend Gänge und Katakomben eines solchen Ameisenhaufens gar nicht erwähnen, die alle riesenhaft groß für das Verhältnis ihrer Erbauer sind; denn es genügt die Größe des Haufens selbst, um das Verhältnis der Baukraft dieser kleinen Tierchen gegen die eurige ins Klare zu stellen.
[47.8] Also könnt ihr auch das Gebäude einer Biene betrachten. Seht, wie kühn dieses Tierchen mittels eines kaum zwei Linien dicken bräunlichen Wachsstieles an irgendeine Wand ihr ganzes Zellengebäude hängt, welches gewiss mehr sagen will, als so ihr im gleichen Verhältnis den größten Palast an irgendeinen hoch in die Luft erbauten Bogen mittels riesiger Ketten angekettet hättet.
[47.9] Ferner könnt ihr noch das Gewebe einer Spinne betrachten, wie weit oft dieses Tier mit seinen Fäden in freier Luft seine Wohnung aufrichtet. Will dieses im Verhältnis nicht ebenso viel sagen, als wenn ihr zwischen den höchsten Gebirgsspitzen mächtige Seile und Stricke gezogen hättet und hättet dadurch hängende Brücken zwischen den Gebirgsspitzen über tiefen Gräben und Tälern errichtet?
[47.10] Ich könnte euch noch eine Menge noch großartigerer Beispiele kleintierischer Baukraft anführen, allein vorderhand mögen euch diese genügen. Wenn ihr sie gehörig betrachten wollt, so könnt ihr zur Genüge eure geringfügige Baukraft gegen die Baukraft dieser Tierchen ersehen. Wenn euch aber schon in dieser Hinsicht diese Tierchen beschämen, wie soll es demnach gar so unerklärlich sein, dass es irgend Menschen geben könne, die eure Baukraft in noch größerem Maßstabe hinter das Licht zu stellen vermögen als ebendiese Tierchen?
[47.11] Und eben von dieser Art sind die Menschen dieses unseres sechsten Sonnengürtels. Ihre Hauptkraft spricht sich im Bauen aus, dieweil sie in geistiger Hinsicht denjenigen Organen in dem Leib des Menschen entsprechen, durch welche der eigentliche vegetative Bau des Leibes bewerkstelligt wird.
[47.12] Wenn wir nun dieses wissen, so können wir uns auch auf den mehr speziellen Teil der Erbauung einer solchen Riesenstraße einlassen. Wo diese Straße über weitgedehnte Gebirgsebenen hingeht, da ist ihre Erbauung auch natürlicherweise leicht und mit geringen Kraftanstrengungskosten verbunden. Geht sie dann über tiefe und weitgedehnte Täler oder Gräben, so nehmen dann, nach der größeren Tiefe der Täler und Gräben, auch die Schwierigkeiten und Kraftanstrengungen zu. Denn da kann die Straße nur mittels hoher Brücken geführt werden. Wie sind aber diese Brücken erbaut?
[47.13] Diese Brücken sind dann in Etagen eingeteilt. Ein Bogenwerk über das andere erhebt sich, und natürlich so hoch über dem Boden eines Tales oder Grabens empor, bis das Bogenwerk die Höhe der Straßenlinie erreicht hat. Ist solches der Fall, so werden die Bogengräben ausgefüllt und darüber massive, wohlbehauene, feste Steinplatten gelegt und zu beiden Seiten der Straße mit einem mehrere Klafter breiten und verhältnismäßig hohen, steinernen Geländer versehen. Die Etage eines Bogenwerkes misst nicht selten fünfzig bis hundert Klafter; und ihr könntet auf Stellen kommen, allwo oft von einer bedeutenden Taltiefe nahe zweitausend Bogenwerke übereinanderstehen.
[47.14] Es fragt sich hier wieder, besonders wenn ein Tal oft über hundert Meilen eures Maßes breit ist, wie lange diese Baumeister wohl zu tun haben möchten, um ein solches riesiges Bogenwerk zu vollenden. Ich sage euch: Kaum so lange, wie ihr dazu Zeit braucht, um ein Wohnhaus von mittlerer Größe aufzuführen. Denn fürs Erste greifen bei einer solchen Gelegenheit nicht selten mehrere Millionen Hände ein solches Werk an, die da allein mit dem Bauen beschäftigt sind; ebenso viele Hände, die das Baumaterial bereiten, und dann ebenso viele, die es herbeischaffen.
[47.15] Auch hier werden gewöhnlich nur die untersten Bogenwerke aus behauenen, großen Quadersteinen gebaut, welche Steine mittels eines eigenen, klebrigen Steinkitts miteinander verbunden werden. Die höheren Etagen aber werden dann nur aus gebackenen Steinen verfertigt, welche Steine aus einem zähen Ton, welcher in den riesigen Gebirgen dieses Gürtels überaus häufig vorkommt, verfertigt werden und sodann getrocknet an den alleinigen Strahlen des Sonnenlichts so lange, bis sie ein bräunliches Aussehen bekommen und beim Anschlag einen festen Klang von sich geben. Haben sie diese bestimmte Gediegenheit erreicht, sodann sind sie auch schon vollkommen geeignet zum Bau.
[47.16] Also haben wir jetzt auch gesehen, wie eine solche Straße über Täler und Gräben geführt wird. Nun aber haben wir noch Flüsse, Seen und sogar Meeresbuchten vor uns; wie wird denn die Straße darüber geführt?
[47.17] Nur eine kleine Geduld, und wir werden sogleich sehen, wie unternehmend und wie geschickt und ausdauernd diese Baumeister die Straße allda zu bauen und zu führen anfangen. Sie verfertigen eine Art Schiff aus festem Holz, welches Schiff eine Breite von zwanzig und eine Länge von tausend Klaftern hat; denn solches können sie auch leichtlich tun, indem sie allenthalben reichliche Wälder von solchen Bäumen besitzen, welche die Pyramidenbäume im Saturnus nicht selten zuschanden machen dürften.
[47.18] Ist ein solches Schiff oder vielmehr eine solche großartige Plätte fertig, sodann wird in der Plätte zu bauen begonnen. Durch die Schwere des Materials sinkt natürlich die Plätte tiefer ins Wasser. Sobald dann der erste Plättenkranz ungefähr mit der Oberfläche des Wassers in eine gleiche Höhe zu stehen kommt, wird sogleich wieder auf den alten Kranz ein neuer, allzeit mehrere Klafter hoher Kranz von beschlagenen und glatt behauenen Bäumen gelegt und mittels starken Klammern mit dem ersten fest verbunden. Sodann wird gewisserart das Joch in der Plätte wieder höher gebaut. Drückt die Schwere des Materials wieder so tief ins Wasser, dass der neue Kranz sich der Oberfläche des Wassers nähert, so wird wieder ein neuer Kranz auf den früheren gelegt und sodann wieder weitergebaut. Und solches wird so lange fortgesetzt, bis die Bauleute wahrnehmen, dass die Plätte wenigstens auf einer Seite angefangen hat, am Boden des Wassers aufzusitzen. Ist der Boden des Wassers eben, so hat es weiter keine Schwierigkeiten mehr, und das Joch kann dann viele tausend Klafter hoch fortgeführt werden.
[47.19] Wenn aber der Boden oder der Grund eines oder des anderen Wassers uneben ist, so vermehrt das freilich ums außerordentlich Bedeutende die baulichen Schwierigkeiten, und es ist bei dieser Gelegenheit nichts anderes zu tun, als dass sich gewisse, eigens dazu abgerichtete Wassertaucher bequemen müssen, ins Wasser zu steigen und im Wasser selbst dann entweder den Grund zu ebnen oder, wenn derselbe etwa aus Klüften und Abgründen besteht, dieselben mittels nachgesenkter Materialien auszufüllen.
[47.20] Und manchmal sind die Klüfte so tief, dass sie unausfüllbar sind, und doch sollte das Joch über ihnen feststehen. Was wird denn dann getan? Sodann wird ein überaus massiver, metallener Rost verfertigt und in das Wasser versenkt und unter dem Wasser dann auf die Klippen, welche aus dem Abgrund hervorragen, so geschickt unter das Plättenjoch gelegt, dass dann das Plättenjoch auf diesen riesigen Rost niedersitzt und überaus fest stehenbleibt.
[47.21] Ihr möchtet hier wohl fragen: Ersticken die Arbeiter denn nicht, wenn sie so lange im Wasser arbeiten müssen? – Nein, solches ist allda nicht leichtlich der Fall. Fürs Erste, weil zwischen der Sonnenluft dieses Gürtels und den Gewässern kein so großer Unterschied ist wie bei euch. Denn die Luft allda ist viel intensiver, daher aber auch die Gewässer viel subtiler. Und so kann ein Geübter auch unter dem Wasser recht wohl atmen und bekommt anstatt der Luft das Wasser in seine kräftige Lunge. Doch muss solches von frühester Jugend auf gewöhnt sein. Ist dies nicht der Fall, so geht wohl auch der Mensch im Wasser erstickend zugrunde. Darum aber werden schon allzeit mehrere Menschen so an das Wasser gewöhnt, wie allenfalls bei euch so manche Schiffsmatrosen, die auch nicht selten eine halbe bis nahe volle Glockenstunde unter dem Wasser ganz wohlerhalten leben können.
[47.22] Solche Joche werden dann zu gleicher Zeit in Entfernungen von zwanzig Klaftern, nach der Breite eines Stromes oder Sees, zu mehreren Tausenden auf einmal begonnen. Und sind dann die Joche auf dem Grund feststehend, so werden sie dann zuerst ober dem Wasser mit schweren und überaus starken, metallenen Stangen gegenseitig verbunden. Sodann erst werden über diesen Jochen neue Joche in Bögen gezogen. Und also wächst da ein Bogengang über dem anderen so lange fort, bis endlich die Linie der Straße erreicht ist, bei welcher Gelegenheit dann wieder ebenso verfahren wird wie über den Tälern.
[47.23] Was tun diese Straßenbauer aber allda, wo sie an ziemlich breite Meeresbuchten stoßen und, wenn sie dieselben mittels ihrer Fahrzeuge visieren, bei jeder möglichen Verlängerung ihrer Messruten auf keinen Grund stoßen? Denn solches kommt allda nicht selten vor, dass so eine Meeresbucht nicht etwa mehrere hundert oder tausend Klafter, sondern manchmal fünfzig bis hundert Meilen tief ist.
[47.24] Bei solcher Gelegenheit wird dann zu den Schiffbrücken die Zuflucht genommen. Aber die Schiffe, die dazu dienen, sind dann eben von einer so kolossalen Art wie die Straße selbst. Nur wird dann über diesen Schiffen keine steinerne, sondern eine aus den massivsten Bäumen zusammengefügte Brücke erbaut, welche aber über den Schiffen eben auch die Straßenlinie erreichen muss.
[47.25] Ein solches Schiff wird fürs Erste aus den allerkolossalsten Bäumen verfertigt und gleicht eigentlich einem ungeheuren Korb mehr als einem Schiff. Ein solcher Schiffkorb hat dann gewöhnlich eine Länge von einer deutschen Meile bei euch und eine Breite von wenigstens fünfhundert Klaftern. Die Wände dieser Schiffkörbe haben gewöhnlich eine Höhe von dreihundert Klaftern und sind mit den massivsten Eisenstangen und Eisenklammern wie für ewig aneinander von Kranz zu Kranz befestigt. Der Boden eines solchen Schiffes, der gewöhnlich aus den allermassivsten Bäumen, dreimal übereinandergelegt, gebaut ist, ist zudem noch ganz mit einer Art dickem Metallblech beschlagen. Dieses Holz versteinert im Wasser. Über dem Wasser aber wird es mit einer eigenen Masse getränkt, dass es dadurch dann auch wie für ewige Zeiten unzerstörbar ist. Und bei einer solchen Schiffbrücke schließt sich dann auch ein Schiff fest an das andere an und ist durch überaus starke Metallklammern aneinander sogar befestigt, dass am Ende diese großen Schiffkörbe eine ununterbrochene Linie über die ganze Meeresbucht bilden.
[47.26] Blickt demnach so im Geiste von irgendeiner Höhe über eine solche Schiffbrücke hin, und ihr müsst doch offenbar eingestehen, dass euch in dieser Hinsicht selbst eure allergroßartigsten Phantasien dagegen wie kleine Miniaturbilder vorkommen müssen.
[47.27] Freilich wohl wird in dieser Zeit keine solche Straße mehr gebaut; denn diese Straße ist schon älter, als eure Erde von Menschen bewohnt ist, und weist ungefähr ein Alter von sechzigtausend Jahren auf. Dessen ungeachtet aber werden noch zu dieser Zeit kleinere Nebenstraßen mit dieser Hauptstraße verbunden und die Hauptstraße selbst hier und da schadlos gehalten, wozu öfter auch nicht viel weniger gehört als eine streckenweise ganz neue Anlage.
[47.28] Nun seht, da ist somit auch der riesenhafteste Bau der Bewohner dieses Gürtels dargetan. Und da sich darüber nötigerweise nichts mehr sagen lässt, so wollen wir das nächste Mal zur Besichtigung eines Tempels übergehen.
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