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38. Die häusliche Verfassung der Bewohner des vierten Sonnengürtelpaares und ihre vorbildliche Nächstenliebe

(Am 28. September 1842 von 4 1/2 bis 6 1/2 Uhr abends.)

[38.1] Einen Teil der häuslichen Verfassung könnt ihr schon aus dem entnehmen, so ihr nur einigermaßen aufmerksamen Blickes betrachtet habt, wie da ein solches Wohnhaus bestellt ist. Dessen ungeachtet aber gibt es auch noch andere Verhaltungsregeln, welche sich aus der Ordnung der Wohngebäude nicht herausfinden lassen. Um aber diesen Verhaltungsregeln auf eine überzeugende Spur zu kommen, ist es notwendig, zuvor den Charakter dieser Bewohner ein wenig näher kennenzulernen.

[38.2] Die Menschen dieses Gürtels gehören zu den allersanftesten, welche je irgendwo die Sonne oder andere Planeten bewohnen; ja ihr ganzes Benehmen ist von einer so sanften und demütigen Art, dass ihr euch davon durchaus keinen Begriff machen könnt.

[38.3] So zum Beispiel traut sich sogar kein Mann, vollends ausgestreckt aufrecht zu gehen, um dadurch das kleinere Weib nicht zu nötigen, aufwärts zu ihm zu blicken. Auch macht der Mann beim Gehen mit den Händen ziemlich große Bewegungen, um dadurch für das ihn stets begleitende Weib die Luft abzukühlen und gewisserart zu verdünnen, damit das Weib ihm leichter folge. So hält er ebenfalls auch seine Füße, mit denen er sonst sehr lange Schritte tun könnte, in den gehörigen Schranken und macht daher aus purer liebzärtlicher Rücksicht, statt bequeme, siebzig Klafter lange Schritte, nur kaum zwanzig Klafter lange, damit das Weib ihm ja überall leicht und ungezwungen folgen kann. So führt zum Beispiel nie ein Mann ein Weib neben sich, dass sie mit ihm gleichen Schrittes ginge; denn da müsste sie ja selbst mit der Luft kämpfen und hie und da einen rauen Weg betreten. Sie muss ihm daher folgen, damit sie einen gut abgetretenen Weg hat und mit der Luft nicht kämpfen darf.

[38.4] Also ist der Mann auch gegen seine Kinder. Sie werden in lauter Liebe großgezogen, und jeder Unterricht, den ein Vater seinen Kindern erteilt, ist so weich, einladend und anreizend wie die allerweichste Wolle in entsprechender Hinsicht genommen.

[38.5] Ein unfreundliches Gesicht wird von den Sonnenbewohnern dieses Gürtels schon als eine Sünde betrachtet; daher machen diese Menschen immer sanft lächelnde Mienen und sind so weichherzig, dass sie beim Anblick nur irgendeines noch so gering leidend scheinenden Bruders alsbald zu Tränen gerührt werden und sich alle erdenkliche Mühe geben, ihm auf was immer für eine nur mögliche Art zu helfen.

[38.6] Wenn da ein Nachbar zum anderen kommt und erbittet sich eine Gefälligkeit von ihm, so ist das völlig aus; denn eine größere Bereitwilligkeit, seinem Nächsten gefällig und dienlich zu sein, könnt ihr euch durchaus nicht vorstellen, als solches bei den Bewohnern dieses Gürtels gang und gäbe ist. Denn wenn zum Beispiel ein Nachbar zum anderen kommt und bittet ihn um die Darleihe irgendeines Werkzeuges oder um was anderes, so gibt der ersuchte Nachbar nicht nur mit der größten zuvorkommenden Freundlichkeit das ersuchte Stück, sondern er fragt ihn noch höchst nötig, ob er nicht noch mehreres bedürfe. Und wenn der andere solches dankbarst freundlich verneint, so lässt sich’s aber der ersuchte Nachbar dennoch nicht nehmen, dass er dem anderen das ersuchte Stück selbst bis zu dessen Wohnung hinträgt und ihm daselbst noch obendrauf seine Dienste anträgt, im Falle der andere Nachbar etwa nicht vollkommen bequem mit einem oder dem anderen Werkzeug umgehen könnte.

[38.7] Ersucht ihn der Nachbar aber etwa um Früchte und Kleidungsstoffe, so wird dem ersuchenden Nachbar nicht nur das Ersuchte zehnfach gegeben, sondern der Geber trägt es noch, wie zuvor das Werkzeug, eigenhändig in die Wohnung seines Nachbars und bittet ihn inständigst, dass er ihm solches ja nie entgelten solle.

[38.8] Noch außerordentlicher ist diese zuvorkommende Freundlichkeit gegen ganz Fremde, welche manchmal Bereisungen machen, um ihre Welt näher kennenzulernen. Solche werden schon allzeit mit der allergrößten Auszeichnung aufgenommen, und es wird einem solchen die größte Ehre bezeigt, die nur immer bei diesen Einwohnern gang und gäbe ist. Diese Ehre besteht aber darin, dass ein solcher fremder Gast sogleich in das Wohnhaus geführt und ihm zur Ausruhung mit aller Zuvorkommenheit der Hausvaterstuhl angetragen wird. Da haben dann alle Familienglieder nichts Notwendigeres zu tun, als einem solchen Gast alle erdenkliche Aufmerksamkeit zu bezeigen. Und es gibt dann allzeit eine überaus rührende Szene, wenn ein solcher Gast wieder, zufolge seiner Weiterreise, seine freundlichen Gastgeber verlässt.

[38.9] Wahrlich, wenn bei euch auf der Erde die zärtlichste Mutter einen Sohn hätte, der da verreisen müsste in ein weit entlegenes Land, so ist die Szene einer solchen schmerzlichen Trennung kaum ein schwacher Schatten dagegen, was die Bewohner dieses Gürtels da für ein Leidwesen tragen, wenn sie ein solcher Gast wieder verlässt.

[38.10] Wenn er sie verlässt, so wird er fürs Erste von dem Hausvater und allen seinen Familiengliedern schon über und über gesegnet, damit er ja glücklich durch alle Länder kommen möchte, und dass er sie womöglich bei seinem Rückzug ja wieder besuchen solle. Sodann wird er mit allem, was er nur immer benötigt, versehen. Und endlich, wann er sich von seinem Gastgeber entfernt, wird ihm erst von der sämtlichen Familie beinahe so weit das Geleit gegeben, bis er sich wieder in der Nähe einer anderen Wohnung befindet. Allda wird er wieder gesegnet; und wenn er sich dann empfiehlt, natürlich überaus dankbar für all die empfangene Freundschaft, so sehen ihm noch die Begleitenden so lange nach, bis er sich ihren Blicken völlig entwunden hat; alsdann erst kehren sie wieder um und reden auf dem ganzen Rückweg von nichts als von dem Fremden, und dass ihn der liebe, gute Herr Himmels und der Erde ja vor jeglichem Ungemach bewahren möchte.

[38.11] Aus diesen wenigen Beispielen könnt ihr nun schon ganz gut auf den übrigen Charakter dieser überaus sanften Menschen, und aus diesem Charakter aber auch auf ihre anderweitige Hausverfassung schließen.

[38.12] Da wird nie jemand beordert, etwa eine oder die andere Arbeit selbst zu verrichten, sondern wenn irgendeine Arbeit für nötig befunden wird, so wetteifert alles miteinander, sich gegenseitig einander zu helfen und zu unterstützen, damit ja niemandem irgend zu hart geschehen solle. Die ganze häusliche Verfassung besteht demnach in nichts anderem als in der vollkommenen, allerwahrhaftigsten Nächstenliebe; aus dieser heraus ergeben sich dann alle anderen Regeln.

[38.13] Es besteht unter ihnen nirgends ein positives Gesetz, sondern die Liebe ist ihr alleiniges Gesetz; aber nicht etwa positiv, sondern lebendig im Herzen eines jeglichen.

[38.14] Wenn sich etwa jemand hier und da nur im Geringsten verstoßen hat gegen dieses Gesetz, so wird er sogleich mit der größten Liebe und Sanftmut ermahnt, indem ein Hausvater zu ihm spricht: „Siehe, siehe, mein lieber Sohn! Du hast dich in deinem Herzen ein wenig vergessen und hast nicht bedacht, dass der Bruder, der dich um eine kleine Gefälligkeit ersucht hatte, einen ewigen unsterblichen Geist, wie du, in sich trägt. Dieser Geist ist ein lebendiger Geist aus Gott und ist ein Teil Seiner unendlichen Liebe, welche gleichen Maßes ausgeht unendlich und ewig. Was Größeres können wir wohl tun und was dem großen, lieben und guten Herrn Himmels und der Erde Wohlgefälligeres, als so wir Seine unendliche Liebe in allen unseren lieben Brüdern erkennen und dieselben darum achten und lieben aus dem Grunde unserer Herzen, weil sie so gut wie wir Teile der unendlichen Liebe Gottes sind!? Wir haben ja kein Gesetz, als das: Liebet die Liebe! Unsere Brüder aber sind ja so wie wir – Liebe aus Gott. Wie sollten wir sie denn nicht lieben und nicht alles mit der größten Freundlichkeit gerne tun, was wir nur immer erschauen können, das sie von unserer Seite benötigen dürften!? Es gibt ja ohnehin wenig Gelegenheiten, unseren lieben Brüdern und Schwestern zu dienen. Wenn wir aber selbst noch diese wenigen Gelegenheiten außer Acht lassen, wie steht es dann mit unserer Liebe zu Gott, der uns mit Seiner unendlichen Liebe allenthalben zuvorkommt?“

[38.15] Eine solche Lehre genügt aber auch vollkommen, um denjenigen, der sich irgendeinmal gegen seinen Bruder ein wenig vergessen hatte, also zu bewegen, dass er seinem Bruder darnach das Versäumte oder Übersehene mit der allergrößten Sanftmut und Freundlichkeit hundertfältig nachträgt.

[38.16] Seht, darin besteht nun auch schon die ganze häusliche Verfassung. Ich wollte aber, dass sie auch also unter euch zu Hause wäre! Wäre sie also zu Hause, da würde ein jeder Mein Wort lebendig in sich tragen. Aber statt einer solchen Verfassung ist bei euch nur die Verfassung des vollkommenen Eigennutzes zu Hause. Und Mein Wort in euch und in gar außerordentlich vielen Menschen gleicht einem verwesenden Leichnam im Grab, an dem nichts mehr lebendig ist, als die um denselben kriechenden Würmer des Eigennutzes, welche da mit der Zeit sogar noch den Leichnam, was da ist der Buchstabensinn, völlig auffressen und endlich vernichten und so aus dem Tempel des Lebens ein Haus des Todes machen!

[38.17] Beachtet also wohl diese häusliche Verfassung und vergleicht sie mit Meinem Gesetz der Liebe. Und ihr werdet daraus erst erkennen, dass fürs Erste in dieser Liebe einzig und allein das ewige Leben verborgen ist. Fürs Zweite werdet ihr auch erkennen, dass Ich allenthalben eine und dieselbe reinste Liebe bin. Und fürs Dritte soll euch das auch die Wahrheit alles dessen verbürgen, was Ich euch kundgebe. Denn die Wahrheit ist ja nur ein Licht, welches der Flamme der Liebe entstammt. Und wenn ihr allhier die wahre Liebe findet, so habt ihr auch das wahre Licht, welches euch in sich selbst die vollste Wahrheit dessen verbürgt, was allhier derselben Liebe entstammt, welche ist der Grund aller ewigen Wahrheit.

[38.18] Da wir nun solches wissen, so werden wir auch auf diesem Grund für das nächste Mal die staatliche Verfassung der Bewohner dieses vierten Gürtels gar wohl vor unsere Augen stellen und gründlich beschauen können. Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!

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