(Am 14. September 1842 nachmittags von 3 3/4 bis 6 1/2 Uhr.)
[28.1] Was da die anderen Gebäude eines Kollegiums betrifft, so sind sie von den anderen Wohnhäusern nur dadurch unterschieden, dass ihre Wände mit Fenstern durchbrochen sind; die Wände aber sind darum, wie bei dem Hauptgebäude, undurchsichtig. Die Gestalt der Fenster auf den anderen Kollegialgebäuden ist gewöhnlich die eines Halbkreises; nur auf sehr wenigen Gebäuden sind auch wohl entweder ganz runde oder sechseckige Fenster angebracht.
[28.2] Die Dächer der Nebengebäude sind auch nicht so hoch wie die Dächer der gewöhnlichen Wohnhäuser, sondern mehr stumpf und nieder. Auf einigen Kollegialgebäuden haben die Dächer eine Kuppelform. Und so gibt ein solches Kollegium dann so ziemlich den Prospect [Anblick] einer ziemlich bedeutenden Stadt.
[28.3] Das Äußere eines solchen Kollegiums ist gewöhnlich mit einem ziemlich hohen Ringwall umfangen, auf welchem mehrere Türen angebracht sind, welche zu allerlei Beobachtungen dienen. In einem solchen Kollegium befindet sich auch gewöhnlich ein Theater; aber nicht etwa in der Art, wie bei euch, sondern dieses Theater ist vielmehr ein bildliches Darstellungshaus von den verschiedensten Erfahrungen, welche ein oder der andere Mensch gemacht hat. Die Darstellung geschieht auf eine bildliche Weise, und es wird dann eine Gegend, in welcher der Darsteller die Erfahrung gemacht hat, treulich dargestellt. Denn solches muss hier noch hinzu erwähnt werden, dass die Bewohner dieses Gürtels vorzugsweise große Freunde der bildenden Kunst sind. Daher ist auch, mit höchst seltenen Ausnahmen, fast ein jeder Bewohner dieses Gürtels ein recht tüchtiger Maler. Denn die Malerei ist allda auch die einzige Art zu schreiben; nur ist es jedem zur Pflicht gemacht, dass er die Natur treulich zu kopieren versteht.
[28.4] Wenn ihr nun dieses wisst, so wird euch umso leichter begreiflich sein, auf welche Weise allda das Theater gehandhabt wird; denn es besteht in nichts anderem als in lauter wohlgelungenen, bildlichen Darstellungen, welche gewöhnlich um die ganze Rundung angebracht werden, wonach dann das ganze Theater so aussieht, als wenn ihr bei euch irgendwann einmal ein großes Rundgemälde gesehen habt, durch welches entweder eine ganze Stadt oder eine andere merkwürdige Gegend zur Beschauung dargestellt wird. Nur müsst ihr euch natürlicherweise ein solches Rundgemälde auf unserem Gürtel um ein sehr Bedeutendes größer vorstellen als ein ähnliches Rundgemälde bei euch auf der Erde. Denn ein solches Theater in einem solchen Kollegium hat wenigstens einen Umfang von drei- bis vierhundert Klaftern und ist nicht selten bei fünfzig Klafter hoch.
[28.5] Ihr möchtet aber dieses Gebäude vielleicht ein wenig näher kennenlernen. Solches soll denn auch geschehen. In dieses Theatergebäude kann man nicht also wie in die anderen Wohnhäuser gelangen, sondern der Eingang ist ein unterirdischer. Daher ist auf einer Seite dieses Theatergebäudes eine Art Vorsprung angebracht, ungefähr so, wie eine sogenannte Seitenkapelle bei einem eurer Bethäuser. In dieser Kapelle ist eine Nische von bedeutender Vertiefung von etwa drei Klaftern eingehöhlt. Am Ende der Nische ist dann erst das Tor angebracht, dessen Flügel nach auswärts zu öffnen sind. Von diesem Tor führt dann eine ziemlich breite Treppe abwärts, wie in einem Keller bei euch, und das ungefähr in eine Vertiefung von sieben Klaftern. Wenn die Treppe dann die meiste Vertiefung erreicht hat, erhebt sich sobald eine andere Treppe, auf welcher man gerade in der Mitte des Theatergebäudes wieder emporkommt.
[28.6] Das Theatergebäude ist aber inwendig, ungefähr drei Klafter von der Wand abstehend, mit einer Säulenreihe versehen, welche fürs Erste den Plafond des Theaters, wie die Dachung desselben, tragen hilft; sodann aber trägt diese Säulenreihe etwa drei Klafter hoch über dem Boden auch einen geräumigen und zierlichen mit Geländern wohlversehenen Gang, von welchem aus man eigentlich am allerbesten die Darstellung übersehen kann.
[28.7] In der Mitte des Theatergebäudes, ungefähr eine gute Klafter von der Aufgangspforte entfernt, ist noch eine überaus starke Säule angebracht, welche ebenfalls den Plafond und die Dachung tragen hilft, aber sonst vom Boden angefangen bis zum Plafond hinauf mit einer Wendeltreppe versehen ist.
[28.8] Hinter dieser Säule ist noch eine kleinere Säule gestellt, welche ebenfalls bis an den Plafond reicht. Von der Hauptmittelsäule, etwa fünf Klafter vom Plafond entfernt, ist dann wieder ein Gang über die zweite Säule, von dieser zu einer Reihensäule und von der Reihensäule bis an die Wand des Theatergebäudes errichtet, auf welchen Gang man eben über die schon erwähnte Wendeltreppe der mittleren Hauptsäule gelangen kann.
[28.9] In der gleichen Höhe dieses Ganges ist dann um die ganze Wand des Theatergebäudes ein etwa anderthalb Klafter breiter Gang gezogen, welcher natürlicherweise ebenfalls wieder mit einem Geländer versehen ist. Dieser Gang wird nicht durch Säulen unterstützt, sondern statt der Säulen sind schräge Wandstützen wie eine Art Bratzen angebracht, welche diesen Gang tragen.
[28.10] Ihr fragt: Wozu dient denn dieser Gang? – Dieser Gang dient zu nichts anderem, als dass auf seinem Geländer, welches nach außen mit zweckmäßigen Haken versehen ist, das Rundgemälde aufgehängt wird, welches dann von diesem Geländer gewöhnlich bis zum Boden hinabreicht und somit nicht selten eine Höhe von achtzig bis über hundert Klafter hat.
[28.11] Ihr werdet wieder fragen: Wie bringt man denn ein solch großes Gemälde durch die eben nicht zu große Eingangspforte dahin? – Solches geschieht partien- oder streifweise, wovon ein jeder Streifen dann etwa eine Breite von drei Klaftern hat. Diese Streifen werden dann ordnungsmäßig nebeneinander aufgehängt und bieten dann, wenn alle aufgehängt sind, ein vollkommenes Ganzes.
[28.12] Werden sie wieder abgenommen, so werden sie wieder zusammengerollt und aus dem Theatergebäude in das sogenannte Theaterbibliothekgebäude gebracht; oder dem Darsteller steht es auch frei, ein solches Theaterstück entweder mitzunehmen, besonders dann schon gar sicher, wenn seine dargestellte Erfahrung keinen großen Beifall hatte.
[28.13] Poetische Werke haben bei ihnen auch einen größeren Wert als gewisserart prosaische. Was verstehen aber diese Menschen unter prosaischen und poetischen Stücken? Ein prosaisches Stück ist ein solches, durch welches ein oder der andere Darsteller seine eigenen gemachten Erfahrungen aus dem gewöhnlichen Leben darstellt. Haben diese Erfahrungen durchaus nichts Ausgezeichnetes und besonders Belehrendes in sich, so werden sie dem Darsteller ohne weiteres wieder zurückgegeben, und es wird ihm dabei bemerkt, dass dergleichen Vorstellungen nicht in dieses Haus gehören, in welchem nur solche Dinge vorkommen sollen, durch welche die Weisheit des menschlichen Geistes bereichert werden soll. Haben aber solche prosaischen Werke außergewöhnliche Szenen aufzuweisen, so werden dann diese Szenen aufgenommen; aber das Gewöhnliche wird dem Darsteller wieder zurückgegeben. Poetische Werke aber sind diejenigen, welche nicht aus dem Bereich der Erfahrungen gemacht werden, sondern nur Produkte geistiger Phantasie sind. Ein solches Stück bleibt dann auch gewöhnlich eine bedeutend lange Zeit zur Anschauung ausgestellt.
[28.14] Warum aber werden solche poetischen Werke so geliebt? Weil sie seltener sind, besonders bei den Bewohnern dieses Gürtels; denn die Weisheit ist an und für sich durchaus arm an freier Phantasie, indem das Reich der Phantasie nur ein Eigentum der schöpferischen Liebe ist. Daher trifft hier bei der Darstellung eines solchen poetischen Werkes schon allzeit der euch bekannte Wahlspruch ein: „Wann die Großen bauen, so haben die Kleinen vollauf zu tun!“ So wird auch hier bei einem solchen poetischen Werk über alle Maßen geweissagt, und ein jeder findet etwas anderes darinnen, welches dann allzeit eine gute Konversation absetzt, welche Unterhaltung dann eine Lieblingsunterhaltung der Menschen dieses Gürtels ist.
[28.15] Das ist also das Wesentliche eines solchen Theatergebäudes; nur würde hier vielleicht irgendein feiner Kritiker fragen und sagen: „Zuoberst an den Wänden ist der Gang, von dem Gang herab hängt bis auf den Boden das Rundgemälde, die Wände sind undurchsichtig, und am Plafond ist auch nirgends eine Öffnung angebracht. Da somit allfällige Fenster offenbar gedeckt sein müssen, so bitten wir den Verfasser, dass er uns in dieses Theatergebäude auch ein Licht bringe; sonst werden wir von den Gemälden eben nicht gar viel zu sehen bekommen.“
[28.16] Nur eine kleine Geduld, es wird gleich des Lichtes genug kommen. Es ist schon bei euch auf der Erde eine eigene Art, gewisse theatralische Dekorationen zu malen. Seht, etwas Ähnliches ist auch allhier der Fall; aber das Malen besteht darum nicht in einer Art theatralischer Patzerei; sondern diese theatralische Malerkunst besteht allhier darin, dass das Gemälde mit einer Art selbstleuchtender Farben dargestellt wird. Diese Farben sind zugleich die lebhaftesten und dauerhaftesten; denn jede Farbe in der Sonne, wenn sie nicht ein eigenes Licht hat, stirbt bald ab; wenn sie aber ein eigenes Licht hat, dann trägt sie gewisserart in sich selbst die Waffe, um mit derselben gegen das zerstörende Einfallen des äußeren Lichtes zu kämpfen.
[28.17] Seht, das ist die Beleuchtung eines solchen Theaterstückes. Und so hat das Theater zwar wohl Fenster, diese dienen aber nur dazu, um ein Stück aufrichten zu sehen. Wann aber das Stück aufgerichtet ist, werden sobald sorgfältig alle Fenster verschlossen, damit der Reiz eines solchen Gemäldes ja durch keinen anderen Lichtstrahl beeinträchtigt wird.
[28.18] Obschon aber diese Farben in der Sonne eben nicht so schwer zu bereiten sind, so ist aber dennoch viel Übung erforderlich, um mit denselben so malen zu können, dass da überall, wie ihr zu sagen pflegt, Schatten und Licht gehörig verteilt werden. Mit nicht selbstleuchtenden Farben ist die Schattierung freilich wohl um vieles leichter zu bewirken; aber mit selbstleuchtenden Farben ist das Schattieren einer nicht unbedeutenden Schwierigkeit unterworfen. Doch solches haben besonders die Kollegialmaler unseres Gürtels so sehr in der Übung, dass es ihnen ein Leichtes ist, ein ganzes solches Rundgemälde im Verlauf von einem Jahr, nach eurer Zeitrechnung, auszufertigen.
[28.19] Damit ihr euch aber auch einen kleinen Begriff machen könnt, wie ein solches Malen vor sich geht, so mache Ich euch auf eine Art Malerei auf eurer Erde aufmerksam, welche große Ähnlichkeit hat mit dieser Art Lichtmalerei auf unserem Sonnengürtel. Und diese Malerei auf eurer Erde ist die sogenannte Porzellanmalerei, allda auch mit Farben gemalt wird, die in ihrem rohen Zustand äußerst dumpf und einförmig erscheinen. Wenn aber dann ein solch gemaltes Geschirr wieder in die Glühhitze kommt, so treten in derselben die schönen Farben erst hervor.
[28.20] Seht, also werden auch diese Theaterstücke gemalt. Sind die Streifen gemalt, so werden sie sodann mit einer Art Lack überzogen. Ist solches geschehen, so fangen sodann erst die Farben an wie lebendig hervorzutreten, und das durch die Nötigung des überall freien Sonnenlichtes, welches von diesen ursprünglich stummen Farben aufgesogen und dann für immer sehr lebhaft behalten wird.
[28.21] Das ist somit alles, was von einem solchen Kollegialtheater besonders bemerkenswert ist.
[28.22] Was die anderen Gebäude eines solchen Kollegiums betrifft, so dienen sie einesteils zu Wohnungen für die Weisheitslehrer, teils aber auch für Sammlungen von allerlei Denkwürdigkeiten und kleineren Gemälden.
[28.23] Dass diese Kollegialgebäude gewöhnlich allzeit in einem länglichen Kreis um das Hauptgebäude herumgestellt sind, ist noch das Einzige, was uns darüber zu bemerken übrigbleibt. Und dass solche Kollegien, wie schon vorhinein bemerkt wurde, gewöhnlich an den Ufern kleiner Seen und auf dem Hochflachland auch an den Ufern bedeutender Flüsse angebaut werden, kann auch noch hinzubemerkt werden.
[28.24] Für den südlichen Gürtel braucht ihr nichts anderes, als euch alles das mehr gerundet und auch etwas mehr vergrößert vorzustellen, so habt ihr alles, was in dieser Hinsicht auch der südliche Gürtel fasst.
[28.25] Nächstens wollen wir zu der Landeskultur dieser beiden Gürtel übergehen; und so können wir es für heute wieder gut sein lassen!
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