(Am 1. September 1842 von 3 3/4 bis 5 3/4 Uhr nachmittags.)
[20.1] Was den zweiten Tempel betrifft, so wird dieser auch von den Sonnenbewohnern gewöhnlich der große Tempel genannt. Warum dieser Tempel diesen Namen führt, werdet ihr in der Folge gar wohl erfahren.
[20.2] Dieser Tempel ist zwar, was den Bau und die Vielheit der Säulen betrifft, eben nicht viel vorzüglicher als der, den wir vorhin haben kennengelernt. Er dürfte hier und da vielleicht wohl um tausend, auch manchmal bis zweitausend Säulen stärker sein als der frühere. Allein dieser Zusatz genügt nicht dem Beinamen: der große Tempel.
[20.3] Hat er auch wirklich mehrere Säulen, so sind aber fürs Erste diese Säulen enger aneinandergereiht und auch nicht so hoch. Dann ist auch der Raum, den ein solcher Tempel einnimmt, um nicht viel größer als derjenige des vorigen Tempels. Auch sind die Dächer bei weitem nicht so hoch wie die des vorigen.
[20.4] Es fragt sich demnach, warum dieser Tempel „der große“ genannt wird? Weil in diesem Tempel durchaus kein anderer Dienst mehr gelehrt wird als allein der Dienst des großen Gottes! Das ist also die Ursache, warum dieser Tempel „der große“ genannt wird.
[20.5] Was seine äußere Einrichtung betrifft, und somit auch seine äußere Umgebung, so ist diese bis auf die willkürlichen Verzierungen vollends ganz gleich mit dem, was wir in- und außerhalb des vorigen Tempels haben kennengelernt. Nur das Orchester ist in diesem Tempel noch viel großartiger und besteht aus der doppelten Zahl Harfen des vorigen Tempels. Auch die Zahl der Sänger ist größer als die des vorigen Tempels; welches aber daraus sehr leicht zu begreifen ist, weil einen solchen Tempel oft vier-, fünf-, sechs- bis siebenmal so viel Schüler bewohnen als den vorigen.
[20.6] Denn in einem solchen Tempel kommen die Menschen eben auch oft von vier bis sieben Tempeln der vorigen Gattung zusammen, um da den allerhöchsten Unterricht zu empfangen. Aus diesem Grunde aber sieht es dann in einem solchen Tempel wie in seinen weiten Umgebungen äußerst lebhaft aus.
[20.7] Wenn manchmal nicht alle Menschen in einem solchen Tempel untergebracht werden können, so werden etwas tiefer, etwa an der Stelle, da sich durch die Gründe ein freier Lustwandelweg zieht, kleine Wohnhäuser von etwa zehn bis zwölf Säulen im Umfang errichtet, welche bis auf die Mittelschneckenwendeltreppe, welche allda mangelt, ganz so eingerichtet sind, wie Wohnhäuser, welche wir schon haben kennengelernt.
[20.8] Bei manchem Tempel dieser zweiten Art gibt es nicht selten einige Hunderte solcher kleineren Wohnungen. Eine jede solche Wohnung hat dann auch einen eigenen Amtmann, welcher unter den Amtsleuten und somit auch unter dem Hauptlehrer dieses Tempels steht. Er hat für nichts anderes zu sorgen, als für die Aufrechthaltung der Ordnung.
[20.9] Die Gründe um einen solchen Tempel sind auch in ebendem Maße größer und ausgedehnter als die des früheren.
[20.10] Bei diesem Tempel befindet sich auch ein allgemeiner Zeitenwächter, und müssen sich darum alle Zeitenwächter eines solchen weitgedehnten Tempelbezirkes nach ihm richten. Wo ist denn dieser Zeitenwächter gewisserart in der Nachbarschaft dieses Tempels logiert? Seht, ungefähr tausend Klafter außerhalb des Tempels wird auf einem kegelförmigen Hügel ein überaus starker, manchmal über fünfhundert Klafter hoher Baum gezogen. Allda wird von seiner Höhe ein Pendel herabgelassen bis nahe an den Fuß des Hügels; denn auf der Pendelseite wird ein solcher Hügel steiler gemacht, als er sonst von Natur aus wäre. Dieses Pendulum wird dann durch drei Männer in Bewegung gesetzt und braucht zu einer Schwingung nahe dreißig Minuten nach eurer Rechnung.
[20.11] Nach diesem Pendel müssen dann alle anderen eingerichtet werden. Wenn sie auch eben nicht so groß sind und darum dieselben langsamen Schwingungen nicht nachmachen können, so müssen aber ihre Schwingungen dennoch so eingeteilt sein, dass entweder zwei oder vier Schwingungen genau den Zeitraum ausfüllen, welchen da bei diesem Hauptpendel eine Schwingung ausfüllt.
[20.12] Aus dem Grunde gibt es auch selbst in den kleineren Wohnhäusern um diesen Tempel sogenannte kleine Handpendel, nach deren schnelleren Schwingungen die Hauptschwingungen des großen Pendels bemessen werden.
[20.13] Wie verkündet aber das Hauptpendulum seine Schwingungen wohlvernehmlich einer ganzen Umgebung? Dazu sind noch eigene Amtsleute angestellt, welche sich teilweise in diesem Dienst ablösen, und zwar von hundert zu hundert Schwingungen. Solche Amtsleute gibt es bei einem solchen Haupt-Chronometer allzeit hundert an der Zahl, von denen stets vier den Dienst verrichten müssen.
[20.14] Diese Amtsleute oder Chronologen stehen bei den Sonnenbewohnern ungefähr in demselben Ansehen, wie bei euch die tiefsinnigsten Astronomen. Jedoch das ist für jetzt nicht der Zweck, darum sie hier angeführt werden, sondern wie sie die Zeit der ganzen Umgegend verkünden. Seht, auf vier Seiten des ziemlich weitgedehnten Hügels ist eine Art Glocke angebracht, welche zwar nicht also aussieht wie eine sogenannte Kirchenglocke bei euch, sondern in großer Form so wie bei euch die kleinen Uhrklangschalen.
[20.15] Ein jeder Zeitverkünder ist mit einem Hammer versehen und schlägt bei jeder Pendelschwingung einmal auf die Glocke. Dadurch wird der ganzen Gegend weit und breit angezeigt, wann eine Schwingung um die andere erfolgt. Zuoberst des Hügels aber sind ebenfalls zwei Wächter logiert; diese zählen die Schwingungen und geben die Zahl der Schwingungen den Tempelwächtern durch gewisse telegraphische Zeichen kund.
[20.16] Dass auch diese Pendelzahlverkündiger sowie die Pendelschwingungsandeuter sich ablösen, versteht sich von selbst. Und somit hätten wir auch diesen zweiten Tempel kennengelernt. Der Unterschied besteht also nur in dem Zweck dieses Tempels und in der bei weitem größeren Anzahl seiner Schüler.
[20.17] Es ist zwar schon bei einer früheren Gelegenheit bemerkt worden, dass Tempel dieser zweiten Art wieder höher stehen als die der ersten; aus dem Grunde ist es hier kaum notwendig zu erwähnen, dass ein solcher Tempel auf einem noch viel höheren und umfangreicheren Berg steht, als der der ersten Art.
[20.18] Wenn ihr einen solchen Tempel in der Sonne leiblich erschauen könntet oder euch selbst auf seinem weiten Rasenplateau befinden würdet, so könntet ihr die erhabene Pracht und die überaus wunderherrlichste Aussicht in die weiten Fernen nicht ertragen. Etwas solches lasse Ich darum auch sogar nicht zu, dass es jemandem im Traum vorkäme; denn schon der Traum hätte eine tödliche Wirkung. Wenn des Menschen Geist einer solchen Beschauung näher gerückt wäre, so würde er sobald alle Fesseln seines Leibes zerreißen und dahin eilen, wo es ihm sicher besser zusagen würde als in seinem schwerfälligen Leib. Aus dem Grunde zeige Ich euch auch hier solche Pracht nur wie im Vorbeigehen an; denn möchte Ich euch solches vollkommener auch nur durch bloße Worte auseinandersetzen und es dadurch eurer Phantasie zur enthüllteren Anschauung darstellen, so könntet ihr solches durchaus nicht zu Papier bringen; denn euer Geist würde dabei also gänzlich in sich gehen, dass er vollends vergessen würde, zur Tätigkeit zu beleben seinen Leib.
[20.19] Aus ebendiesem Grunde sage Ich euch auch nichts von dem Unterricht, welcher allda zu Meinem Dienst gehalten wird. Denn fürs Erste würdet ihr die hohe Weise durchaus nicht fassen in dem Zustand, in dem ihr euch befindet. Würdet ihr es aber auch fassen, so könntet ihr fürs Zweite im Augenblick des Erfassens das irdische Leben nicht mehr fortbehalten; denn wenn ihr nur ein Wort aus Meinem Munde in diesem hohen Sinne völlig erschauen könntet, so würde euch im Augenblick eure ganze Natur samt aller Welt als ein allerfinsterster Scheusalsklumpen vorkommen, besonders was da betrifft ein Wort des Vaters oder der ewigen Liebe.
[20.20] Damit ihr euch aber dennoch ganz leise nur überzeugen könnt, was da ist für ein Ding um ein Wort des Vaters, so sage Ich euch bei dieser Gelegenheit nur so viel, dass zum Beispiel das Wort Liebe in Beziehung auf Mich bei diesen Sonnenbewohnern, wann es ausgesprochen wird, eine solche unbeschreibliche Wonne hervorbringt, dass sie darob längere Zeit keine Nahrung zu sich nehmen. Ja es wird durch Posaunenschall von der obersten Höhe, allda sich der letzte Tempel befindet, einer weiteren Umgegend bekanntgemacht, dass in kurz darauffolgender Zeit, von etwa einem Jahr nach eurer Rechnung, dieses Wort in Beziehung auf Gott ausgesprochen wird. Schon beim ersten Posaunenschall fallen alle Sonnenbewohner dieses Gürtels auf ihre Angesichter zur Erde nieder und getrauen sich vor Hochachtung dessen, was da kommen wird, kaum zu atmen und beben gewisserart vor überfreudiger Furcht.
[20.21] Wenn aber erst die Zeit naht, in welcher der oberste Lehrer und Priester herabkommt in diesen zweiten Tempel, um allda auszusprechen: „Gott ist die Liebe!“ – so wird jeder Mensch also ergriffen, dass er dahinsinkt, als wenn er gestorben wäre. Ja durch dieses Wort geraten gewisserart, nach euren Begriffen genommen, alle diese Menschen in eine Art allerhöchsten somnambulen Zustand und genießen in diesem Zustand die Wonne der Engel. Wenn sie sich aber wieder erheben, da eilen sie sobald aus dem Tempel und fallen vor demselben auf ihre Angesichter nieder und danken und loben und preisen den großen Gott für solche für sie allerhöchste Gnade, dass Er sie durch Seinen Oberpriester für würdig erachtet hat, sie dieses allerhöchste Wort alles Wortes wieder einmal hören zu lassen. Und eine geraume Zeit nachher getraut sich niemand die Schwelle des Tempels zu betreten. Wenn aber solcher wieder betreten wird, so geschieht es allzeit mit einem allerdemütigst feierlichsten Einzug.
[20.22] Aus dem Gesagten könnt ihr euch schon einen Begriff machen, welcher Art und von welchem Effekt dieses Tempels Lehrweise ist. Daraus aber könnt ihr euch zur Belebung eures großen Stumpfsinnes auch ein kleines Notabene nehmen, und betrachten, in welcher Achtung Ich dagegen bei euch stehe, allda Ich nicht nur Mein Wort durch gewisse Lehrer und Priester habe verkünden lassen, sondern allda Ich, der Vater, als die allerhöchste Liebe, Selbst wesenhaft in aller Meiner göttlichen Fülle unter euch gewandelt und euch mit eigenem Munde gelehrt habe die Worte des ewigen Lebens. Und dennoch mögen die Menschen um eine Handvoll Erde Meiner vergessen, und Mich viel geringer achten als alles andere, was sie umgibt. Denn wenn es nicht also wäre, wie könnte da so mancher den ganzen Tag hin mit aller seiner Anstrengung fürs Zeitliche sorgen und Mir dabei in einem Tag kaum eine erbärmliche Viertelstunde widmen.
[20.23] Wahrlich sage Ich euch: Hätte Ich solches in der Sonne getan, was Ich auf der Erde tat, ihr Freudenlicht hätte die ganze Unendlichkeit gefangengenommen! Aber die Kinder der Erde, die Ich zu Kindern Meines Herzens gemacht habe, diese können den Vater fliehen und verachten!
[20.24] O so lernt es denn von der Sonne, wenn ihr es auf der Erde nicht lernen könnt, wer da ist Derjenige, der aus unendlicher Liebe für euch sogar am harten Kreuz bluten wollte! Erkennt doch einmal, dass der Vater die Liebe ist!
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