(Am 31. August 1842 von 3 1/4 bis 1/2 6 Uhr nachmittags.)
[19.1] Ihr wisst, dass ein solcher Tempel zusammengenommen aus fünfzehn Dachungen besteht, nämlich aus der mittleren hohen, und dann zu ihren beiden Seiten je von sieben Dachungen. In der Mitte einer jeden solchen Dachung befindet sich im Innern des Tempels wieder eine eigens prachtvoll errichtete Schneckenwendeltreppe, welche sich ganz unter die Dachung hineinzieht und unter jedem Dach, welches sich dem Mitteldach nähert, größer, prachtvoller und somit auch bedeutungsvoller ist.
[19.2] Unter der mittleren, hohen Dachung aber befindet sich keine solche Schneckenwendeltreppe, sondern diese Dachung wird fürs Erste von leuchtend blauroten Säulen getragen, und möchten derselben in der Runde wohl bei dreißig sein. Diese Säulen sind beinahe noch einmal so hoch als die des eigentlichen Tempels; daher denn dieser mittlere Teil des Tempels auch höher ist als die übrigen Teile desselben.
[19.3] Diese Säulen sind mit sieben Reihen Galerien versehen, auf welche man durch eine Wendeltreppe, welche um die Säulen gewunden ist, gelangen kann. Eine jede Säule ist demnach mit einer solchen Wendeltreppe bis in die siebte Galerie umwunden. In der Mitte dieses großen Tempelrondeaus steht eine große Hauptsäule, welche sich bis zur höchsten Spitze des hohen Daches hinaufzieht. Da, wo sich um die Säulen die vierte Galerie zieht, ist von dieser Mittelpunktsäule nach vier Seiten hin ein Gang angebracht, das heißt, es sind im Grunde (nur) zwei Gänge, welche sich an dieser Hauptsäule durchkreuzen.
[19.4] Von diesem Kreuzgang geht dann eine sehr breite Wendeltreppe um die Säule hinauf bis zur höchsten Dachspitze. Die Galerien, welche um die Säulen dieses Hauptrondeaus laufen, werden ebenfalls durch regenbogenartig strahlende Bögen unterstützt. Aber hier fasst ein Bogen nur eine Farbe, und da es sieben Galerien gibt, so gibt es auch zur Unterstützung derselben sieben Bögen, von denen ein jeder in einer anderen Farbe strahlt. Und wenn man sein Auge über alle die sieben Galerien ausdehnt, so genießt man den Anblick eines zerstreuten Regenbogens.
[19.5] Die Geländer der Galerien haben in diesem Hauptmittelrondeau des Tempels das Aussehen wie glühendes Gold und sind, obschon an und für sich überaus kunstvoll gearbeitet, dennoch in den Zwischenräumen mit allerlei kleineren Verzierungen in allen erdenklichen Farben, wie ihr zu sagen pflegt, unterspickt, ungefähr auf die Weise, wie da bei euch z. B. eine aus Gold und Silber kunstvoll gearbeitete Kaiserkrone noch verziert ist mit allerlei kunstvoll geschliffenen Edelsteinen.
[19.6] Was aber die Lehnen der Galerie betrifft, so sind sie dunkelrot leuchtend. Die Fußböden der Galerien aber sehen so aus als wie zur Nachtzeit der Himmel, wo er mit den meisten Sternen übersät ist.
[19.7] Was aber die Gestalt der Mittelsäule betrifft, so erhebt sich diese vom Boden bis zur höchsten Spitze geradeso, als zöge sich vom Boden bis in die höchste Spitze hinauf eine feurige Wolkensäule. Wozu dient denn diese Hauptsäule? Fürs Erste hilft sie das hohe, schwere Dach tragen, das ist der naturmäßige Nutzen. Der zweite Nutzen ist dieser, dass man auf der Wendeltreppe bis unter die höchste Spitze des Daches gelangen und allda auch am Dach etwas ausbessern kann, wenn mit der Zeit daran etwas schadhaft werden könnte. Drittens gehört sie darum in diese Hauptschulanstalt, damit durch ihr Besteigen die Menschen sich angewöhnen, von den verschiedenen Höhegraden ohne Schwindel in die Tiefe hinabzublicken. Denn solches haben die Sonnenbewohner sehr nötig, besonders diejenigen, welche hernach auch zu den verschiedenen Bauamtszweigen überzutreten gedenken. Dann endlich wird auf den verschiedenen Höhenstufen auch der Wille der Menschen geprüft, wie tief unter ihnen er noch auf den Boden zu wirken vermag. Denn ihr müsst wissen, dass eine solche Säule von keiner unbedeutenden Höhe ist und von manchen Tempeln mit den höchsten Bergen eurer Erde wetteifern dürfte, wenn sie auch auf der Oberfläche des Meeres stände.
[19.8] Diese Säule ist auch sehr umfangreich, besonders zuunterst, da sie nicht selten einen Durchmesser von hundert Klaftern hat. Freilich geht sie von da an bis unter die Spitze des hohen Daches immer pyramidenartig abnehmend fort. Da die Säule so umfangreich ist, so könnt ihr euch wohl leicht denken, dass auch die Wendeltreppen um sie herum sehr geräumig sind; ja sie sind, besonders zuunterst, so breit, dass da sehr leicht hundert Menschen nebeneinander eine solche Treppe aufwärts besteigen können. Also sind auch die Galerien, welche siebenfach um dieses Hauptrondeau gezogen sind, überaus geräumig. Und ebenso geräumig sind dann auch die zwei sich durchkreuzenden Gänge, welche die mittleren Galerien mit der Hauptsäule verbinden. Ein solcher Gang ist so breit, dass da ebenfalls über hundert Menschen nebeneinander in einer Reihe ganz bequem stehen könnten.
[19.9] Wozu dienen denn diese zwei Kreuzgänge, wie auch die ganze mittlere Galerie? Seht, da ist wieder etwas für euch; denn das ist das musikalische Orchester eines solchen Tempels. Auf einem jeden Gang befinden sich siebenundsiebzig Harfen; auf der Galerie herum aber sind Plätze für die Hauptsänger angebracht. Auf dieser Galerie und auf diesen zwei Gängen wird vor und nach jeder Beschäftigung dem großen Gott ein Lobgesang mit Begleitung der Harfen dargebracht, von welchem Lobgesang dann der ganze, weite Tempel majestätisch widerhallt.
[19.10] Ihr müsst euch den Ton einer Harfe nicht etwa also vorstellen, wie eben ein solch ähnliches Instrument auf eurer Erde klingt; sondern der Ton einer solchen Harfe ist so überaus rein und aller Modulation von der größten Schwäche bis zur größten Stärke in einem solchen Grade fähig, dass ihr euch auf eurem Erdkörper durchaus keine Vorstellung machen könnt. Was die Stärke desselben betrifft, so ist die hellste Glocke bei euch nur ein Pianissimo dagegen. Was aber eines solchen Tones größtmöglichste Schwäche betrifft, so könnt ihr wieder auf keinem eurer Instrumente solche wahrhaft geisterhaft leise Töne hervorbringen, welche da hervorgebracht werden können aus einer solchen Harfe; dazu ist auch der Ton bei einer Harfe von euch ein nur kurz andauernder, während der einmal angeschlagene Ton einer solchen Sonnenharfe so lange fortklingt, bis ihm der Musiker einen Einhalt tut. Und so ist eine solche Harfe auch aller Toncharakteristik fähig, so zwar, dass eine solche Harfe auf der Erde gar wohl imstande wäre, ein zehnfaches, wohlbesetztes Orchester zu ersetzen. Wenn ihr nun dieses ein wenig beachtet, so könnt ihr euch schon von einem solchen Konzert in der Sonne einen kleinen Begriff machen.
[19.11] Zu diesem Zweck ist eigentlich auch diese Hauptmittelrotunde des Tempels errichtet. Sie ist das eigentliche Bethaus eines solchen Tempels, allda nichts anderes verrichtet werden darf, als nur was zum einstimmigen Lob des großen Gottes bestimmt ist.
[19.12] Nur die alleinigen Willensübungen werden, wie schon früher erwähnt wurde, auf den verschiedenen Höhenstufen dieser Säule vorgenommen; aber auch nur darum in diesem Bethaus, damit sich der Wille eines jeden Menschen desto mehr einen soll mit dem Willen des großen Gottes. Dazu gehören auch diejenigen vorerwähnten Übungen, durch welche die Sonnenmenschen von jeder Höhe ohne Schwindel gleichgültig in die Tiefe hinabzublicken imstande sein sollen und auch wirklich werden.
[19.13] Eine solche Übung wäre auch auf der Erde gar nicht schlecht, allda die Menschen vorzüglich an dem Schwindel leiden; denn wenn ein Mensch nur ein bisschen höher steht als ein anderer, so graut es ihm schon auf ihn hinabzublicken, und je höher einer zu stehen kommt, desto unerträglicher wird sein Hoheitsschwindel, welcher manchmal, und das eben nicht gar zu selten, so arg ausartet, dass mancher hochstehende Adelige sich eher möchte mit zehn Kanonen auf einmal totschießen lassen, als nur einmal einen solchen werktätigen Blick hinab in die Tiefe zu machen und sich dort zu erblicken in der einfachen Jacke eines Landmannes. Ist hier etwa zu viel gesagt? – O nein! Seht nur hin auf die Adeligen; ist es ihnen nicht viel lieber, so ihre Söhne auf dem Schlachtfeld von dem Feind in tausend Stücke zerrissen und zerhauen werden, als wenn da ein solcher adeliger Sohn zu seinen hochadeligen Eltern sagen möchte: Ich will lieber ein Bauer werden, als mich als ein Feldherr auf offenem Schlachtfeld vom Feind erschießen lassen.
[19.14] Seht, um in dieser Hinsicht die Menschen schwindelfest zu machen, wäre eine solche Säulenbesteigungsschule im Ernst überaus wohl anzuempfehlen. Allein die Menschen der Erde gefallen sich noch zu sehr in dieser verderblichsten Krankheit. Daher kehren wir nur wieder dahin zurück, wo für die Hintanhaltung einer solchen Krankheit naturmäßig und geistig auf das Tätigste gesorgt wird.
[19.15] Dass eine solche Hauptrotunde eines solchen Tempels für eure Begriffe nur zu erhaben schön und prachtvoll aussieht, braucht kaum noch einmal erwähnt zu werden. Wer nur ein wenig seine Phantasie zu erwecken imstande ist, der wird sich auch gar bald einen kleinen Begriff davon machen können. Einen vollkommenen Begriff aber wird sich ein jeder erst dann machen können, wenn er solche Wunder mit eigenen, verklärten Augen ansehen wird, und wird auch mit eigenen, feineren Ohren des Geistes mit anhören die Musik der Himmel.
[19.16] Was aber die übrigen Teile des Tempels betrifft, so gehören sie teils zum verschiedenartigen Unterricht, teils aber auch zur Wohnung sowohl für die Schüler wie für die Lehrer; und es gehört ein Flügel für das männliche und ein Flügel für das weibliche Geschlecht, welche zwei Geschlechter im Tempel, außer in der Rotunde, nie zusammenkommen, wohl aber außer dem Tempel bei oftmaligen Lustwandlungen in der freien Sonnenluft und bei nicht seltenen Besteigungen höherer Gebirgsgegenden.
[19.17] Das wäre sonach das ganze Äußere und Innere des Tempels. Was aber die Grundumgebung eines solchen Tempels betrifft, so ist sie gleich geordnet mit der Grundumgebung eines jeden anderen Wohnhauses, nur ist der Grund in dem Verhältnis größer, in welchem Verhältnis die beständige Menschenmenge eines solchen Tempels größer ist als die eines jeden anderen Wohnhauses.
[19.18] Wenn sonach in einem Tempel manchmal bei zehntausend Menschen wohnen, so misst auch der Grund um denselben ebenso viele halbe Joche nach eurem Maß. Doch sind die verschiedenen Äcker durch viel breitere Straßen zur Lustwandlung voneinander getrennt, und die Fruchtbäume sind um den Tempelhügel erst in einer solchen Niederung gezogen, dass durch sie die Aussicht des Tempels nicht im Geringsten behindert wird.
[19.19] Aus diesem Grunde befindet sich dann außerhalb des Tempels ein weites Planum, auf welchem nichts als ein üppiger Graswuchs von lebhaft nahe dunkelgrüner Farbe gezogen wird.
[19.20] Die äußere Verfassung dieses Planums besteht aus lauter Springbrunnensäulen, durch deren hervorsprudelndes Wasser sowohl das Planum um den Tempel wie auch der darauf folgende, nach allen Seiten abhängende Grund erfrischt wird.
[19.21] Seht, das ist ein Tempel der ersten Art. Nächstens wollen wir noch die zwei folgenden betrachten. Und daher lassen wir es für heute wieder gut sein!
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