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35. Die Verfassung: Leben nach dem Willen Gottes. Behandlung von Sündern

[35.1] Nachdem wir bis jetzt gesehen haben, wie in diesem Planeten namentlich die Gebirgsbewohner unter sich keine abgeschlossenen Eigentumsgrenzen haben und wie das Gesicht eines Menschen allen Saturnusbewohnern ein hinreichendes Zeugnis ist, dass ihm vom Großen Geist das unbestreitbare Recht eingeräumt ist, allenthalben auf dem ganzen Planeten Besitz zu nehmen für sein Bedürfnis, so wollen wir nun wieder zu unserer geteilten Familie unter ihrem neuen Ältesten stehend uns wenden.

[35.2] Den Tempel haben wir gesehen, wie er angelegt wurde, und haben auch gesehen die Möglichkeit, wie solch eine geheiligte Ansaat in wunderbarer Schnelligkeit dem Boden dieses Planeten entwachsen kann, und haben auch gesehen, wie diese Saturnusbewohner alle ihre übrigen Bauten angelegt haben. Sonach hätten wir die Entstehung eines neuen Besitztums vollkommen gut angeschaut und es geht uns hernach nur noch das ab, was ihr bei euch eine politische Verfassung nennt.

[35.3] Worin besteht denn diese bei einer solchen Familie? Seht, alldort ist die politische Verfassung sehr kurz und mit wenig Worten abgetan; denn der Grundsatz dieser Verfassung besteht bloß in dem, dass da kein Glied einer solchen allgemeinen Familie fürs Erste ohne den ihm vom Ältesten bekanntgegebenen Willen des Großen Geistes etwas tun darf und auch nie etwas tut. Wenn aber jemand den Willen des Großen Geistes durch den Ältesten erfahren hat, so darf er nicht eher seine Hand an irgendein Werk legen, als bis er innigst gedankt hatte dem Großen Geist für die Bekanntgebung Seines Willens und bis er dann auch nach dem Dank den Großen Geist gebeten hatte um das rechte und gute Gelingen des unternommenen Werkes.

[35.4] Das ist einmal der Hauptgrundsatz der sämtlichen politischen Verfassung der Saturnusmenschen. Nach diesem Grundsatz handelt dann auch jeder Mensch und kümmert sich dann um nichts Weiteres, als allein um das, wie er dem Großen Geist nach der Vollendung des Werkes den gebührenden Dank darbringen möchte.

[35.5] Ihr könnt es buchstäblich glauben, dass in diesem kurzen Satz alles Erdenkliche begriffen ist. Denn wer da handelt nach Meinem Willen, der handelt ja allzeit recht.

[35.6] Darum gibt es auch dort durchaus keine weiteren Kommentare über dieses kurze politische Gesetz, welches sich ein jedes Kind auf dreimaliges Vorsagen merken kann. Und dieses kurze Gesetz hat auch durchaus keinen Strafkodex als einen politischen Zuchtmeister zur Seite; sondern der Ausdruck: „Ich handle nach dem erkannten Willen des Großen Geistes!“ – ist für jeden Saturnusmenschen die allerkräftigste Beweisurkunde der allerrechtlichsten und dadurch auch niemand anderen beeinträchtigenden Handlungsweise.

[35.7] Wenn es sich, was freilich selten der Fall ist, dennoch manchmal ereignet, dass jemand aus der Tiefe zu den Gebirgsbewohnern kommt und handelt da irgendwo zu seinem Vorteil, ohne dass er sich früher beraten hat mit einem Ältesten einer Familie, so geht da entweder der Älteste selbst oder ein Nachältester sogleich zu ihm hin und fragt ihn: „Aus welchem Willen tust du dieses?“ – Sagt dann der Gefragte: „Nach dem Willen des Großen Geistes!“ – so wird er nicht mehr gestört in seiner Handlung.

[35.8] Sagt aber der Befragte: „Es war mir ein Bedürfnis zu meinem Frommen, dass ich mich solches zu tun habe unterfangen!“ – so gibt ihm der Älteste sogleich folgende Lehre und spricht zu ihm:

[35.9] „Höre, Bruder im Großen Geist! Wie ist solches möglich, dass du über das Bedürfnis, welches allein in dem Willen des Großen Geistes ist, noch ein anderes Bedürfnis haben kannst, welches von dem Bedürfnis nach dem Willen des Großen Geistes getrennt ist? Daher rate ich dir als wahrer Bruder im Großen Geist: Unterlasse sobald das Werk, damit du nicht unglücklich wirst mitten in der Ausführung deines Vorhabens. Bist du dürftig und hast keine Wohnung, siehe, unsere Wohnung ist hinreichend geräumig, nicht nur dich, sondern Hundert deinesgleichen aufzunehmen. Tust du solches Werk aber aus heimlichem Eigennutz, da falle augenblicklich nieder auf dein Angesicht und flehe inständigst und reumütigst zum Großen Geist, dass Er dich verschonen möchte mit einer gebührenden Züchtigung! Denn der Große Geist ist überaus gut den Guten, aber überaus streng und gerecht dem, der da zuwiderhandelt Seinem über alles heiligen Willen!“

[35.10] Bei einer solchen Anrede lässt ein solcher unbefugter Fremdling auch sogleich sein Werk fahren. Möchte er sich aber sträuben, so sagt der abgesandte Älteste alsbald zu ihm: „So tue denn, was du willst, von mir aus sei es dir für alle Zeiten der Zeiten bewilligt, damit deine Sünde nicht größer werde vor den Augen des Großen Geistes. Siehe aber zu, dass dich die Strafe nicht auf offenem Feld ereilt!“

[35.11] Darauf bietet er ihm die Hand, verlässt ihn dann und lässt ihn forttreiben sein Werk. Wann er aber nach Hause kommt, was tut er da? Ihr werdet hier vielleicht meinen, er wird mehrere hinsenden, etwa wie bei euch, mit Stricken und Lanzen, damit sie den Frevler oder Dieb gefangen nehmen sollen und ihn führen nach Hause zur gerechten Züchtigung? O nein, solches ist bei den Menschen dieses Planeten durchaus nicht der Fall, und namentlich bei den Gebirgsbewohnern schon gar nicht. Sondern bei dieser Gelegenheit gibt der Älteste sobald allen Mitgliedern kund, was da vor sich geht, und fordert sie dann auf, dass alle sich vereinigen sollen in einer inständigsten Bitte an den Großen Geist, Er möchte diesem Bruder, der sich vergessen hatte, darum er handelt wider den Willen des Großen Geistes, gnädig und barmherzig sein und selben wieder zurückführen zu jener wahren Erkenntnis, dass dem Menschen nichts, denn der alleinige Wille des Großen Geistes zum Bedürfnis ist.

[35.12] Wenn alle die Familienglieder eine Zeit lang also inständigst gebetet haben, sodann versammelt sich der Älteste und ruft den allzeit ratgebenden lichten Geist, auf dass er ihm kundgeben möchte den Willen des Großen Geistes zur bleibenden Wohlfahrt des betreffenden verirrten Bruders. Bei solcher Gelegenheit gibt dann auch allzeit der Geist dem Ältesten kund, was da zu tun ist.

[35.13] Ist der Frevler ein verhärteter, eigenwilliger Selbstnützler, sodann wird es dem Ältesten allzeit aufgetragen, dass er den Fremdling solle gefangen nehmen lassen und ihn führen auf die Höhe, allda sich die Familienwohnung befindet. Da solle ihm zuerst Speise und Trank gereicht werden. Dann aber solle er unterrichtet werden in der Erkenntnis des großen Geistes, und solle solche Belehrung währen sieben Tage lang. Nach dieser Zeit aber solle er geführt werden in den Tempel und solle da aus dem innersten Grunde geloben dem Großen Geist den allerwilligsten Gehorsam, demzufolge er nimmerdar einen Schritt und Tritt tun wolle, ohne den Willen des Großen Geistes.

[35.14] Bekehrt sich ein solcher Frevler, so solches an ihm in der Tat vollzogen wird, so wird er nach vollbrachtem Dankgebet mit verschiedenen Lebensmitteln reichlich beteilt und sodann von dreien geleitet hinab in die Tiefe bis zur Stelle, da er angibt, dass sich daselbst befindet seine Wohnung. Findet es sich, dass allda seine Wohnung ist, wo er sie angegeben hatte, so hat der ganze Prozess ein Ende, bis auf das, dass er von den dreien ganz brüderlich ernstlich zur Befolgung dessen, was er gelobt hatte, wie zu aller Dankbarkeit gegen den Großen Geist, ermahnt wird.

[35.15] Sollte es sich aber ergeben, dass ein solcher Fremdling gar zu entfernt von den Gebirgen seine Wohnung hat, oder er hat gar keine Wohnung, was eben bei den Bewohnern der Tiefen nicht selten der Fall ist, so wird im ersten Fall er am Fuß des Berges zwar entlassen, aber unter einer eindringlichen und äußerst drohenden Ermahnung, sein Gelöbnis ja nie mehr wieder zu brechen. Alsdann wird er gesegnet und auf freien Fuß gesetzt.

[35.16] Ist er aber gewisserart ein Landstreicher und hat somit keine Wohnung, trotzdem, dass er in der Höhe ausgesagt hatte, dass er eine Wohnung besitze, so wird er in diesem freilich äußerst seltenen Fall zwar wohl auch ausgesetzt und auf freien Fuß gelassen; aber es wird ihm dabei bedeutet, dass er dadurch nicht sie, nämlich die Gebirgsbewohner, sondern nur Den, dessen Willen sie allzeit erfüllen, hat täuschen wollen. Dieses aber sei das allergrößte Übel, das ein Mensch begehen kann, darum er nun wohl zusehen wolle, wie er da zurechtkommen wird mit Dem, der alle Gedanken erkennt, bevor sie noch gedacht werden.

[35.17] Sie zeigen ihm da die auf der Erfahrung beruhenden schrecklichen Folgen einer solchen Handlung und verlassen ihn sobald ungesegnet. Denn wer da gefrevelt hat vor ihnen, der wird gesegnet, damit er sich wieder kehren möchte zum Großen Geist. Der aber da gefrevelt hat vor dem Großen Geist, einen solchen getraut sich niemand zu segnen, bevor an ihm nicht klar ersichtlich wird, dass ihm der Große Geist noch gnädig ist. Ist solches der Fall, alsdann wird er auch wieder von den Menschen gesegnet.

[35.18] Wird er aber, was sehr häufig der Fall ist, vom Großen Geist alsbald mit einer Strafe heimgesucht, sodann bitten die Saturnusmenschen den Großen Geist wohl nahe tagtäglich für die Vergebung seines an Ihm begangenen Frevels; aber zu segnen wagt sich einen solchen Sträfling niemand eher, als bis er entweder auf dem geistigen oder dem natürlichen Weg erfährt, dass ihm der Große Geist die verhängte Strafe zu mildern hat angefangen. Das ist also das Verfahren in dem Fall, wenn ein solcher Frevler verhärtet ist.

[35.19] Ist er aber nicht verhärtet, so lässt der Älteste drei, welche reichlich mit Früchten beladen sind, dahinziehen, allwo der Frevler noch sein Werk verrichtet. Wenn sie nun bei ihm anlangen, so gebieten sie ihm im Namen des Großen Geistes alsbald abzustehen von seinem Werk, belehren ihn dann über den Willen des Großen Geistes, vergeben ihm seine Tat, nehmen ihn in die Mitte und führen ihn hinab, allda er angibt zu wohnen.

[35.20] Dort beschenken sie ihn mit den Früchten und sagen dann zu ihm: „Bruder, damit du fernerhin nicht mehr sündigst an uns und noch viel weniger an dem allerheiligsten Willen des Großen Geistes, so stellen wir dir allhier frei, dass du zu uns kommen kannst, wann du willst, und du sollst nimmerdar leer nach deiner Wohnung ziehen – denn solches zu tun wissen wir aus dem Willen des Großen Geistes. Wann du dich aber je wieder erkühnen würdest, zu sündigen also wie jetzt, so wird dich die Strafe des Großen Geistes beim ersten ungerechten Tritt ereilen.“

[35.21] Alsdann reichen sie ihm ihre Hände, segnen ihn und ermahnen ihn zur Dankbarkeit gegen den Großen Geist und entfernen sich endlich von ihm.

[35.22] Seht, das ist das ganze, wie ihr zu sagen pflegt, peinlich richterliche Verfahren bei solchen Vergehungen vonseiten der Saturnusmenschen. Nächstens wollen wir ähnliche politische Verfassungen und Verfahren weiter verfolgen.

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