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22. Die Haushenne. Die Goldene Kugel. Die Riesengans

[22.1] Wie bei euch auf der Erde, so auch in diesem Planeten spielt die Haushenne die vorzüglichste Rolle der Hausvögel. Nur sieht diese Henne im Saturnus bei weitem anders aus als wie die bei euch auf eurer Erde. Es gibt aber schon auf dieser Erde in den verschiedenen Ländern und Weltgegenden auch ebenso verschiedene Arten und Gattungen dieses Geflügels. Solches ist demnach auch im Saturnus der Fall; dessen ungeachtet aber gibt es dort dennoch einen gemeinsamen Vogel, der dort als die fast überall gleichartig vorkommende Henne bekannt ist.

[22.2] Wie sieht denn diese Henne aus? Fürs Erste ist sie wenigstens um hundert Mal größer als die bei euch auf eurer Erde; fürs Zweite ist eine jede Henne gleichfarbig. Die Flügel sind hochblau; der Rücken ganz weiß; der Schweif geht ins Hochrote über; der Bauch der Henne ist also gefärbt wie eine Muschel, welche euch unter dem Namen die Perlmutter bekannt ist; die Füße sind lichtrot; und der Hals, vom Kopf angefangen, ist lichtgrün bis in die Gegend der Füße, welche bei dieser Henne nahe an dem Kopf angebracht sind, so dass der bei weitem größere Teil des Leibes hinter den Füßen angebracht ist. Also ist der Vogel gefärbt.

[22.3] Wie sieht es denn bezüglich der Form aus? Hier wird es wieder ein wenig schwer halten, euch ein richtiges Bild zu geben, nachdem auf der Erdoberfläche fast kein Vogel existiert, der dieser Henne im Saturnus gliche. Sonach müssen wir uns schon mehr ins Sonderheitliche einlassen. Kennt ihr dann solches, so wird es euch nicht zu schwer werden, den ganzen Vogel sich vorstellig zu machen.

[22.4] Der Kopf ist sehr groß, im Verhältnis noch größer als der einer großen Nachteule bei euch zu ihrem sonstigen Leib. Zu beiden Seiten des Kopfes stehen zwei weiße Ohren in der Gestalt, wie sie ein Elefant bei euch auf der Erde hat, aber nicht so herabhängend. Vor den Ohren sind zwei verhältnismäßig große und sehr scharfe Augen, welche durch einen dunkelgrünen Federkamm geschieden sind. Ein wenig unter den Augen sitzt ein starker, etwas stumpfer, grauer Schnabel, auf welchen zwischen den Nasenlöchern, wie bei euch bei den indianischen Hühnern, eine Art Rüssel herabhängt, welcher aber jedoch von diesem Vogel mehr in der freiwilligen Gewalt gehalten wird als der bei den indianischen Hühnern bei euch. Seine Farbe ist blutrot. Dieser also gestaltete Kopf ist mittels eines ziemlich langen, aber verhältnismäßig dicken Halses mit dem übrigen Leib verbunden.

[22.5] Der Leib der Henne aber hat an und für sich ohne die Flügel und Füße eine vollkommen eirunde Gestalt. Die Flügel sind verhältnismäßig kurz und haben statt der festen Schwungfedern nur lange und mit weichen Flaumen versehene Stiele. Derjenige Teil der Flügel aber, welcher dem Kopf zugewendet ist, oder wenn ihr es leichter versteht, der obere Flügelrand, ist durchaus mit solchen Federn besetzt, wie sie auf der Erde die Strauße haben.

[22.6] Vermöge dieser etwas stiefmütterlichen Behandlung der Flügel sind diese Vögel auch wohl nicht geschickt zu einem Flug. Da sie aber sehr lange und feste Beine haben, so können sie am Boden herum so schnell laufen, dass dieselben mit natürlicher Laufkraft der Saturnusbewohner nicht leichtlich eingeholt werden können. Wenn daher die Saturnusbewohner eine solche Henne frei abfangen wollen, so tun sie solches allzeit durch die Kraft ihres festen Willens, wovon zu seiner Zeit schon noch mehreres erwähnt wird. Der Schweif dieses Vogels ist ein Radschweif, aber nicht etwa auf die Art wie er da sich vorfindet bei den indianischen Hühnern bei euch, sondern so wie bei den Pfauen; nur ist er im Verhältnis größer und viel dichter als wie bei den Pfauen bei euch.

[22.7] Nun setzt euch den Vogel also zusammen, wie euch dessen Einzelteile gezeigt worden sind, so könnt ihr euch einen ziemlich guten Begriff machen, wie dieser Vogel alldort aussieht. Nur müsst ihr den angegebenen Federfarben den schönen metallischen Glanz hinzufügen, dann habt ihr den ganzen Vogel vor euch.

[22.8] Das Männchen unterscheidet sich nur durch die Größe von dem Weibchen und durch seinen oft lästig gellenden Gesang, während die Henne nur kurz abgebrochene Töne von sich stößt, welche eben auch nichts Angenehmes an sich haben – darum auch ein gemeines Sprichwort bei den Saturnusbewohnern ist, wenn sie einen recht schlechten Gesang bezeichnen wollen, dass sie nämlich sagen: „Höre auf mit Singen, denn deine Stimme ist schlechter als die einer Henne!“

[22.9] Welchen Nutzen gewährt aber den Saturnusbewohnern dieses Tier? Fast denselben, welchen euch eure Haushühner gewähren. Diese Hühner legen nämlich sehr viele und sehr große Eier, welche von den Saturnusbewohnern sogleich, als roh, ausgetrunken werden; denn die Substanz dieser Eier schmeckt so süß wie bei euch eine recht gute Kuhmilch und ist auch im Saturnus viel schmackhafter als die ihrer großen Hauskühe. Die Schale des Eies, da sie sehr fest ist, wird beim schmaleren Teil gut und rein abgenommen und sodann als Trinkgefäß gebraucht, gewöhnlich für edle Säfte, von denen der Saturnusbewohner nur, wie er zu sagen pflegt, tropfenweise Kost nimmt, obschon ein so ausgehöhltes Ei ganz gut fünf Eimer nach eurem Maß fasst.

[22.10] Für dieses Hausgeflügel bauen die Saturnusbewohner gewöhnlich einen lebendigen Stall, d. h. sie pflanzen für sie den euch schon bekannten Wandbaum an, machen dadurch einen länglichrunden Garten, der nicht selten eine halbe Quadratmeile Raum fasst. In diesem ziemlich großen Stall werden dann allerlei Gras[arten] und andere Pflanzen angesät und mitunter auch einige euch schon bekannte Regenbäume gesetzt, und es halten in einem solchen Stall sich dann manchmal bei einem vermögenderen Saturnusbewohner einige tausend solcher Vögel auf, welche dann auch einen bedeutenden Reichtum des sie innehabenden Saturnusbewohners ausmachen. Da aber diese Vögel nur unter sich verträglich sind, keinen fremden Gast unter sich dulden, so ist denn ein solcher Stall gewöhnlich allein für diese Vogelgattung errichtet. Dieser Stall wird aber dennoch stets ziemlich entfernt von der Hauptwohnung der Menschen errichtet. Warum solches, [das] könnt ihr euch leicht vorstellen, so ihr einen Rückblick auf den eben nicht sehr angenehmen Gesang dieses Vogels werft.

[22.11] Es gibt aber neben diesem Vogel noch mehrere Gattungen anderer Hausvögel, welche jedoch weniger nützlich sind als dieser. Denn von diesem uns schon bekannten wird alles gar und nützlich verwendet, und es wird auch sein Fleisch gegessen, und aus seinen Federn werden, so wie bei euch, nicht selten weiche Lager bereitet, wogegen von den anderen Hausvögeln sehr wenig gebraucht wird; daher sie auch mehr der Unterhaltung und der Zierde wegen gehalten werden. Mancher wohlhabende Saturnusbewohner hat nicht selten alle möglichen Gattungen solcher zahmer Vögel bei seiner Haushaltung. Mancher beschränkt sich aber nur allein auf die Haushühner. Aus den übrigen zahmen Vögeln wollen wir aber nur noch ein paar flüchtig betrachten.

[22.12] Einer, die sogenannte Goldene Kugel, ist derjenige Vogel, welcher von den Saturnusbewohnern wegen des großen Glanzes seiner Federn als eine Hauptpracht der Haushaltung gerne gehalten wird. Dieser Vogel sieht geradeso aus, als wenn ihr nehmen würdet eine Kugel, welche wenigstens zwölf Klafter im Durchmesser hat, unter dieser Kugel aber [denkt euch] zwei starke Säulenfüße, mit strahlenartig ausgehenden Zehen versehen. Diese Darstellung beschreibt schon die ganze Form dieses Vogels; es versteht sich von selbst, wenn er seine Flügel geschlossen hat.

[22.13] Er hat beinahe gar keinen Kopf, sondern auf der vorderen Seite einen breiten, aber sehr kurzen Schnabel, welcher nach eurem Maß kaum eine halbe Elle lang ist, aber wohl bei vier Ellen breit und dunkelrot. Über dem Schnabel hat er zwei ovale Augen, wovon ein jedes über eine Klafter lang und dreiviertel Klafter breit ist. Die Farbe des Gefieders dieses Vogels ist ganz vollkommen goldgelb, die Füße aber gehen anfangs ins Grüne und verlieren sich endlich ins Rote. Das ganze Gefieder des Leibes als auch der Flügel ist vollkommen gleich groß und ganz flach, wie eine allerfeinst polierte Goldfläche. Am Tag sind diese Vögel für den Saturnusbewohner oft kaum anzuschauen und nehmen sich da aus, als wenn ihr eine Menge vergoldeter Turmknöpfe auf eurer Erde herumwandeln sähet.

[22.14] Von diesem Vogel, wenn er stirbt, wird nichts benutzt als seine Haut, welche ihm die Saturnusbewohner ganz geschickt abziehen können. Was wird denn daraus verfertigt? Diese Häute samt den Federn dienen bei feierlichen Gelegenheiten den Weibern als Achselschmuck, welcher sich auf ihren vollen und runden Armen sehr gut und sehr reich ausnimmt. Die Eier dieses Vogels werden aufbewahrt für die Nachbrut, bei welcher Gelegenheit aber gewöhnlich unter zwanzig Eiern kaum eines eine lebendige Frucht gibt.

[22.15] Das ist somit das Ganze dieses beliebten Prachtvogels bei der Haushaltung der Saturnbewohner. Dann aber haben sie noch einen Vogel, der auch ziemlich häufig gezogen wird. Dieser Vogel kommt dem Leib nach gleich einer Riesengans, was die Form betrifft; das ist aber eben seine Auszeichnung nicht, sondern diese besteht in seinem ungewöhnlich langen Hals, welcher vom Leib aus nicht selten eine Länge von dreißig oder vierzig Klaftern hat. Die sonstige Leibfarbe ist bläulichgrau; die Füße aber sind, was auf diesem Planeten zu einer großen Seltenheit gehört, ganz kohlschwarz. Die Farbe des Halses aber ist zinnoberrot, aber dabei nicht matt, sondern sehr stark metallisch glänzend. Der Kopf ist ebenfalls dem Kopf einer Gans bei euch ähnlich, nur natürlich in verhältnismäßiger Größe des Vogels, dessen Leib ungefähr die dreimalige Größe eines Elefanten bei euch aufwiegt; den Schweif dieses Vogels betreffend hat er durchaus keinen Vogelschweif, sondern vom Hinterteil seines Leibes hängt eine Art Pferdeschweif, dessen Mähnen nicht selten bei fünf Klafter lang sind. Was die Füße betrifft, so sind diese ebenfalls im Verhältnis mehr auf der langen als auf der kurzen Seite und sind, wie ihr zu sagen pflegt, baumstark.

[22.16] Das ist nun das ganze Ausgezeichnete dieses Vogels. Warum wird er denn gehalten? Wie es schon früher erwähnt wurde, gewöhnlich nur aus Prachtliebe. Sonst hat dieser Vogel gar nichts, was der Saturnusbewohner gebrauchen möchte. Hier und da werden wohl die Mähnen des Schweifes gesammelt und werden daraus Schnüre und Stricke geflochten, welche aber eben nicht gar zu fest sind. Das übrige Gefieder wird nicht benutzt.

[22.17] Dieser Vogel wird aber jedoch nur von denjenigen Bewohnern dieses Planeten gehalten, welche an den Seen oder Flüssen wohnen; denn er ist ein Wasservogel und nährt sich zumeist von den Gewürmen der Gewässer, darum er auch einen so langen Hals hat, mit welchem er sehr leicht bis zum Boden reicht und allda seine ihm zusagende Nahrung sucht und sie auch, wenn er sie gefunden hat, alsbald verzehrt. Das Männchen zeichnet sich nur durch einen reichhaltigeren Mähnschweif aus vor dem Weibchen.

[22.18] Dieser Vogel legt seine Eier ins Wasser und lässt sie dann eine Zeit lang herumschwimmen, bis ihm sein Instinkt sagt, dass sie vollkommen abgekühlt sind. Dann breitet er aber seine Flügel über ein oder mehrere gelegte Eier aus und rudert dann mit denselben einer ruhigen Wasserstelle zu, bei welcher Gelegenheit sie dann durch seine Beobachtung bald und sicher von selbst ausgebrütet werden.

[22.19] Wenn dieser Vogel seine Eier bewacht, dann ist es eben nicht ratsam, sich einer solchen Stelle zu nähern; denn da schwingt er sobald seinen langen Hals pfeilschnell an einen solchen Frevler hin, und versetzt ihm mit seinem festen Schnabel einen so derben Hieb, dass sich jeder für allezeit den Appetit vergehen lässt, diesen Hausvogel noch einmal bei seinem allerwichtigsten Geschäft zu stören.

[22.20] Das ist nun das Wichtigste und Denkwürdigste aus dem Geschlecht der gefiederten Bewohner dieses Planeten. Dass aber alle diese jetzt vorgeführten Gattungen und noch tausend andere in den verschiedenen Ländern und Saturnusweltteilen auch in der mannigfaltigen Abartung vorhanden sind, könnt ihr euch sehr leicht vorstellen. Und so wollen wir uns denn zu den Landtieren wilder und zahmer Art wenden.

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