[20.1] Wie schon anfangs bei der Kundgabe dieser fliegenden Tiere erwähnt wurde, dass es deren eine große Menge gibt, also sage Ich es auch hier: Diese Menge ist nach der Zahl der Gattungen und Arten für diesen Planeten übergroß, dass ihr kaum, wie gesagt, auf zehntausend Bogen ihre Namen unterbringen würdet. Aber dennoch ist ihre verschiedenartige Gestaltung bewunderungswürdiger als ihre große Anzahl selbst. Denn fast alle vierfüßigen Tiere dieses Planeten wie auch sehr viele Fischgattungen sind in diesen fliegenden Tieren eine Abartung. Und es verhält sich die Sache geradeso, als wenn ihr auf eurer Erde alle samt und sämtlichen zahmen und wilden Tiere nebst allen den Amphibien und den meisten Fischgattungen möchtet ebenfalls also wie eine Flattermaus beflügelt haben und hättet dadurch beflügelte Elefanten, Pferde, Ochsen, Löwen, Tiger, Hyänen und so fort durch die ganzen Tierreiche durch. Was hier für die Erde nur beispielsweise angeführt ist, das findet sich im Saturnus buchstäblich vor – nur sind die fliegenden Tiere viel kleiner gegen diejenigen, denen sie in der Form entsprechen, und die wirklichen oder unbeflügelten, die entweder den festen Boden dieses Planeten oder die Gewässer desselben bewohnen, sind aber dann bei weitem größer, stärker und mächtiger.
[20.2] Nun könnt ihr euch schon einen Begriff machen, wie lebhaft es allhier aussehen mag; und könnt euch noch dazu das Angenehme denken, wenn ihr euch noch dazu denkt, dass diese Tiere zumeist gutmütiger Art sind und die Saturnusmenschen durch die Stärke ihres Willens fortwährende Meister sowohl der Elemente wie auch umso mehr der fast allermeisten Tiere sind, mit Ausnahme nur sehr weniger, welche ungefähr in dem Ansehen unseres schon bekannten Fisches stehen.
[20.3] Nachdem wir unsere fliegenden Tiere in unserem Saturnus beobachtet haben, und zwar diejenige Klasse derselben, welche sich ohne Gefieder in die Luft erheben und in derselben herumfliegen können, und haben dabei gesehen, wie groß ihre Zahl und Mannigfaltigkeit ist, so dürfte euch wohl sicher der Gedanke sich in einer bescheidenen Frage aufwerfen: „Wenn es so viel solcher fliegender Gäste in diesem Planeten gibt, wer mag da noch bestehen? Da muss ja die Luft ganz undurchsichtig sein, wenn alle diese Tiere auffliegen; und wenn sie auf den Saturnuserdboden dann wieder aufsitzen, da wird ja kaum so viel Platz mehr übrig bleiben, dass irgend jemand nur nötigen Falls seinen Fuß dahinsetzen könnte. Allein diese Besorgnis ist von eurer Seite für diesen großen Planeten so gut wie ganz vollkommen eitel. Denn bedenkt nur, dass dieser Planet über tausendmal so groß ist wie die Erde und dass er, wie ihr schon wisst, über siebzig große Kontinente besitzt, von denen einige so viel Flächenraum haben wie die ganze Erdoberfläche, so das Meer und alle anderen Gewässer festes Land wären. Wie aber jedermann auf der Erde mit den Tieren nicht zu sehr überlästigt wird, ebenso gut auch werden die Bewohner des Saturnus von den dortigen Tieren nicht überlästigt; sondern es besteht da eine überaus gute Ordnung, und ungeachtet dessen, dass es so viele und seltsame Tiergattungen auf diesem Planeten gibt, werden aber diese im freien Zustand doch viel weniger gesehen als so manche Tiere bei euch auf eurem Planeten, auf welchem überhaupt sich alles in engeren Kreisen bewegt als auf dem Saturnus.
[20.4] Damit ihr euch von der weiteren Ausdehnung in allem einen kleinen Begriff machen könnt, so mache Ich euch nur darauf aufmerksam, was Ich schon bei einer früheren Gelegenheit erwähnt habe, und zwar gleich anfangs der Eröffnungen über diesen Weltkörper, allwo es angedeutet wird, dass die Wohnungen der Saturnusbewohner, für eure Füße berechnet, so ziemlich weit voneinander abstehen. Wie es aber mit den Entfernungen der Saturnusbewohner steht, also steht es auch mit allen anderen Verhältnissen, da alles seinen vollkommen hinreichenden Platz hat; aus welchem Grund auf diesem Weltkörper die Grenzstreitigkeiten so gut wie ganz fremd sind.
[20.5] Seht, solches musste hier vorangeschickt werden, damit ihr bei der noch folgenden Aufzeichnung der gefiederten Luftbewohner und dann der anderen Tiere des festen Bodens nicht von einem schwindelnden Unglauben befallen werdet, so ihr die folgenden Maße der Tiere noch werdet kennenlernen.
[20.6] Und somit wenden wir uns zu unseren Vögeln. Ihr wisst, wie mannigfaltig diese Tiergattung schon auf eurem kleinen Planeten ist, wenn ihr da vom riesigen Strauß bis zum kleinen Kolibri dieselbe zu zählen anfangt. Was aber ist diese Kleinigkeit gegen die Ausdehnung in unserem Planeten; denn daselbst gibt es noch ums Tausendfache mehr Gattungen dieses Getiers als auf dieser Erde. Wenn ihr die Zahl der Gattungen bestimmt wissen wollt, so sage Ich euch, dass, so im Saturnus von jeder Gattung nur ein Männlein und ein Weiblein vorhanden wären, es schon zweihundertundvierzig Millionen Vögel gäbe. Freilich wohl leben nicht alle Gattungen in einem und demselben Land, sondern in einem jeden Land finden sich auch wieder andere Gattungen vor, und selbst in einem Land sind die Gattungen verschieden. So sehen sich diejenigen Gattungen durchaus nicht ähnlich, wenn sie auch einer und derselben Art sind, davon ein Teil bewohnt den südlichen und ein Teil den nördlichen Teil eines und desselben Landes, z. B. eine Wasserhenne, welcher Vogel in diesem Planeten sehr berühmt ist, sieht in den südlichen Gewässern bei weitem anders aus als in den nördlichen. Und so sind alle Vogelgattungen, sowohl zahme als nicht zahme, sich verschieden in ihrer Gestalt und Farbe sowohl als auch in ihrer Tauglichkeit – vom Süd bis zum Nord und vom Ost bis zum West eines und desselben Landes.
[20.7] Da ihr aus dem bereits Gesagten sicher entnehmen könnt, dass es eine reine Unmöglichkeit für euch wäre, euer ganzes Leben hindurch nur mit der Niederschreibung der Namen dieser Tiere fertig zu werden, so wird es euch sicher noch ersichtlicher sein, dass es noch unmöglicher wäre, euch jeden einzelnen Vogel der Gattung nach zu beschreiben nach allen seinen Verrichtungen, nach seiner Form und nach seiner Bestimmung. Solches ist alsdann ersichtlich, und so wollen wir denn auch aus dem befiederten Reich der Tiere nur einige der allermerkwürdigsten kurz darstellend herausheben und nehmen in dieser Hinsicht auch sogleich den ersten und den größten Vogel dieses Planeten her und wollen ihn mit einigen flüchtigen Blicken beschauen.
[20.8] Behor oder das Luftschiff, so heißt unser Vogel. Ihr könnt es glauben, dass er, so er sich auf der Erde befinden würde, sicher mehr Raum einnehmen möchte als das allergrößte Linienschiff, ohne dass er dabei nötig hätte, seine Flügel auszuspannen. Wenn dieser Vogel fliegt oder wenn er seine Flügel ausspannt, so sind nach eurem Maß die Spitzen der beiden äußersten Flügelfedern eine gute Stunde Weges voneinander entfernt. Die Kiele der Flügelfedern haben einen größeren Durchmesser als die dicksten Eichbäume auf eurer Erde. Und eine jede Feder am Flügel ist vom Kiel bis zur äußersten Spitze nicht selten bei achthundert Klafter lang. Dieser Vogel hat ebenfalls sehr lange und starke Füße, so zwar, dass wenn er auf seinen Füßen steht, dieselben für ihn fast ebenso etwas zu lang herauskommen wie bei einem sogenannten Fischreiher auf eurer Erde. Warum hat denn aber dieser Vogel so unverhältnismäßig lange Beine? Weil er ein Wasservogel ist und sich somit beständig an den Meeresgegenden aufhält, allwo er sich von den Fischen nährt. Am Land wird er niemals gesehen, sondern nur stets auf dem Wasser schwimmend oder nicht gar zu hoch über der Meeresfläche dahinfliegend, aus welchem Grund er auch das Fliegende Schiff genannt wird.
[20.9] Ist dieser Vogel etwa schön? Nein, dieses Tier plagt die Schönheit nicht. Wenn ihr in eurer Phantasie euch einen Fischreiher vergrößern wollt, da dürftet ihr so ziemlich die Gestalt unseres Fliegenden Schiffes vor Augen gestellt haben. Er ist durchgehend von aschgrauer und mitunter dunkelbrauner Farbe, hat einen Schnabel wie ungefähr eine Gans bei euch und so ziemlich auch einen ihr ähnlichen Kopf, nur natürlich verhältnismäßig größer. Denn einen Fisch, der in den Gewässern des Saturnus so groß ist wie ein ausgewachsener Haifisch in einem eurer Meere, verschlingt dieser Vogel mit derselben Leichtigkeit wie ihr eine Erdbeere. Sonach hättet ihr die Gestalt dieses Vogels so kurz und so gut als möglich dargestellt.
[20.10] Nur dürfte vielleicht hier und da einer fragen, ob dieser riesige Vogel den Saturnusbewohnern etwa ein gefährlicher Gast ist? Nein, das ist er durchaus nicht, da er von sehr furchtsamer Natur ist und flieht jede Annäherung des Menschen, sogar die eines Kindes. Seine Größe ist mehr eine Scheingröße als eine wirkliche Kraftgröße; denn nur seine reichlichen und viele Klafter langen Federn machen ihn so groß aussehend. Wäre er dieser beraubt, so dürfte er bei weitem nicht so viel wiegen wie das schwächste Weib dieses Planeten.
[20.11] Somit hätten wir nun einen, und zwar den größten Vogel dieses Planeten, schon kennengelernt. Auch dieser Vogel artet sehr aus in den verschiedenen Meeren und ist an sich selbst verschieden sowohl an Größe als auch an der Farbe und an der Gestalt. Da wir nun auf diese Weise mit diesem Tier nichts mehr zu tun haben, so gehen wir wieder auf eine andere Gattung über.
[20.12] Nach dieser Gattung kommt als merkwürdigster Vogel des Saturnus einer unter dem Namen der Himmelsbote vor. Dieser Vogel hat ganz wohl die Gestalt einer vollkommen weißen Taube bei euch. Nur ist er natürlicherweise um nahe fünfhundertmal so groß wie eine Taube bei euch. Von diesem Vogel glauben die Saturnusbewohner, dass er sich beständig in der Luft herumfliegend aufhalte, da ihn noch nie jemand je irgendwo hat aufsitzen gesehen. In einer Hinsicht haben die Saturnusbewohner wohl recht. Denn auf dem Land sitzt er auch wirklich nirgends auf, sondern fliegt bald hoch bald nieder ganz gemächlich in der Luft herum. Aber wenn er also des Fliegens müde geworden ist, da fliegt er alsbald mit großer Schnelligkeit den Meeresgegenden zu, allwo er sich dann in den allerabseitigsten Winkeln der Meeresufer verbirgt und daselbst seine Nahrung sucht, welche in einer fetten Art weißen Klippenmooses besteht.
[20.13] Hat er sich nach kurzer Zeit gesättigt und so gestärkt, dann fliegt er sobald wieder auf, und zwar zu einer außerordentlichen Höhe, von da aus er dann wieder seine Luftpromenade landeinwärts macht. Besonders pflegt er solches gerne am Morgen vor dem Aufgang der Sonne zu tun, aus welchem Grund er auch in manchen Gegenden den Namen der Sonnenbote führt, d. h. so nennen ihn so manche Bewohner des Saturnus.
[20.14] Dieser Vogel singt in seinem Flug allerlei Vogellieder, und das zwar in viel vollkommenerem Maße als bei euch eine Nachtigall; daher er auch nicht selten, besonders von den Weibern, der muntere Morgensänger genannt wird.
[20.15] Obschon aber dieser Vogel besonders in den dem Meer näher gelegenen Länderteilen sehr häufig gesehen und gehört wird, so bleibt aber dessen ungeachtet dennoch ein jeder Saturnusbewohner stehen und sieht diesem Vogel so lange nach, bis er ihn der Ferne halber verloren hat. Denn die Saturnusbewohner sind manchmal so erbaut beim Anblick dieses Vogels, dass sie sehr geneigt wären, ihm eine göttliche Verehrung zu erweisen, wenn solches zugelassen würde von den Geisterengeln dieses Planeten.
[20.16] Allein damit solches nicht geschieht, so haben diese Vögel den eigenen Instinkt, dass sie nichts so sehr meiden wie die Blicke der Menschen. Es darf daher nur ein Saturnusmensch einen solchen Vogel ins Auge fassen, so darf er auch fest darauf rechnen, dass dieser Vogel sich bald seiner Gafflust entziehen wird. Aus eben diesem Grund bewohnt dieser Vogel auch allzeit solche Stellen, die den Blicken des Saturnusmenschen rein unzugänglich sind.
[20.17] Das Beachtenswerteste dieses Vogels ist sein zuweilen außerordentlich schneller Flug, von dem ihr euch nicht leichtlich einen Begriff machen könnt. Denn wenn er so recht im Zuge ist, da ist es ihm nur ein Leichtes, in einer Stunde tausend von euren Erdmeilen zurückzulegen. Wenn dieser Vogel bei der Nacht fliegt, so ist er durchaus weißglänzend zu sehen, so zwar, dass er in seinem Schnellflug fast dieselbe Erscheinung darbietet, wie bei euch auf der Erde ein sogenannter fliegender Drache. Über das Land fliegt er besonders gerne nur bei Nachtzeit, wo er dann für die Bewohner des Saturnus ein Hauptspektakel gibt; ja manche sind so eingenommen für diese Lichterscheinungen, dass sie sich an jenen Orten, wo dieser Vogel häufig zu Hause ist, auf irgendeinem baumfreien Hügel mit dem Rücken niederlegen, um nur desto ungehinderter den Flug solcher Vögel so recht satt angaffen zu können.
[20.18] Noch eine Merkwürdigkeit dieses Vogels besteht darinnen, wenn zwei, drei oder mehrere Vögel in gerader Linie ihren Schnellflug ausführen, so geschieht da gewöhnlich, dass durch die schnelle Durchschneidung der Saturnusluft ein ziemlich reiner Ton erzeugt wird. Wenn dann natürlich mehrere Vögel dieser Art nach einer und derselben Richtung hinschießen, bildet fast ein jeder Vogel einen anderen Ton, welche Töne zusammen dann nicht selten einen Akkord nach eurer Kunstsprache bilden, welcher vom pianissimo bis zum fortissimo und von da wieder ins pianissimo also verschwindet, als wie da verschwindet ein angeschlagener Ton oder Akkord auf einem Klavier.
[20.19] Seht, so hat dieser Vogel besonders für den Saturnusbewohner außerordentlich viel Anziehendes, da die Saturnusbewohner große Freunde des Gesanges und ganz besonders von harmonischen Tönen, aber dessen ungeachtet selbst nicht eben zu sehr musikalisch sind. Und haben sie auch nur höchst elende und dürftige musikalische Instrumente, [so haben sie] aber desto reinere Kehlen zum Gesang, wo dann die Weiber gewöhnlich die Melodien, die Männer aber gerne Akkorde zusammen singen. Und sie können sich oft mit einem glücklich erfundenen Akkord tagelang unterhalten, denn wenn sie da ihre Töne bald auslassen, so brauchts dann manchmal sehr viel Mühe, bis sie, wie ihr zu sagen pflegt, zufälligerweise wieder auf einen guten Akkord gelangen. Doch was dergleichen fernere saturnusmenschliche Verhältnisse betrifft, wird alles am rechten Ort noch deutlicher dargeboten werden. Und da wir somit von unserem Himmelsboten, Sonnenvogel und Morgensänger nichts mehr Erhebliches dartun können, so wollen wir uns dafür wieder zu einem anderen gefiederten Luftbewohner wenden.
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