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19. Fledertiere. Die fliegende Kuh. Das fliegende Band. Frauen üben auf dem Saturnus die Jurisdiktion aus

[19.1] Bevor wir noch zu den eigentlichen Vögeln übergehen, wollen wir noch diejenige Gattung geflügelter Tiere ein wenig zu Gesicht nehmen, welche auf der Erde in den Bereich der sogenannten Flattermäuse und noch anderer dergleichen, mit ähnlichen Spannflügeln versehener Tiere gehören. Gibt es auch in unserem Planeten solche Tiere? Allerdings, und dazu bei weitem mehrere als auf eurem Erdkörper. Es gibt zwar im eigentlichen Sinne durchaus keine Fledermäuse; aber es gibt dafür andere Tiere in großer Menge, welche mit ähnlichen Spannflügeln versehen sind. Wenn wir jedes dieser Tiere sonderheitlich betrachten wollten, so würdet ihr dazu mehr als zehntausend Bogen Papier brauchen, um nur ihre Namen aufzuzeichnen. Dieses wäre doch sicher etwas Unnützes. Daher wollen wir von dieser Gattung der Tiere dieses Planeten ebenfalls nur ein paar herausheben, über die anderen aber dann nur einen allgemeinen Blick werfen.

[19.2] Ein besonders merkwürdiges Exemplar dieser Tiere wird von den Saturnusbewohnern die Fliegende Kuh genannt. Dieses Tier ist von ausnehmender Schönheit und dürfte ungefähr so groß sein wie bei euch ein wohlausgewachsener Ochse, nur ist es ungefähr um eine halbe Klafter länger gegen den Schweif zu als ein Ochse bei euch. Dieses Tier hat eben auch vier Füße, die mit schönen, blendendweißen Klauen versehen sind; am Rücken ist es rot und am Bauch lichtgrün. Die Haut aber sieht geradeso klein-wollicht glänzend aus wie bei euch der allerfeinste Seidensamt. Der Kopf dieses Tieres hat ziemliche Ähnlichkeit mit dem Kopf eines sogenannten Windhundes, nur die Farbe des Kopfes ist natürlich ganz anders aussehend als diejenige eines Windhundes bei euch; denn mit dem Hals angefangen ist der Kopf lichtblau und ist bis an die Nasenschnauze vom Rücken angefangen mit einem roten Streifen versehen. Der untere Teil des Kopfes aber geht dann sukzessiv ins Dunkelblaue über.

[19.3] In den Gegenden der Vorderseite laufen links und rechts zwei lange Arme aus, welche ungefähr, wenn sie ausgespannt sind, bei sechs Klafter im Durchmesser haben. Von diesen Armen aus spannt sich in Verbindung mit den hinteren Füßen eine starke Haut aus, versteht sich von selbst, nur dann, wenn das Tier fliegen will; denn fliegt das Tier nicht, so legt es die Arme zusammen, und zwar jeden in drei Glieder. Diese Arme schmiegen sich so geschickt an den übrigen Leib an, dass man in einer geringen Entfernung ihrer kaum gewahr wird. Wenn aber dieses Tier diese Arme zum Fliegen ausspannt, dann sieht es auch zugleich am schönsten aus; denn die Haut dieser Arme für sich selbst ist ebenfalls blendendweiß. Und ein jeder Arm für sich ist am Ende mit vier wohlgestalteten Fingern versehen, welche zum Anhalten zugleich noch mit starken Spitznägeln versehen sind. Die Flügelhaut aber sieht vollkommen also aus wie ein allerfeinst poliertes Gold, welches mit regelmäßig ineinanderlaufenden Punkten und Streifen von hellroter Farbe geziert wäre. Die Ränder dieser Flügelhaut aber sind verbrämt, wie da ein Regenbogen leuchtet, und laufen überall in mehr als eine Elle lange, ganz blendend weiße Fäden aus, welche ungefähr also glänzen, als wann ihr je einmal die sogenannten Glasfäden gesehen habt, wie sie ebenfalls einen lebhaften Glanz mehr als die allerfeinste Seide von sich geben.

[19.4] Die Augen dieses Tieres sind äußerst scharf und lebhaft und funkeln bei Abenddämmerung wie Diamanten. Die Schnauze dieses Tieres ist dunkelrot, und dessen Mund hat eine also frische, rote Farbe wie Rosen, und seine reichlichen Zähne sind also aussehend wie ein reiner Kristall. Die Zunge aber ist ebenfalls hochrot und verhältnismäßig lang, so dass sich dieses Tier derselben zu allerlei bedienen kann, als zum Waschen seines Gesichtes und zum Reinigen seines ganzen übrigen Leibes; denn dieses Tier hat einen äußerst biegsamen Leib. Dann kann sich dieses Tier der Zunge auch so wie bei euch ein Hund zum Trinken bedienen. Und wenn dieses Tier die Zunge zusammenrollt, und zwar der Länge nach, so bringt es durch diese Zungenröhre einen äußerst starken Pfiff zuwege, welcher weit und breit gehört wird; solches tut dieses Tier allzeit, wenn es auffliegen will.

[19.5] Warum aber wird denn dieses Tier dort die Fliegende Kuh genannt? Solches geschieht darum, weil dieses Tier zwischen den beiden Hinterfüßen ein ganz vollkommenes Euter besitzt, welches zur Zeit, wenn es Junge zur Welt gebracht hat, mit einer überaus wohlschmeckenden Milch vollgefüllt ist. Dieses Tier wird daher auch von den Saturnusbewohnern häufig gefangen, ja an manchen Orten sogar als ein nützliches Haustier gezähmt; und solches umso leichter, weil es überdies ein äußerst sanftmütiges Tier ist. Wenn ein solches Tier Junge wirft, so ist bei sechs weiblichen Individuen nur ein männliches darunter, welches sich, wenn es vollkommen ausgewachsen ist, von den weiblichen nur dadurch unterscheidet, dass es an der Stelle des weiblichen Euters, wie ungefähr bei euch die Schafe, den sogenannten Geschlechtsbeutel hat und am Kopf zwischen den beiden herabhängenden weißen Ohren ein ebenfalls ganz weißes, kleines, etwas nach rückwärts gebogenes Hörnchen.

[19.6] Wenn ihr eure Gefühlsphantasie nur einigermaßen handhaben könnt, so wird es euch nicht schwer werden, sich die Schönheit dieses Tieres vorzustellen. Freilich werdet ihr euch denken und sagen: Ja warum ist denn dieses Tier dort gar so schön, und welcher Zweck ist denn damit verbunden? Ich aber sage euch: Macht nur einen Blick auf so manche Schönheit eurer Blumen und auf deren mannigfache schöne Form – könntet ihr hier nicht auch fragen: „Warum muss denn die Blüte gar so schön sein? Wäre zur Hervorbringung eines höchst einfachen Samenkörnchens denn nicht eine bedeutend weniger ansehnliche Blüte tauglich?“ – Seht, für solche Fragen sind die Antworten noch nicht reif; denn was die Schönheit solcher Wesen betrifft, so könnt ihr den Grund noch unmöglich erfassen, da er im Bereich Meines Lichtes oder Meiner Weisheit sitzt. Daher begnügen wir uns nur mit der alleinigen Anschauung und nehmen als den allgemein gültigen Grund aller solcher Erscheinungen an, dass Ich, der übergute und höchst weise Schöpfer aller Dinge, schon gar wohl wissen werde, wozu Ich die Dinge und Wesen so und so gestaltet habe.

[19.7] Nachdem wir also dieses Tier beschaut haben, wollen wir noch den Blick auf ein anderes solches fliegendes Tier werfen. Dieses Tier nennen die Saturnusbewohner das Fliegende Band oder manchmal auch den Fliegenden Strick. Auf welche Weise kommt denn dieses Tier zu diesem Namen? Wenn wir das Tier erst ein wenig werden beschaut haben, so wird die Erklärung von selbst folgen. Seht, dieses Tier hat seinem Leibe nach eine zierliche Ähnlichkeit mit einem wohlgebildeten Affen der Erde. Wenn es auf der Erde herumgeht, da bedient es sich der Hinterbeine gleich einem Menschen. Der vorderen Pfoten, welche sehr lang sind und gegen den Leib zu ebenfalls mit einer Flughaut versehen, welche ebenfalls bis zur Hälfte der Hinterbeine befestigt ist, bedient sich dieses Tier gleich so wie sich der Affe bedient seiner Vorderpfoten. Wenn dieses Tier aufrecht steht, da hat es eine Länge von drei Klaftern; wenn es sich aber zusammenkauert, dann ist es natürlich mehr als um die Hälfte kürzer. Der Leib dieses Tieres hat an und für sich gar nichts Ausgezeichnetes, außer dass er am Bauch sehr lichtbläulich aussieht und zu Ende des Rückens dunkelrote Wolle hat.

[19.8] Was ist demnach aber das eigentlich Auszeichnende dieses Tieres? Solches ist sein Schweif, welchen dieses Tier nur dann ausrollt oder vielmehr ausbreitet, wenn es fliegt. Wann es aber auf der Erde herumgeht, dann rollt es den Schweif so geschickt zusammen, dass derselbe ihm dann über dem Steiß so zu liegen kommt, als hätte ihm jemand eine runde Rolle irgendeines Überzeugs angebunden. Dieser Schweif hat bei einem ausgewachsenen Tier, das wir soeben betrachteten, nicht selten eine Länge von neunzig bis einhundert Klaftern eures Erdmaßes und ungefähr eine Breite von einer Elle und ist bei alldem so fein, dass er im zusammengerollten Zustand kaum eine Rolle von zwei Spannen Durchmesser bildet. Das Aufrollen geschieht durch innere, durch den ganzen Schweif gezogene Gefühlsfäden; denn der Schweif hat keine Glieder, sondern ist pur eine Hautverlängerung des Rückens. Seine Farbe ist die eines allerhellsten Regenbogens und ist von unten also mit kleiner und äußerst kurzer Wolle versehen, wie ein aufgeschnittener Seidensamt, so dass diese Wolle lauter kleine, sehr hellscheinende Wollwärzchen bildet. Nun könnt ihr euch schon von selbst die Frage beantworten, warum dieses Tier das Fliegende Band genannt wird.

[19.9] Nur sehr selten findet man aber, besonders in den volkreicheren Ländern, dieses Tierchen noch im Besitz seines Schweifes; denn die Saturnusbewohner gehen sehr häufig auf die Jagd dieses Tieres aus, welches sich am Tag sehr leicht fangen lässt, da es zu dieser Zeit niemals auffliegt. Sobald aber ein solches Tier gefangen wird, so geschieht ihm sonst zwar nichts, aber mit dem Schweif kommt es auf keinen Fall mehr davon; denn dieser wird ihm sobald knapp am Rücken abgeschnitten und von den Saturnuseinwohnern, besonders was die Vorzüglichsten des Landes betrifft, als Kleiderschmuck benützt. Besonders sind wieder die Weiber große Freundinnen dieses Schmuckes, nachdem sie ihn zuvor mit einem wohlriechenden Blumenöl vollkommen biegsam und gleich eurem Leder zäh und haltbar gemacht haben. Gewöhnlich wird dann dieser Schweif entweder als ein Stirnband getragen; von manchen aber wird er auch um die Lenden geschlungen. Dieses Tier ist demnach den Saturnusbewohnern ein stets willkommener Gast. Und weil dem Tier nach und nach der abgeschnittene Schweif wieder nachwächst, so wird auch dieses Tier in einigen Ländern gezähmt und gewisserart im Haus aufgezogen.

[19.10] Mit dieser Zucht geben sich vorzugsweise die euch schon etwas bekannten Saturnusjuwelenhändler ab. Und da der Preis des Schweifes vorzüglich nach der Länge bestimmt wird, so geschieht es nicht selten, dass sie zwei, manchmal auch drei kürzere Schweife zusammenheften und verkaufen sie dann als einen ganzen. Wenn dieser Betrug aber entdeckt wird, so wird ein solcher Saturnuskaufmann von den Weibern ebenfalls sehr empfindlich gezüchtigt,

[19.11] indem in diesem Planeten es sehr häufig der Fall ist, dass die Weiber über das menschliche Geschlecht gewisserart die Jurisdiktion ausüben; denn das männliche Geschlecht im Saturnus ist gewöhnlich, wie ihr zu sagen pflegt, vorzugweise äußerst verliebt. Aus diesem Grund ist es dann auch zu nachgiebig und lässt sich nicht selten aus lauter Liebe zu den Weibern bei der Nase herumführen, wie es den Weibern nur immer beliebt. Jedoch sind anderseits die Weiber im Verhältnis zu den Weibern der Erde ums Unvergleichliche züchtiger und häuslicher; was dann auch sehr bedeutend dazu beiträgt, dass ihnen die Männer höchst geneigt sind und ihnen auch gerne so manche auszeichnende Vorrechte einräumen. Jedoch in der Folge, wenn wir zu den Saturnusbewohnern kommen werden, wird davon ohnehin alles gehörig beleuchtet werden. Und so wenden wir uns wieder zu unserem Tierreich.

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