[18.1] Wenn ihr auf eurer Erde euch ein wenig umseht, so werdet ihr nebst den vielen Gattungen der Vögel noch eine bei weitem größere Wesen- und Gattungsanzahl jener kleinen bevögelten [beflügelten] Tierchen finden, welche euch samt und sämtlich unter dem allgemeinen Namen der fliegenden Insekten bekannt sind. Solcher Wesen gibt es auch im Saturnus in den verschiedensten Gattungen und Arten in übergroßer Menge; unter denen, ebenso gut wie auf der Erde, die Fliege eine Hauptrolle spielt. Dies ist auch das einzige Tierchen im Saturnus, welches der Fliege auf der Erde vollkommen gleich ist in allem; nur hie und da an den Seen und Flüssen hält sich eine größere Gattung oft reichlich auf. Diese Fliege ist am Tag von bläulichweißer Farbe. Nach dem Untergang der Sonne, wo sie gewöhnlich am tätigsten wird, leuchtet sie wie ein heller Stern, ungefähr auf die Weise, nur viel stärker, als bei euch die sogenannte Sumpfastel oder das Sonnwendkäferchen oder wie in Amerika und auch in anderen südlichen Tropenländern der sogenannte Laternenträger. Unsere Saturnusfliege würde aber dennoch diese alle an der Helle ihres Lichtes übertreffen, und zwar darum, weil ihr Licht vollkommen weiß ist und sie auch größer ist als jedes fliegende Insekt auf der Erde. Die Saturnusbewohner ergötzen sich gar oft zur Nachtzeit an dem munteren Flug dieser Tiere, wenn sie so zu Tausenden die Saturnusluft kreuz und quer durchzucken.
[18.2] Das wäre alsdann ein bemerkenswertes Tierchen, welches zu den Luftbewohnern gezählt werden kann. Eine andere Gattung Insekten, welche hier, im Saturnus nämlich, und auf keinem anderen Planeten wieder vorkommt, ist der sogenannte Fliegende Stern. Dieses Tierchen hat seinen besonderen Lebenstätigkeitsspielraum auch nur zur Nachtzeit. Seine Wohnung unter der Tageszeit ist der euch schon bekannte Pyramidenbaum; es bildet daher zur Nachtzeit, und zwar schon bald nach dem Untergang der Sonne, für die Saturnusbewohner ein erhebendes Schauspiel, wenn in der Abenddämmerung Tausende solcher leuchtender Sterne entfliegen.
[18.3] Warum wird denn dieses Tier ein „Fliegender Stern“ genannt? Dieser Name wird ihm dort darum beigelegt, weil es auf jeder Seite seines länglichrunden Körpers drei pyramidenförmig zugespitzte, ziemlich leuchtende Flügel besitzt, welche bei ihrer Ausbreitung diesem Tierchen die Gestalt eines sechsstrahligen Sternes geben. Wenn das Tierchen vollkommen ausgewachsen ist, so hat es bei einer Spanne im Durchmesser, und da seine Flügel im Flug besonders stark leuchten und sich dieses Tierchen im Flug nicht gar zu weit von seiner Wohnung begibt, so bekommen diese riesigen Bäume nicht selten für den Saturnusbewohner ein sehr erhebendes Aussehen, da sie die Nacht hindurch von vielen Tausenden solcher Sterne nach allen Richtungen umschwirrt werden.
[18.4] Nebst diesem leuchtenden Insekt gibt es auch eine Menge, die ebenfalls in den verschiedensten Farben zur Nachtzeit leuchten; aber ihr Licht ist nicht so stark, und die Tierchen sind bei weitem kleiner. So werden sie von den Saturnusbewohnern auch gar wenig beachtet, und darum auch umso weniger, da es mehrere große Vogelgattungen gibt, deren Gefieder bei Nacht ein sehr helles Licht von sich wirft, besonders wenn sie fliegen.
[18.5] Da demnach im Reich der Insekten nicht so viel mehr Erhebliches zu finden ist, so wollen wir sogleich einen Übergang zu dem Reich der Vögel machen. Und auf dieser Übergangsbrücke wollen wir denn noch einigen Schmetterlingen die Betrachtung zuwenden;
[18.6] und wie viele schon auf der Erde auf ihren Flügeln die schönsten Farben und Zeichnungen tragen, so ist es in diesem Planeten noch umso mehr der Fall. Ein Schmetterling, unter dem Namen Com alldort bekannt, ist der größte und prachtvollste aller Schmetterlinge dieses Weltkörpers. Wenn er seine Flügel ausgespannt hat, so dürfte er auf der Erde so ziemlich ein Vierteljoch Grundes bedecken. Sein Leib ist nicht selten bei zwanzig Klafter lang und hat nahe eine Klafter im Durchmesser. Seine Füße sind stärker als auf der Erde die eines Elefanten, und es hat ein jeder Fuß sechs Glieder und ist so eingerichtet, dass er im Falle der Not bedeutend gerade verlängert, und also auch verkürzt werden kann. Seine Fühlhörner sehen gerade so aus, als stünden an seinem Kopf zwei hohe Pappelbäume; nur sind die Zweige links und rechts linealförmig regelmäßig eingeteilt, ungefähr so wie die Nadeln an einem Tannenzweig. Sein Saugrüssel ist länger und stärker als der eines Elefanten auf der Erde. Und so sieht dieser Schmetterling seinem Körper nach einem äußerst robusten Tier ähnlich, was er aber dessen ungeachtet nicht im Geringsten ist; aus welchem Grund dieses Tier auch außerordentlich menschenscheu ist, und es gehört sehr viel dazu, um irgendwo eines zu fangen. Diese Schwierigkeit wird durch seinen schnellen Flug noch ums Bedeutende vermehrt.
[18.7] Junge Mädchen sind dort zumeist am geschicktesten, dieses Tier zu fangen, und zwar aus dem Grund, weil sie sich leichter in der freien Luft erhalten können als das männliche Geschlecht. Zu dem Behuf bedienen sich solche Mädchen nicht selten eines künstlichen Flügelpaares und fliegen unserem Schmetterling oft mit großer Hast nach. Wenn sie ihn dann in der Luft fangen, so gilt das als ein förmliches Jubelfest unter ihnen; denn alles von diesem Schmetterling wird zur Ausschmückung der Kinder dort verwendet. Und fast in keinem Planeten, wie in diesem, hält das weibliche Geschlecht, besonders in den jungen Jahren, so viel auf ein zierliches Gewand. Damit ihr aber seht, warum dieser Schmetterling einen so großen Anwert hat, so wird es wohl nötig sein, seine Pracht auch ein wenig zu zeigen. Es wird aber zugleich auch ziemlich schwer halten, euch von der nahe übersinnlichen Schönheit dieses Tieres einen gültigen Begriff zu machen. Seine Flügel sind vollkommen viereckig und haben nur beiderseits an den Enden der Flügel gegen den Kopf zugewendet eine auslaufende Spitze, die ungefähr anderthalb Klafter lang ist und eine ziemliche Ähnlichkeit hat mit einem sehr breiten Schwert. Was haben denn die Flügel für eine Farbe und wie sind sie gezeichnet?
[18.8] Die Farbe des oberen Teiles der Flügel sieht also aus als wäre die Fläche von poliertem, hochrosenfarbenem Gold. Auf dieser Goldfläche hängen oder stecken vielmehr eine große Menge der allerschönsten Federn, alle möglichen Farben in sich enthaltend. Diese Farben spielen in poliert-metallischem Glanz und verändern die Farbe bei der geringsten Wendung so, dass man auf einem Punkt bei den verschiedenen Wendungen alle erdenklichen Farben zu Gesicht bekommen kann. Diese Federn sind in solcher Ordnung auf der Oberfläche des Flügels angebracht, dass durch diese Ordnung die schönsten Zeichnungen und Formen herauskommen, welche Zeichnungen und Formen aber nicht so beständig sind, wie auf den Flügeln eurer Schmetterlinge; sondern diese Ordnung ist so dargestellt, dass bei den verschiedenen Wendungen, durch welche die Farben verändert werden, auch allzeit ganz andere, wunderbare Formen zum Vorschein kommen. Die Ränder der Flügel sind ungefähr mit solchen Federn geziert, wie sie bei euch die Pfauen in ihrem Schweif haben; nur sind sie größer und viel lebhafter glänzend in ihrer Farbenpracht. Die untere Fläche aber ist ähnlich einer polierten Goldfläche, so sie mit einer feinen, grünen Farbe überzogen werden möchte. Die Füße dieses Tieres sind ebenfalls mit den herrlichsten Federn bekleidet; wie auch der ganze andere Leib. Die Fühlhörner sind aber noch das Allerpretiöseste bei diesem Tier. Der Hauptstamm ist äußerst leicht und vollkommen also aussehend wie ein durchsichtiges Gold, wenn ihr euch solches vorstellen könnt, und spielt ebenfalls bei jeder Wendung die verschiedensten Farben, ungefähr so, als wäre er eine geschliffene Diamantstange, an welcher zu beiden Seiten solche Federn angebracht [wären], mit denen die Ränder der Flügel geziert sind. Der Saugrüssel ist von blendend weißer Farbe und ist sparsam unterwunden mit Bändern, die einen Regenbogen an Farbenpracht übertreffen.
[18.9] Seine Augen sind zwar beim Leben des Tieres das Allerwunderbarste. Diese möchtet ihr eben vor lauter Spiegelglanz so wenig anzuschauen imstande sein wie nahe die Sonne bei ihrem Aufgang oder Untergang. Wenn aber das Tier getötet ist, so vergeht diese Augenpracht. Daher werden dessen Augen auch nicht eben in großem Wert gehalten, dessen ungeachtet aber sorgfältig ausgelöst und von ihrer Feuchtigkeit entleert, bei welcher Gelegenheit durch die geschickte Manipulation dann die Weiber eine Art Hausbeutel oder Taschen machen, welche wegen ihrer ziemlichen Durchsichtigkeit und ihrer Dauerhaftigkeit bei den eleganten Weibern dieses Planeten ungefähr die Stelle der sogenannten Ridiküle [Handtaschen] eurer Weiber vertreten. Weggeworfen wird von diesem Tier nichts als allein der nackte innere Leib; alles andere wird zum Schmuck der außerordentlichsten Art verwendet.
[18.10] Warum hat denn aber dieser Schmuck einen so außerordentlichen Wert? Das hat drei Ursachen. Die erste ist, weil dieses Tier selten und bei seiner Seltenheit äußerst schwer zu bekommen ist; zweitens, weil alle diese Farben sehr dauerhaft sind, ja die Saturnusweiber halten sie für unzerstörbar; und fürs Dritte, weil eben diese Federn von der größten Leichtigkeit und fortwährend gleichmäßig haltender Pracht sind.
[18.11] Es gibt hier auch eine Vogelgattung, deren Federn diesen Schmetterlingsfedern ähnlich sind, und werden nicht selten von so manchen Saturnusspekulanten als echte Ware zum Verkauf ausgeboten. Allein da gibt es dann ganz wohlkonditionierte Schmuckfedernkenner, welche da die echten von den falschen ungefähr so unterscheiden, wie bei euch die Juweliere falsche Edelsteine von den echten. Wehe aber dort einem solchen Schmuggler, wenn er in die Hände solcher mit falschen Federn betrogener Weiber gerät. Denn da wird er mit eben diesen falschen Federn, welche sie zuvor an den sehr dichten Kielen abspitzen, so kreuz und quer zerkratzt, dass ihm für die Zukunft fürs Erste alle Lust vergeht, mit falscher Ware irgend jemand wieder zu hintergehen, und fürs Zweite kauft einem also zugerichteten Handelsmann auch niemand mehr etwas ab.
[18.12] Seht, das ist alsdann unser berühmter Schmetterling und wie er gefangen und benutzt wird. Es ist fast unnötig, noch dessen zu erwähnen, wie sich die Saturnusweiber dieses Schmuckes bedienen. Aber im Vorübergehen kann es ja wohl bemerkt werden, dass sich manche sehr eitle fast den ganzen Leib mit diesen Schmetterlingsflügeln so überziehen, dass man sie am Ende schon nahe für solche Schmetterlinge selbst halten könnte. Das ist genug, denn ein mehreres ist nicht nötig von dem zu erfahren, was Mir im Saturnus so wenig gefällt wie auf der Erde.
[18.13] Dass es aber nach diesem Schmetterling eine fast zahllose Menge dieses Tieres in allen Farben, Arten und Gattungen und Größen gibt, könnt ihr daraus schon sehr leicht entnehmen, wenn ihr euch nur dieses Planeten Mannigfaltigkeit in all dem, was auf ihm ist, vor die Augen stellt.
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