Am 6. Mai 1847
[80.1] In der Nachbarschaft unserer vorbeschriebenen Insel Java befinden sich zwei etwas noch größere Inseln unter den Namen Sumatra und Celebes.
[80.2] Die Völker dieser beiden Inseln stehen zumeist unter gleicher Verfassung, und es wäre somit überflüssig, mit ihnen eine Wiederholung des schon Gegebenen hier wiederzugeben; nur so viel kann gesagt werden, dass Sumatra der Insel Java in jeder Beziehung nähersteht als die Insel Celebes, auf der es viel mehr echt chinesisch und mitunter auch borneonisch zugeht, obschon es unter den Celebesern auch Javaner gibt.
[80.3] Dass aber auf beiden Inseln, und namentlich an den Küsten, auch Europäer Zutritt und sogar Niederlassungen haben, braucht bei der gegenwärtigen Eroberungssucht der Engländer, mitunter wohl auch der Franzosen, Holländer und Spanier, kaum näher erwähnt zu werden. Daher wollen wir uns gleich nach einer anderen Insel wenden, nämlich auf Ceylon, welche zwar an ihren Küsten zumeist europäische Niederlassungen hat, aber im Innern noch die Ureinwohner in ihren vielen Schluchten, Höhlen und Grotten birgt.
[80.4] Diese Insel wird von vielen Reisenden als ein Land der unbegreiflichsten Wunder angepriesen und wegen der seltsamen Erscheinungen von vielen Naturforschern besucht.
[80.5] Es ist wahr, diese Insel, rein vulkanischen Ursprungs, hat die größten unterirdischen Verbindungen, welche durch große Kanäle sogar mit den lebendigen Eingeweiden der Erde in Verbindung stehen; dass dadurch manche seltsamen Erscheinungen hervorgerufen werden, welche anderorts nicht vorkommen, wird euch leicht begreiflich sein, so ihr auf alles das einen Rückblick tut, was euch im natürlichen Teil des Erdkörpers, und zum Teil auch im geistigen Teil desselben, mitgeteilt wurde.
[80.6] Da kommen die Erscheinungen der euch nicht unbekannten sogenannten wilden Jagd nicht selten in solcher Intensität zum Vorschein, dass ihr Getöse oft zu einer solchen Heftigkeit heranwächst, dass sich die Bewohner vor demselben in die tiefsten Löcher verkriechen, um ihre Gehörswerkzeuge vor dem Zerspringen zu bewahren.
[80.7] Nebst diesen lärmenden Erscheinungen aber gibt es eine noch größere Menge meteorischer Erscheinlichkeiten, die zu gewissen Zeiten nicht minder das Auge beschäftigen als die lärmenden das Ohr.
[80.8] Fata Morganas von der seltensten Art sind fast in der täglichen Ordnung der Dinge, welche aber jedoch immer sanfter Art sind und die Sehenden eher entzücken als sie mit irgendeiner Furcht erfüllen; aber sehr Furcht und Schrecken verbreitend sind die nächtlichen feurigen Erscheinungen, welche wohl auch manchmal kleine örtliche Verheerungen anrichten.
[80.9] Diese feurigen Erscheinungen bestehen manchmal in einer Unzahl von den sogenannten Sternschnuppen, welche sich ganz nieder, manchmal nur wenige Klafter über dem Erdboden, nach allen Richtungen durchkreuzen.
[80.10] Diese feurige Erscheinung ist die am wenigsten gefürchtete; etwas mehr Schauder erregend sind die manchmal in Scharen von Tausenden ganz auf dem Erdboden und manchmal nur wenige Schuh hoch über demselben daherziehenden Feuermänner, Feuerdrachen, Feuerschlangen u. dgl. m.
[80.11] Diese Erscheinungen sind zwar sehr überraschend und Furcht erregend anzusehen, besonders wegen ihres schönen hellen weißen Lichtes; aber sie sind niemandem gefährlich, weil ihr Licht ganz kalter Natur ist. Gefürchteter sind die freilich wohl etwas seltener vorkommenden Feuerräder und Feuerkränze.
[80.12] Diese setzen gewisse ihnen materiell verwandte Gegenstände in Brand, und Menschen und Tiere, wenn sie von diesen Rädern und Kränzen gestreift werden, bekommen elektrische Schläge und manchmal wohl auch bedeutend schmerzliche Brandwunden; aber am allergefürchtetsten sind in diesem Land die sogenannten tanzenden Feuersäulen, welche im Grunde nichts als Feuerhosen sind.
[80.13] Diese machen wohl die größte Verheerung, wo und wann sie zum Vorschein kommen. Sie kommen aber nur selten vor, in einem Jahr kaum zwei bis drei Mal, und meistens nur an schon bestimmten Plätzen, und werden, wenn sie zum Vorschein kommen, schon einen ganzen Tag vorher durch ein gewisses stets lauter werdendes Knistern in der Luft angezeigt, bei welcher Erscheinung sich Menschen und Tiere in ihre Schlupfwinkel flüchten; denn im Innern dieser Insel gibt es beinahe gar keine Hütten und noch weniger Häuser, und es wohnen Menschen und Tiere, wie schon vorher gezeigt ward, in den Löchern der Erde, welche die Menschen, die sie bewohnen, wohl mit allerlei plumpem Schnitzwerk und Geflecht ausschmücken.
[80.14] Die Bewohner dieser Insel haben keinen König, sondern nur eine Art Hauptpriester, der aber das Ansehen eines Zauberers hat und bei dem Volk in dem Glauben steht, als wäre er der Meister aller dieser wunderbaren Erscheinungen dieses Landes.
[80.15] Dieser Zauberpriester hat dann auch eine gehörige Menge Adjunkten [Gehilfen], die er unterrichtet und dann in alle Teile dieses Landes hinausstellt, welche das Geschäft haben, das Volk in der bestimmten Religion zu unterweisen und ihm auch die Benehmungsweise vorzuschreiben, wie es sich bei den verschiedenen Erscheinungen zu verhalten hat, um ohne Nachteil davonzukommen.
[80.16] Das Seltene bei dieser Sache aber ist das, dass dieser Hauptpriester samt seinen Adjunkten die alleruneigennützigste Priesterschaft auf der ganzen Erdoberfläche ist, denn er fordert von niemandem auch nur die geringste Gabe; nur die Adjunkten dürfen Speise und Trank annehmen, wenn sie auf Unterweisung unter das Volk gehen.
[80.17] Aber das Volk, die Wohltat dieses Priesters einsehend, beeifert sich, ihm die schönsten und auserlesensten Tierherden zuzutreiben, von denen er aber nie mehr nimmt, als was er für seinen ganz einfachen Hausbedarf vonnöten hat.
[80.18] Aus dem Grunde genießt er aber bei dem Volk ein so ungeheures Ansehen und eine so unbegrenzte Liebe, dass er im Falle der Not nur winken dürfte, und das ganze Volk, Groß und Klein, wäre bewaffnet auf den Beinen, um seinen größten Wohltäter, wie es ihn nennt, zu schützen.
[80.19] Merkwürdig für euch von Seite dieses sogenannten Zauberpriesters dürfte das sein, dass er, wie auch seine Adjunkten, wirklich eine ganz magische Kraft besitzt, mittels welcher er den Tieren gebieten kann, und sie folgen ihm auf den Wink, und davon ist kein Tier vom größten bis zum kleinsten auf dieser Insel ausgenommen.
[80.20] Das aber gibt ihm auch zugleich das größte Ansehen, wenn er manchmal durch ein ganzes Heer von reißenden Tieren ganz unbeschädigt wie durch eine Schafherde wandelt. Schlangen, Nattern, Krokodile sind die gewöhnliche Umlagerung seines Zauberhofes, und nicht eines dieser Tiere wagt ohne seinen Wink nur die leiseste Bewegung zu machen; nur wenn er ihnen gebietet, bewegen sie sich pfeilschnell von seinem Hof hinweg und suchen sich ihre Nahrung.
[80.21] Der Hof dieses Hauptpriesters ist ungefähr in der Mitte dieser Insel und ist für jeden Europäer rein unzugänglich, teils wegen sehr dichter Gestrüppe, teils wegen steiler, nahe unübersteiglicher Felsgebirge und teils auch wegen des vielen Geschmeißes von Tieren, die hier reichlicher als irgendwo anders zu Hause sind.
[80.22] Ein bedeutendes Hindernis sind auch die vorher besprochenen Naturerscheinungen, denen selbst die beherztesten Europäer nicht so ganz trauen; und so bleibt diese Insel nur an den Küsten europäischen Niederlassungen zugänglich, das Innere aber kennen Europäer so wenig als wie das Innere von Afrika und noch manches anderen Landes.
[80.23] Die Religion dieses Volkes ist eine ebenso seltene als ihr Land selbst; sie glauben an einen Gott, welcher aber für keinen Sterblichen sichtbar und in seiner Art denkbar ist.
[80.24] Dieser Gott aber weihe von Zeit zu Zeit einen Menschen, der in seinem Namen die irdischen Geschäfte besorgt, weil sie für Gott zu kleinlich und seiner zu unwürdig wären.
[80.25] Ihre Insel halten sie für die ganze Welt, welche wie eine Seenuss auf den unendlichen Gewässern herumschwimmt.
[80.26] Sonne, Mond und Sterne, die regiert Gott allein, aber die Direktion der Erde, die zu klein ist, um von Gott dirigiert zu werden, besorgt der von Gott geweihte Hauptpriester; denn das Volk hat von den Gestirnen den großartigsten Begriff und hält den kleinsten Stern für unendlichmal größer als die Erde.
[80.27] Gott aber befindet sich in der Sonne, daher die Sonne von ihnen auch angebetet wird; den Mond aber halten sie für eine himmlische Welt, in welcher ihr Oberpriester und auch sie selbst nach dem Tode des Leibes hinkommen, wenn sie auf der kleinen Erde rechtschaffen und genügsam gelebt haben.
[80.28] Nur mit den Sternen geht es ihnen etwas schlechter; denn diese bevölkern sie bloß mit allerlei Tierseelen, die aber nach ihren Begriffen jenseits viel größer und vollkommener sind als auf ihrer Erde.
[80.29] Von Christo wissen sie wenig, und hie und da auch gar nichts. Die von Ihm aber etwas wissen, sind der Meinung, dass Er auch einmal auf ihrer Insel ein Oberpriester war, habe sich aber nachderhand entfernt und sei auf irgendeine andere Erde gegangen, um dort Menschen glücklich zu machen, weil Ihm vielleicht ihre Vorfahren einmal ungehorsam geworden wären. Denn obschon sie ihr Land für die einzige Erde halten, so meinen sie aber doch, dass es auf dem nach ihrer Meinung unendlich großen Meer noch andere herumschwimmende Weltkörper geben kann, auf denen ihnen ähnliche Menschen wohnen, nur seien sie nirgends so vollkommen als wie da, zu welcher Meinung sie wohl der Umstand gebracht hat, weil sie denn doch nicht selten mit Europäern zusammenkommen und bei ihnen entdecken, dass sie nicht so vollkommene Meister der Tiere sind wie sie.
[80.30] Auch haben sie wohl schon manchmal Linienschiffe gesehen und die Kanonade gehört; allein das halten sie für eine pure Kinderspielerei, denn das Feuerwerk, was ihr Oberpriester zuwege bringt, ist gar nicht zu vergleichen gegen die Nichtigkeit eines Kanonenblitzes, auch das schwimmende Schiff selbst halten sie bloß für ein schwimmendes ausgehöhltes Ei, das irgendein mächtiger Feuerdrache gelegt hat.
[80.31] Luxusartikel, die ihnen die Europäer anfeilen [feilbieten], verachten sie über die Maßen; denn sie sagen: Wir bringen Größeres mit unserem Willen als ihr mit euren Händen zuwege, daher ist mit diesem Volk auch kein Handel anzuknüpfen.
[80.32] Die Küstenbewohner allein handeln mit Elefantenzähnen, die sie gewöhnlich von den Ureinwohnern gratis bekommen. Für alles andere bietet diese Insel beinahe gar keinen Handelsstoff.
[80.33] Bei all dieser Darstellung könnt ihr leicht einsehen, dass dieses Volk noch sehr einfach ist und nur äußerst wenig Bedürfnisse kennt; zufolge dieser Einfachheit aber hat es dann auch in der psychischen Sphäre noch denjenigen urkräftigen Typus, wie er bei den Urvölkern der Erde einheimisch war.
[80.34] Es ist bei ihnen noch dieselbe geistige Urkraft ersichtlich, die einst die ersten Menschen der Erde besaßen; sie sind der eigentlichen Religion nach noch die reinsten Zenda-vesta-Befolger, auch zugleich Versteher, und haben wenig hinzugesetzt und noch weniger hinweggenommen.
[80.35] Auch mit diesem Volk ist es in der Geisterwelt eine leichte Arbeit, sie in das Evangelium einzuführen, weil sie Christus sehr lieb haben und anfänglich der Meinung sind, Ihm jenseits umso mehr Folge zu leisten, weil sie Ihm auf der Welt als ihrem von Gott geweihten Oberpriester in ihren Vorfahren zu wenig Gehorsam geleistet hätten und dass dieser Ungehorsam nun an allen Nachkommen klebe wie eine Erbsünde, für die jeder jenseits dem beleidigten Mann Gottes genugtun muss.
[80.36] Dieser Grund ist zwar dem Anschein nach etwas lächerlich, allein es ist leicht zu ersehen, dass er trotz der Lächerlichkeit dennoch ein guter Anhaltspunkt ist, wodurch die Menschen dieses Landes jenseits zum Licht des wahren Evangeliums gelangen können.
[80.37] Weiter gibt es bei diesem Volk für unsere Sache nichts Beachtenswertes, daher wollen wir uns fürs nächste Mal wieder zu einem anderen Völklein wenden.
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