Am 10. Januar 1844
[3.200.1] Das Volk in Hanoch aber bekam den neuen König gar nicht zu sehen; denn er ward alsbald in seiner Burg mit göttlicher Verehrung eingesperrt und hatte da nichts zu tun, als die besten Sachen zu fressen, zu huren und höchstens dann und wann einem Fremden die Todesstrafe zu erlassen, – was er freilich bei einem Einheimischen nie zu tun bekam. Denn diese wussten zumeist, was es mit dem König für eine Bewandtnis hatte.
[3.200.2] Wie geschah aber die Erlassung der Todesstrafe?
[3.200.3] Der Fremde, der sich schon dadurch der Todesstrafe nach den neuen Gesetzen würdig gemacht hatte, so er sich der Stadt Hanoch auf tausend Schritte ohne Geld genähert hatte, ward sogleich von den Häschern aufgegriffen und vor das gestrenge Forum der Priester gebracht, in deren Brust auch nicht ein Atom groß Liebe zu finden war.
[3.200.4] Diese fragten ihn um den Grund, warum er sich ohne Geld habe unterstanden, der heiligen Stadt Gottes und aller Götter zu nahen.
[3.200.5] Wenn der unglückliche Inquisit etwa ganz aufrichtig bekannte, dass er ein sehr Armer war und ging darum in diese große Stadt, um etwa darinnen eine Unterstützung zu finden, da erklärten ihm die Priester, dass er sich dadurch der Todesstrafe würdig gemacht habe; doch hänge es von dem göttlichen Herrscher dieser Stadt und der ganzen Welt ab, ob er ihm das Leben schenken wolle oder nicht.
[3.200.6] Darauf wurde er durch einen unterirdischen Gang von zwei Häschern und zwei Unterpriestern zum König gebracht. Vor dem Thron des Königs angelangt, musste er sich aufs Angesicht niederlegen und ein Wort reden.
[3.200.7] Der König aber wusste dann schon maschinenmäßig, was er zu tun hatte bei solchen Anlässen. Er musste sich nämlich nach einer Weile vom Thron erheben, musste dann die Armut dreimal verfluchen und dann dem stummen Gnadenfleher dreimal mit dem linken Fuß recht derb auf den Kopf treten, so dass dem Gnadesucher nicht selten das Blut aus dem Mund und der Nase hervorkam. Das war also die glückliche Befreiung von der Todesstrafe.
[3.200.8] Der also Begnadigte wurde dann denselben Weg wieder vor das Forum der Priester mit blutigem Angesicht gebracht. Die Priester lobten dann – natürlich pro forma – die große Güte des allmächtigen Beherrschers der ganzen Welt und sagten dann zum Begnadigten:
[3.200.9] „Da du allerelendestes Lasttier von dem großen allmächtigen Beherrscher dieser Stadt wie der ganzen Welt solche übergroße Gnade empfingst, so ist es auch nun deine allergewissenhafteste Pflicht, in dieser heiligen Stadt aus Dankbarkeit drei volle Jahre als wahres Zug- und Lasttier zu dienen! Du wirst daher auf drei Jahre verkauft an irgendeinen Kauflustigen, und der Erlös für dich sei ein kleines Dankopfer von Seiten deiner großen Niederträchtigkeit für die endlose Gnade, welche dir vom König zuteil ward!“
[3.200.10] Nach diesem tröstlichen Vortrag wurden sogleich Boten ausgesandt, um kauflustige Großbürger zu holen. Wenn diese allzeit sicher kamen, da ward der Fremde sogleich an den Meistbietenden hintangegeben und mit der Instruktion versehen, wie er sich als Lasttier zu benehmen hat.
[3.200.11] Die Instruktion bestand darin, dass so ein Lasttier bei Strafe blutiger Züchtigung nie ein Wort reden darf, weder mit seinesgleichen, noch mit seinem hohen Besitzer; dann darf es nie krank sein und noch weniger gar klagen, so ihm etwas fehlen sollte; ferner hat das Lasttier mit dem Futter zufrieden zu sein, das ihm gereicht wird, und bei der Arbeit unermüdet tätig zu sein; und wenn es von seiner Inhabung bei gewissen Anlässen noch so gezüchtigt wird, so darf es sich aber dennoch bei Todesstrafe nicht widersetzlich bezeigen und nie etwa gar weinen und klagen; dann darf es auch kein Gewand tragen, sondern muss allzeit nackt sein.
[3.200.12] Nach dem Vortrag solcher sanften Instruktion ward der Fremde dann vom Käufer in Empfang genommen und sogleich in die Stallungen, in denen es nicht selten von Ratten und Mäusen wimmelte, unter die anderen Lasttiere eingereiht.
[3.200.13] Das war gewöhnlich der Fall mit einem Armen, der sich der Stadt genähert hatte; nur ein Reicher durfte nach Aufweisung seines Schatzes sich in die Stadt begeben, musste aber sehr auf seiner Hut sein, dass er nicht beraubt oder bestohlen wurde.
[3.200.14] Kam er aus irgendeiner Neugierde, um diese Stadt zu sehen, und hatte zu wenig Geld oder andere Schätze, so ward ihm alsbald alles abgenommen, und er ward als ein Spion entweder zu Tode geprügelt oder, falls er ein starker Mensch war, ohne Gnade und Pardon als Lasttier verkauft.
[3.200.15] Ward ein armes Mädchen also attrappiert [erwischt], so ward sie sogleich als Hure an die Meistbietenden verkauft und musste da dann aus sich und mit sich machen lassen, was dem Käufer beliebte; weigerte sie sich, so ward sie mit scharfen Ruten dazu genötigt.
[3.200.16] Also stand es in Hanoch und nicht viel besser in allen anderen Orten und Städten, die unter Hanoch standen!
[3.200.17] Was weiter, – davon in der Folge.
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