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175. Wie soll der endliche Mensch den unendlichen Gott lieben können?

Am 2. Dezember 1843

[3.175.1] Als die neunundneunzig solches vom Ohlad vernommen hatten, da erhob sich ihr Hauptredner wieder und sprach zum Ohlad: „Du hast im Grunde eben nicht unrecht, – freilich nur dann, wenn man die Sache so mehr oberflächlich betrachtet; fühlt man aber derselben Sache näher auf den Zahn, so hast du damit den widernatürlichsten Wahnsinn von der Welt uns hier kundgetan!

[3.175.2] Damit du aber siehst, dass ich dir im Namen meiner Brüder nicht etwa einen bösgemeinten Satz entgegengestellt habe, so will ich dir ihn gehörig beleuchten! Kannst du mir ihn widerlegen, so nehmen wir alle augenblicklich jedes Gesetz von dir an; kannst du aber das höchst sicher nicht, so ziehen wir ab und schenken dir deine Lehre samt diesem goldenen Palast! Und so wolle du mich denn gutmütig vernehmen!

[3.175.3] Was deine angeratene Erkenntnis Gottes betrifft, da sage ich dir nichts anderes als das: Versuche du einmal einen Berg auf einmal in den Mund zu stecken und ihn dann auf einen Druck zu verschlingen! Meinst du wohl, dass dir solches möglich sei?

[3.175.4] Oder schöpfe das ganze Meer und all die großen Ströme in ein kleines Gefäß! Meinst du wohl, dir wird solches gelingen?

[3.175.5] Nun aber denke dir den unendlichen, großen, ewigen Gott in Sich Selbst, wie in Seinen unendlich großen und zahllos vielen Werken, und dann dich bestaubtes, allerengst beschränktes und begrenztes Würmchen hinzu! Sage, wie wirst du es anfangen mit der Erkenntnis des ewigen, unendlichen Gottes?!

[3.175.6] Wird Sein endloses Alles wohl Platz haben in deinem völligen Nichts vor Ihm? Oder kannst du dich mit Erkenntnis Gottes rühmen, so du allenfalls höchstens so viel kennst von Ihm als ich?

[3.175.7] Oder glaubst du wohl den ganzen Gott gesehen zu haben, so Er durch einen auswirkenden Geist, also nur durch einen allereinzigsten Kraftstrahl aus Ihm, Sich dir beschaulich dargestellt hatte?

[3.175.8] O siehe, wie töricht musst du noch sein, wenn du noch solches Glaubens bist!

[3.175.9] Wahrlich, ich halte den für den hochmütigsten und größten Toren von der Welt, der sich damit brüsten möchte – entweder durch seine Handlungen oder durch seine Worte –, als bestrebe er sich, entweder Gott zu erkennen, oder er habe Ihn schon etwa gar erkannt, – was eben bei dir stark der Fall zu sein scheint, indem du sogar uns diese Erkennung oben also anempfohlen hast, als wärest du von deren Vorteil schon – Gott weiß es, wie sehr – überzeugt!

[3.175.10] Diesen Unsinn wirst du hoffentlich einsehen, der aber sich doch hören lässt!

[3.175.11] Aber wie verhält es sich mit dem ‚Liebe Gott über alles!‘? – Bruder, Freund! Könnte ich dir nun meinen Kopf aufsetzen mit meinem so ziemlich hellen Verstand, du würdest erschaudern vor deiner Dummheit!

[3.175.12] Siehe, das, was wir Liebe nennen, ist die eigentliche Lebenskraft des Menschen! Je stärker seine Liebe ist, desto stärker auch ist sein Leben! Bei den alten Menschen nimmt die Liebe ab, und im selben Verhältnis auch das Leben. Der Tod ist der Liebe Garaus und somit auch des Lebens, das lehrt uns die tägliche Erfahrung.

[3.175.13] Sage mir aber, wie viel der Lebenskraft hat denn wohl in dir Platz? Siehe, sicher nicht mehr, als wie viel dein Volumen es dir gestattet; denn außer sich hat noch nie ein Mensch irgend gelebt!

[3.175.14] Mit dieser Lebenskraft oder Liebe kannst du wohl dir verwandte und dir gleich große Wesen ergreifen. Für ein bis zehn Weiber allenfalls wirst du schlechtweg wohl einige Jahre damit ausreichen, aber für hunderte oder tausende in vereinter Kraft nicht eine Stunde! Ganz ermattet wirst du dahinsinken und völlig erlöschen in deiner Torheit!

[3.175.15] Aus dem aber geht hervor, dass der Mensch nur so viel lieben kann, als da sein Volumen ausmacht. Wer mehr lieben will, der ist gleich einem, der, um weise zu werden, alle Zweige des Wissens ergreift und weiß am Ende aus allen etwas Unbedeutendes, im Ganzen aber nichts, und ist daher ein völlig unbrauchbarer Mensch.

[3.175.16] Du aber verlangst, dass wir den ‚unendlichen Gott‘ – und das noch dazu ‚über alles‘ – lieben sollen!

[3.175.17] Womit und wie aber, frage ich dich. Bist du imstande, mit einer Fackel in deiner Hand in der Nacht die ganze Erde zu erleuchten und zu erwärmen? Nein, sagt dir die Erfahrung.

[3.175.18] Wie aber willst du dann die Gottheit, die unendliche, in deine Brust schieben wollen und Sie da etwa durchwärmen und durchleuchten und deine Liebe am Ende gar über Sie hinausdehnen wollen?!

[3.175.19] Hast du nur ein Atom groß gesunden Verstandes, so musst du die Torheit ja auf den ersten Blick einsehen, die du uns aufgebürdet hast!

[3.175.20] Ich bitte dich daher, dass du beherzigst diese meine klare Einsprache und danach andere Verfügungen treffest mit uns, denn zu deinen Narren sollst du uns denn doch nicht machen wollen.“

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