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14. Das männliche und weibliche Wirken der Erde

Am 20. Januar 1847

[14.1] Von dieser Zeugung nimmt alles mineralische Wesen, sowie die Pflanzen- und die Tierwelt ihren materiellen Ursprung. Die Erde, als Mann und Weib in einem betrachtet, zeugt hier und gebiert auch auf die mannigfachste Weise, und zwar derart, dass sie einerseits gleichsam lebendige Junge zur Außenwelt bringt, dann auch wieder, wie die Vögel, Eier legt, und wieder so, wie die Pflanzen, Samen gebiert und für Mineralien gewisse Blüten hervortreibt, in denen die Kraft liegt, alles das ihnen Ähnliche an sich zu ziehen und sich als solches in weiten Kreisen auszudehnen. Das ist die vierartige Zeugung der Erde unter beiderlei Gestalten in einer.

[14.2] Es würde hier freilich jemand fragen: Wenn die Erde alles das tue, wozu dann die Reproduktionskraft in der Pflanzen- und Tierwelt? Und warum muss die Pflanze, wie gestaltet sie auch ist, zu ihrer Fortpflanzung den eigentümlichen Samen bringen? Warum der Vogel das Ei und warum das Tier seinesgleichen und warum Amphibien ihre breiartigen Rogen, die eigentlich auch Eier sind?

[14.3] Die Antwort auf diese Frage ist freilich wohl nicht so einfach möglich, als sich’s jemand denken möchte; aber nichtsdestoweniger ist sie für den, der nur ein wenig tiefer blicken kann, schon in der ganzen Natur vollkommen ausgesprochen vorhanden.

[14.4] Es heißt ja gleich anfangs im Verlauf dieses Artikels, dass die Erde hier zugleich Mann und Weib ist. Als Weib zeugt sie nicht, sondern nimmt das Gezeugte nur auf und gebiert es; als Mann aber zeugt sie bloß und gebiert es nicht, sondern das Gezeugte muss erst von derjenigen Art und Gattung ausgereift und ausgeboren werden, in die es von der Erde als Mannwesen hineingezeugt wurde.

[14.5] Um dieses deutlicher einzusehen, wollen wir zuerst einen Baum in Wechselwirkung mit dem Erdkörper betrachten. Eine nur einigermaßen gründliche Einsicht in dieses Verhältnis wird die Sache sicher sonnenklar darstellen. Nehmen wir an, dass der Same offenbar früher da sein musste als der Baum, auf dem er sich dann wieder reproduziert, welche Annahme auch schon darum die richtige ist, weil ein Same doch für jeden Fall leichter in der Erde sich erzeugen lässt als wie ein ganzer, vollends ausgewachsener Baum. Auch kann man den leichten Samen überall hinlegen, und eine kleine Kraft wird erforderlich sein, um die leichten Sämereien von oft größten Bäumen in alle vier Weltgegenden hin zu zerstreuen; und wenn leichte Winde wehen und diese leichten Samenkörner mit sich führen, so wird durch diesen Akt nicht einmal eine Mücke beleidigt, geschweige erst ein größeres Tier oder gar ein Mensch. Wie schwer und mit welcher Kraftanwendung würde eine solche Operation, und mit welcher Gefahr daneben, mit schon vollkommen ausgewachsenen Bäumen vor sich gehen! Was würden die Menschen wohl sagen, wenn sich auf einmal so ein ganzer großer Eichwald, von mächtigen Orkanen herbeigeführt, über ihren Häuptern niederließe und in die Erde seine Wurzeln setzte? Und für einen solchen Wald können gesunde Eichelnüsse auf einem einzigen Wagen herbeigeführt werden, können dann in aller Stille in die Erde gesteckt werden, worüber sicher kein Mensch den Kopf verlieren wird, so nach der Zeit die Eichelnüsse ganz zarte Triebe über die Erde langsam werden zu erheben anfangen. Wem wohl hat es je wehgetan, der durch einen Wald gegangen ist, so ihm ein überaus leichtes Tannensamenkörnchen auf seinen Hut niederflatterte? Was für ein Gesicht aber würde ein Mensch dazu machen, so ihm statt eines so leichten Samenkörnchens ein ganz vollkommen ausgewachsener, riesiger Tannenbaum vor der Nase niederflatterte?

[14.6] Schon aus diesen wenigen Beispielen ist es jedermann vernünftigermaßen leicht ersichtlich, dass der Same früher da sein musste als der Baum.

[14.7] Bei Tieren ist freilich wieder ein umgekehrter Fall. Da musste wohl der Vogel früher sein als das Ei, weil zum Ausbrüten des Eies schon die tierische Wärme gehört; aber nichtsdestoweniger ist der Vogel gleich als Vogel dagewesen, sondern in dieser ersten Zeugungsperiode legte auch da die Erde das erste Ei, und die Erde war somit der erste, allgemeine Vogel.

[14.8] War der erste Vogel erst einmal ausgeboren, dann legte er freilich das Ei, das etwas anders eingerichtet war als das erste, und gebar aus dem Ei einen zweiten ihm ähnlichen Vogel.

[14.9] Man kann sonach auch bei dem Vogel, wie auch bei den Amphibien das erste Ei als den Samen annehmen, und da war wieder der Same früher als das aus ihm hervorgegangene Tier. Nur wenn man zwischen der Qualität des Erd- und des Vogeleies einen wesentlichen Unterschied findet, so war dann freilich der Vogel früher als das Ei, das er legte, und durch dasselbe seinesgleichen wieder hervorbrachte. Aber nicht also war es mit dem Pflanzensamen; der wurde schon von der Erde also ausgeboren, als wie ihn die Pflanze wiederbringt. Also ist es auch mit allen anderen Tieren der Fall; jede Gattung wurde zuerst von der Erde schon als ein Säugetier ausgeboren und bekam die Fähigkeit, sich durch ein eigenes Zeugungsvermögen wieder fortzupflanzen.

[14.10] Wir haben, um die zeugende und gebärende Kraft der Erde zu erläutern, einen Baum als ein erläuterndes Beispiel angenommen. Diese Erläuterung musste die gegenwärtige obige Betrachtung voranhaben, ohne welche die Sache nicht so recht klar geworden wäre. Jetzt aber, da wir eine solche Betrachtung angestellt haben, wird es euch auf einmal klar, wie einerseits die Erde als Mann zeugt und anderseits als Weib wieder gebiert, und wie sie sich zu unserem als Beispiel angeführten Baum bald als Weib und bald als Mann verhält.

[14.11] Nehmen wir an, ein Same, der auf dem Baum reif geworden ist, wird in die Erde gelegt; da verhält sich die Erde wie ein Weib, wenn sie empfängt und das Empfangene durch die ihm eigene Kraft ausreift und ausgebiert. Wann aber der Baum dasteht, da nimmt er gegen die Erde den weiblichen Charakter an, und die Erde tritt als Mann gegen den Baum auf und zeugt in dem Baum neuen Samen für dessen Befruchtung.

[14.12] Aus diesem Beispiel wäre nun das männliche und weibliche Wirken der Erde zum Teil schon klar ersichtlich, und es ginge aus dem hervor, dass die Erde, um solches zu leisten, notwendig die beiden Naturen in sich vereinigen muss. Aber bei diesem Beispiel tritt die Erde und der Baum in die Wechselwirkung. Das ist nicht allein genug, sondern wir müssen diese Wechselwirkung auch in der Erde selbst erschauen. Wie aber werden wir das zuwege bringen? Das wird eben nicht so schwer sein.

[14.13] Ihr wisst, dass die Erde einen Süd- und einen Nordpol hat. Diese beiden Pole bleiben in Hinsicht auf die Hauptwirkung der Erde stets das, was sie sind, nämlich der eine der Südpol und der andere der Nordpol, oder der eine negativ und der andere positiv, oder der eine anziehend und der andere abstoßend, – was dann zur Folge hat, dass sich zwei solche ungleiche Polaritäten notwendig sehr gut nebeneinander vertragen können; denn der eine Pol ist der Geber und der andere der Empfänger. Bei diesem Polverhältnis tritt diese Wechselwirkung schon stark hervor. Ursprünglich oder in der Ausmündung ist der positive Nordpol der Empfänger, weil er die gesamte Nahrung für den Erdkörper in sich aufnimmt, und der Südpol ist in seiner äußeren Ausmündung derjenige, der von außen her nichts aufnimmt, sondern alles nur hintangibt; aber im Inneren ist der Nordpol gegen den Südpol der Geber und der Südpol der Empfänger.

[14.14] Seht, da geht schon etwas hervor, wie das Erdwesen innerlich durch seine polarische Aktion wechselweise in seinen beiden Polaritäten zum Teil männlich und zum Teil weiblich auftritt.

[14.15] Noch auffallender geschieht diese wechselseitige, stets veränderte polarische Wirkung durch die Wechslung des Sommers und des Winters, da ein halbes Jahr auf der nördlichen Hälfte der Erde Winter ist, während zu gleicher Zeit auf der südlichen der Sommer waltet, und also im nächsten halben Jahr umgekehrt, was sich also verhält und auch also verstanden werden muss: der Winter ist der männliche Teil und der Sommer der weibliche; der Winter zeugt in dem weiblichen Sommer, und dieser gebiert dann aus, was der Winter gezeugt hat. Sonach ist zur Winterszeit die eine Erdhälfte männlich, während die andere ganz weiblich ist, und da tritt auch der sonst weibliche Südpol männlich auf gegen den weiblich gewordenen Nordpol, und also auch umgekehrt. Nur ist dabei doch immer der merkliche Unterschied, dass die Früchte von der südlichen Hälfte der Erde zwar süßer, weicher und voller, aber nicht so kräftig als die des Nordens sind, weil im südlichen Teil das Weibliche dem Männlichen vorschlägt, während im nördlichen Teil das Männliche vor dem Weiblichen sich mehr auszeichnet, und man könnte dieses etymologisch also bezeichnen: Im Norden ist die Erde ein Mannweib, und im Süden ist sie ein Weibmann.

[14.16] Aus dieser Darstellung wird das Doppelwesen der Erde sicher schon nahe ganz klar ersichtlich. Zur vollkommenen Anschauung aber gehört noch, dass man weiß, dass die Erde durch den Tag und durch die Nacht ebenso ihr Wesen wechselt. Die Nacht ist stets weiblich und der Tag männlich; was der Tag gezeugt hat, das gebiert die Nacht in ihrem dunklen Schoß wieder aus. Demzufolge wird jeder Same von der Erde als männliches Wesen gezeugt und befruchtet und wird von derselben Erde als weibliches Wesen ausgereift und ausgeboren.

[14.17] Dass die Erde wirklich Samen erzeugt für allerlei Pflanzen und Tiere, kann aus vielen Erscheinungen auf der Erdoberfläche abgenommen werden. Zu diesen Erscheinungen gehören die ursprüngliche Bewaldung der Gebirge wie die Moos- und Grasüberwachsung mancher früheren wüsten Steppen, auf denen ein Jahrtausend hindurch nichts gewachsen ist. Schimmel und Schwämme haben noch bis jetzt keinen anderen Samen. Dann gehören zu den diese Sache erklärenden Erscheinungen die jener – wennschon etwas seltener, aber im Ganzen doch noch häufig genug vorkommenden – Art, wo es Getreide und allerlei Körner geregnet hat; und besonders sind diese Sache erklärend die nicht selten vorkommenden Fisch-, Schlangen- und Krötenregen und noch andere dergleichen Erscheinungen, von denen kein sogenannter Naturforscher sagen kann – wenn er nur einen Gran gesunden Verstandes hat –, dass sie etwa gar irgendein Wirbelwind von der Erde aufgehoben hat, und dann wieder niedergeschleudert; denn da müsste er doch irgend nachweisen können, dass auf der Erde sich ein solcher Platz vorfindet, auf dem solche Wesen in nicht selten trillionenfältiger Anzahl vorhanden gewesen sind, und würde er auch das tun können, so würde er nichts weniger tun, als eben die eigentümliche Zeugungskraft der Erde umso auffallender beweisen, wie eben die Erde aus sich selbst dergleichen hervorbringen kann. Wie aber solche Erscheinungen ganz eigentlich geschehen, werden wir nächstens noch tiefer betrachten.

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