Am 13. September 1843
[3.117.1] Danach lebten die Menschen noch eine lange Zeit wie halb gestorben und hatten keine Freude an der Welt, sondern ihre Sehnsucht ging dahin, sobald als möglich dem Hauptelternpaar nachzufolgen.
[3.117.2] Die Verachtung der Welt ging bei einigen so weit, dass sie sich unter alten Feigenbäumen kleine Hütten errichteten und daselbst hundert Jahre lang ein barstes Einsiedlerleben führten und wechselten solange ihre Wohnstätte nicht, solange der sie kümmerlich ernährende Baum lebte.
[3.117.3] Gar viele Männer schworen, kein Weib zu berühren, denn sie sagten in manchmal nicht unbedeutender Erbitterung: „Wozu noch fernerhin Menschen zeugen? Hat ein jeder Mensch das Los Adams und Evas zu erwarten – also den Tod und das Verderben des Fleisches – da ist es ja besser, er wird nicht in ein so elendes Dasein gerufen! Mag Gott aber schon durchaus elende Menschen auf dieser zerklüfteten Erde haben, da kann Er sie von neuem aus Steinen und Lehm erschaffen; wir jedoch, die wir wissen, was diesem elenden Leben folgt, werden uns nimmer dazu gebrauchen lassen, um unglückliche Wesen unserer Art ins Dasein zu rufen!“
[3.117.4] Also auch taten viele Weiber und sperrten sich ab und waren zu keiner Empfangung mehr zu bewegen; denn auch sie sagten: „Für den Tod sollen Tiere, aber nicht Menschen gezeugt werden!“
[3.117.5] Und so strotzte im Verlaufe von hundert Jahren nach dem Tode Evas, wie auch um diese Zeit nach dem Tode Seths, die Höhe allenthalben von solchen Sonderlingen; und da nützte keine Rede des noch lebenden Henoch etwas, auch kein Wunder, um die Menschen von dieser Torheit zu heilen.
[3.117.6] Der Henoch selbst aber, da er sah, dass da mit diesen superklugen Menschen bei Belassung ihres freien Willens nichts mehr zu richten ist, bat endlich auch den Herrn, dass Er ihn zu Sich nehmen möchte.
[3.117.7] Der Herr aber sprach zu Henoch: „Mein getreuester Diener! Siehe, in diesem Jahr wird noch Lamech, dein Enkel, einen Sohn bekommen! Diesen musst du noch zuvor segnen, dann will Ich auch dich erlösen von der Welt also, wie Ich es dir verheißen habe!“
[3.117.8] Und im selben Jahr, da der Lamech zweihundertachtzig Jahre alt war, gebar die Ghemela ihm einen Sohn, den der Henoch alsbald segnete nach der Beheißung des Herrn.
[3.117.9] Und der Lamech aber nach der Segnung hinzusprach: „Noah ist dein Name! Der wird uns trösten in unserer Mühe und Arbeit auf Erden, die Gott der Herr verflucht hatte!“
[3.117.10] Aus diesem Ausruf Lamechs aber kann jedermann ersehen, dass sogar die Gemütsstimmung Lamechs nicht mehr so recht ganz in der Ordnung war; denn er machte dadurch Mir, dem Herrn, einen offenbaren Vorwurf ob des vermeintlichen Fluches der Erde, da er dadurch gewisserart sagte: Bei Gott gibt es keine Tröstung mehr; denn Er hat nun Seine Freude am Töten der Leiber der Väter. Daher solle sein Sohn Noah ein Tröster werden!
[3.117.11] Henoch aber verwies dem Lamech auch diesen Ausruf und zeigte ihm an, dass Ich das Benehmen der Kinder nun mit beleidigtem Herzen ansehe, indem Ich doch Selbst ihnen allen ein anderes ewiges Leben im Geiste nach der Ablegung des versuchenden Fleisches verheißen, gelehrt und allzeit überzeugend in jedermanns Herzen darstellte.
[3.117.12] Aber der Lamech sprach: „Solches weiß ich so gut wie du, Vater Henoch! Aber so ich allzeit schaue in mir das gewisse ewige Leben, warum denn kann ich die nimmer erschauen im selben, die da gestorben sind? Siehe, dafür haben wir keine Lehre und keinen Grund!
[3.117.13] Warum dürfen denn die Geister nicht zu uns, die da hinübergegangen sind, und uns zeigen, dass sie auch ohne Leib Leben haben und sind?“
[3.117.14] Und der Henoch sprach: „Was redest du? Sahst du doch den Geist Adams, Zuriels und den Geist Ahbels und Sehels? Was willst du denn da noch mehr?“
[3.117.15] Aber der Lamech sagte: „Siehe, bei Gott sind alle Dinge möglich! Kann Er nicht die Getöteten wieder ins scheinbare Leben und Dasein rufen, wann Er will? Und dann glauben wir, dass es so ist!
[3.117.16] Aber wenn das scheinbare Dasein zurücktritt, was ist dann? Wohin kommt es, da es für unsere Sinne nicht mehr ist? Siehe, da ist der alte Fluch ersichtlich! Wir sind, um getötet zu werden; zum Fluch sind wir, aber nicht zum Leben!
[3.117.17] Wo das Leben ist, da sollte es allzeit ersichtlich sein, aber nicht irgend also, als wäre es keines!
[3.117.18] Der Sünde Adams wegen muss aller Menschen Fleisch getötet werden! Welch ein Fluch! So ich nie gesündigt habe, warum soll mein Leib getötet werden der Sünde Adams willen? Siehe, das finde ich grausam!“
[3.117.19] Hier segnete der Henoch den Lamech und ging hinaus und weinte vor dem Herrn.
[3.117.20] Der Herr aber tröstete den Henoch, nahm ihn zu Sich mit dem Leib, und er ward forthin nicht mehr gesehen auf der Erde, obschon ihn die Menschen allenthalben suchten.
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