Am 30. August 1843
[3.107.1] Der Henoch legte dem Adam alsbald seine Hände auf und stärkte ihn, machte ihn sich gänzlich erholen von seinem Schreck und somit auch gehörig redefähig.
[3.107.2] Als der Adam aber also gestärkt ward vom Henoch, da fragte er ihn alsobald, was da diese Erscheinung sei, – ob Trug, oder im Ernst Wirklichkeit.
[3.107.3] Und der Henoch erwiderte dem Adam: „Vater, das hängt alles von dem ab, wie wir die Sache nehmen wollen!
[3.107.4] Es gibt zwei Wirklichkeiten, eine materielle und eine geistige. Die materielle ist dem Geist gegenüber ein Trug und die geistige gegenüber der materiellen. Aber dafür ist die geistige Erscheinung für den Geist Wirklichkeit und also auch die materielle für die Materie. Also verhalten sich unwiderlegbar die Dinge.
[3.107.5] Nun kommt es aber darauf an, wie du die Erscheinung nehmen willst! Ich meinesteils betrachte sie als eine geistige!“
[3.107.6] Und der Adam sagte: „Nun gut, wenn du sie für eine geistige hältst, so halte ich sie auch dafür; aber was wohl besagt sie in der Außenwelt?“
[3.107.7] Und der Henoch erwiderte dem Adam: „Was da die geistige Bedeutung für die Außenwelt entsprechend betrifft, so ist sie wohl auf den ersten Augenblick mit den Händen zu greifen:
[3.107.8] Der flammende Berg bedeutet dein zu sehr liebend bekümmertes Herz, die am Fuße des Berges grimmig kauernden Tiger aber deine etwas stark noch richtende Zorneslust, die da bei gewissen Gelegenheiten gleich dieser großen gestreiften Waldkatze auf ihr Opfer lauert, und das so lange, bis sie es in ihre Gewalt bekommt und zerreißt es und verschlingt es dann ohne die allergeringste Schonung!
[3.107.9] Und dieses trieb dich, o Vater, so ganz eigentlich hinaus, das heißt, aus deinem Gemüt oder aus deiner vertraulichen Liebe, und du spioniertest, um an den beiden etwas zu erschauen, das da deinen Verdacht rechtfertigen möchte, und es wäre dir heimlich sogar unlieb gewesen, so du dich in deiner Mutmaßung mir gegenüber hättest getäuscht gefunden, indem ich gesagt habe deiner ersten Meinung entgegen, dass man hier ganz unbekümmert um die Purista und ebenso um den Muthael sein solle.
[3.107.10] Der Herr aber hat dich darum lassen erschauen dein Inneres anstatt dem, was du so ganz eigentlich hast sehen wollen, und da hat es sich denn in der geistigen Wirklichkeit herausgestellt, wie es mit dir im Augenblick stand, als du wider den Willen des Herrn hast wollen einen Spion machen!
[3.107.11] Siehe, Vater, das ist meine bis in den Grund meines Lebens überzeugte Meinung! Hast du aber irgendeine andere, so magst du sie ja immerhin gegen diese austauschen, denn ich will niemandem etwas aufgedrungen haben, und dir als dem Erzvater der Väter auf Erden schon am allerwenigsten!“
[3.107.12] Und der Adam erwiderte: „Ja, Henoch, du hast recht; also ist es sicher und wahr! Ob aber unter meinem Herzen, das euch alle unbeschreiblich liebt, aber gerade eine ganze Herde von Tigern wohnt, das ist etwas schwer zu verstehen!“
[3.107.13] Und der Henoch erwiderte dem Adam: „Ja, wenn du den Tiger als einen Mörder betrachtest, da wird es freilich etwas sonderbar aussehen mit meiner Erklärung; aber wenn du darunter das trocken unbarmherzige Recht nach dem Gesetz betrachtest, dann wird es sich mit dem Tiger schon tun!
[3.107.14] Denn im Gesetz liegt das rücksichtslose Urteil, wie im Tiger die rücksichtslose Mordlust; und das Opfer, das er sich ersehen hat, das wird ihm sicher auch zur Beute! Ich meine, unter solcher Betrachtung sollte meine Ansicht doch wohl richtig sein?“
[3.107.15] Und der Adam sagte: „Ja, unter solchem Anbetracht ist sie richtig, und so ist es gut; lassen wir aber nun das und wenden wir uns zu etwas anderem!“
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