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103. Über das Wesen der Beleidigung. Muthael versöhnt sich mit König Lamech

Am 25. August 1843

[3.103.1] Als der Muthael aber wieder zurück zum Lamech sich begab und wollte ihn um Nachsehung seines Fehlers bitten, da kam ihm der Lamech zuvor und sagte zu ihm:

[3.103.2] „Muthael, ich lese es aus deinen Augen, was du an mir nun begehen möchtest, aber siehe, das kann ich aus einem dreifachen Grunde nicht annehmen:

[3.103.3] Der erste Grund ist, weil du mich nicht im Allergeringsten beleidigt hast! Und wie konntest du das auch, indem ja ich wie du die Liebe des Vaters in unseren Herzen tragen!

[3.103.4] Der zweite Grund ist, weil ein rechter, Gott ergebener Mensch wohl nie irgendetwas von seinen Brüdern als eine Beleidigung annehmen solle! Denn hinter einer jeden Beleidigung, sowohl in Ansehung des Beleidigenden wie des Beleidigten, steckt eine verhältnismäßig große Portion des Hochmutes. Wie aber der Hochmut beim Herrn angeschrieben ist, – das, allerliebster Bruder, weißt du sicher noch ums Unvergleichliche besser denn ich!

[3.103.5] Und der dritte Grund ist, weil ich in dir die Verheißung des Herrn in einer wunderbaren Fülle erschaue und sehe hinter ihr in endlos breiten Strömen unbegreiflich allergrößte Erbarmungen Gottes einherwallen, -wellen und -wogen!

[3.103.6] Wenn aber der Herr irgendeinen Menschen mit solchen Verheißungen erfüllt hat, wie möglich könnte sich ein geweckter Mensch, wie ich einer bin durch die endlose Gnade und Erbarmung Gottes, von ihm wohl im Ernst beleidigen lassen?

[3.103.7] Ich aber sehe, was du mir nun sagen willst, und entgegne dir sogleich und sage: Bruder, du hast zuvor meine Worte nur etwas irrig aufgefasst; denn dass ich dir auf deine etwas sonderbare Frage eine Antwort gab, die den Anschein hatte, als hättest du mich beleidigt, das hatte einen ganz anderen Grund!

[3.103.8] Ich gab meiner Antwort nur darum solch einen Anschein, weil ich in dir wirklich eine dich verderbende Art Hochmut entdeckt hatte, der sich neben der heiligen Verheißung in dir wahrlich nicht am besten ausnahm.

[3.103.9] Ich wollte dich sonach wohl ein wenig demütigen, aber ja nicht etwa meinetwegen, sondern aus wahrer, aufrichtiger Bruderliebe deinetwegen selbst!

[3.103.10] Und siehe nun, auf diese Weise wäre es dir sogar unmöglich, mich zu beleidigen! Denn dafür sorgt schon die Liebe Gottes in mir, dass da mein Herz nun niemand mehr beleidigen und erbittern kann, und wie gesagt, du schon am allerwenigsten, indem du gerade derjenige bist, an dem ich am meisten mein Liebe- und Freundschaftsband befestigen möchte.

[3.103.11] Ich liebe dich, du herrlicher Muthael, überaus! Mögest auch du mich, einen Abkömmling Kahins, mit Liebe erfassen!“

[3.103.12] Hier öffnete der Muthael die Arme und sagte: „Komme her, Bruder Lamech, und nehme an meiner Brust die vollste Versicherung, dass ich dich liebe mit aller Glut meines Herzens! Denn fürwahr, ich hätte eher alles geglaubt, als dass ich in dir einen so herrlichen Menschen und Bruder finden möchte! Nun aber habe ich dich erkannt, und du bist mir teurer geworden als mein eigenes Leben; daher sei auch versichert, dass ich dich liebe und nie aufhören werde, dich zu lieben als einen mir allerteuersten Bruder!

[3.103.13] Weil ich dich aber, o du mein Bruder du, nun auf eine so vorteilhafte Weise habe kennengelernt, so sollst du auch mein Ratgeber sein nach dem Willen Henochs und sollst mir mein Verhältnis zu der Purista, der reinen Dienerin des Herrn, so recht auseinandersetzen und mir sagen, wie ich denn so ganz eigentlich mit ihr daran bin! Soll ich die Verheißung bloß geistig oder daneben auch weltlich erfüllbar mir denken, oder soll ich das Ganze nur als eine Probung von Seiten des Herrn über meinen Geist nehmen?

[3.103.14] Ja, Bruder, ich sehe, du wirst mir ein rechtes Licht in dieser Sache geben! Der Herr sei darum mit deinem Geiste!“

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