Am 18. August 1843
[3.97.1] Da die Gesellschaft nun sämtlich in der Hütte sich befand und die Purista ihren Herd versorgt hatte, da trat sie alsbald wieder hin vor den Henoch und sprach zu ihm:
[3.97.2] „O erhabener, alleiniger, wahrer Hohepriester des allmächtigen, ewigen Gottes, der da ist unser heiliger und liebevollster Vater! Ich muss es dir mit bekümmertem Herzen erzählen, was dahier im Morgen vor sich gehen will!
[3.97.3] Du weißt es, dass letzthin der Herr, unser ewig heiligster Vater, dem Muthael eine Zusage gemacht habe, als solle ich dereinst, wann es dem Vater wohlgefallen möchte, dessen Weib werden. Nun aber geht mir der sonst weise und gerechte Muthael darum stets auf der Ferse nach und will sich von mir die sichere Zusage ernötigen!
[3.97.4] Sage ich ihm, dass er nur am Wort des Herrn halten solle und solle nicht unnötigerweise von mir eine sichere Zusage verlangen (und es wird ja ohnehin zur rechten Zeit geschehen, was da der Herr wird wollen!), siehe, da fängt er an, alsbald zu weinen und spricht:
[3.97.5] ‚Ja, ja, also reden alle Jungfrauen, wenn ihnen der Bewerber nicht zu Gesichte steht!‘ Der Herr würde mich ewig nimmer zwingen, dass ich sein Weib werden solle, so ich solches nicht durch Seine Gnade aus mir selbst wollte, – und ich beschiede ihn eben darum stets an den Herrn, weil ich ihn nicht möchte, und weil ich wohl wüsste, dass der Herr mich nie zu etwas zwingen würde, das mir zuwider wäre!
[3.97.6] Siehe, das und noch mehreres anderes sind seine Worte! O gebe mir doch einen Rat aus dem Herrn, was ich da tun soll!
[3.97.7] Habe ich mich etwa gestern nicht versündigt, da ich dem beständigen leeren Plaudern und unnötigen Fragen überdrüssig, den Muthael blank abgewiesen habe und habe ihm gesagt: ‚Weil du unnötigerweise zudringlich bist und willst vor der Zeit mich zum Weib haben, so sage ich dir nun vollernstlich, dass ich gegen dich einen Widerwillen habe, und gebe dir die vollste Versicherung, dass du mich nimmer vom Herrn wirst abwendig machen! Machst du in deiner Brunst eitler Liebe zu mir als einem Geschöpf nur noch einen Schritt, so will ich dem Herrn bei diesem Herd schwören, ewig ledig zu verbleiben aus reiner Liebe zu Ihm und nimmer einen Mann der Erde anzusehen!‘
[3.97.8] Diese Worte aber haben den Muthael so sehr bestürzt, dass er alsbald sprachlos ward und sich dann weinend und schluchzend von dannen zog und ging – wie ich es merkte – schnurgerade zu euch auf die Vollhöhe.
[3.97.9] O Henoch, du erhabener Diener des allmächtigen Gottes, gebe mir einen sicheren Rat und Trost im Namen des Herrn!“
[3.97.10] Und der Henoch erwiderte der Purista: „So höre mich denn an, ich will dir in der Wahrheitsfülle sagen, wie da die Dinge stehen: Siehe, der Herr hat ganz sicher dich dem Muthael verheißen und im Geiste auch schon völlig angebunden; nur hatte Er die Segnung des Fleisches noch bis zur gerechten Zeit aufgeschoben! Dir aber hat der Herr solches auch stumm bloß nur deinem Gefühl kundgetan.
[3.97.11] Da aber der Muthael zu dir kam und zeigte dir solches durch verdeckte Worte an, da erkanntest du in ihm aus deinem Gefühl, dass er derjenige ist, der dir vom Herrn aus einst zum gesegneten Mann werden soll; und zufolge dieser Erkenntnis hast du den Muthael mit einem sehr vielsagenden, überaus freundlichen Blick angeschaut und hast eben durch diesen schönsten Blick dem sonst überaus weisen Muthael eine starke Wunde beigebracht, an welcher er nahe seine ganze Weisheit verblutet hätte! Und seitdem ist Muthael ganz in deine Liebe begraben und mag sich nicht erheben aus solcher Wohnung, darinnen kein Leben ist!
[3.97.12] Siehe, das war sonach ein kleiner Fehler von dir, den du wieder gutzumachen hast! Diesen Fehler aber wirst du dadurch gutmachen, so du den Herrn bittest, Er möchte ja den Muthael segnen und ihn führen auf den rechten Weg des Heils!
[3.97.13] Aber verachten darfst du ihn ja nicht; denn ein Mann, der mit der Verheißung des Herrn erfüllt ist, ist gar mächtig geheiligt!
[3.97.14] Dass der Herr ihn nun ein wenig prüft, das dient zu seiner Vollendung. Aber du darfst ihn darum ja nicht verkennen, denn er ist ein von Gott geheiligter, dir bestimmter Mann zur rechten Zeit!
[3.97.15] Siehe, also stehen die Dinge! Du darfst ihn nicht fliehen, aber du darfst ihn auch nicht versuchen! Das für dich; mit Muthael aber werde schon ich reden. Nun gehe wieder an deinen Herd! Amen.“
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