Am 5. August 1843
[3.92.1] Auf dieser großen weißen Höhe angelangt, erschauten der Lamech und seine Gefährten zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben das Meer der Erde und konnten ihre Blicke gar nicht wegwenden von dieser großen Wasserfläche, welche sich in der weiten Ferne mit dem Himmel nach ihren damaligen Begriffen zu vereinen schien.
[3.92.2] Ja sie hätten tagelang dem Schauspiel der Wogen zugeschaut und sich ganz verloren in solcher Beschauung, wenn der Adam den Lamech nicht gestupft hätte und hätte dessen Blicke nicht auch alsbald hin auf die uns schon bekannten wasserspeienden Kegel geleitet!
[3.92.3] Als der Lamech diese erschaute, da sank er vor lauter Verwunderung beinahe zusammen und fand keine Worte, seine Gefühle auszudrücken, die sich da seiner bemächtigten. Mit tränenden Augen starrte er eine gute Stunde umher, ohne dabei nur ein Wort zu reden.
[3.92.4] Nach solcher Zeit aber fragte ihn endlich der Henoch: „Nun, Bruder Lamech, was sagst du wohl zu dieser Aussicht? Wie gefällt dir die Erde, von diesem Standpunkt aus betrachtet?“
[3.92.5] Hier fasste sich endlich der Lamech und erwiderte dem Henoch: „O du mein geliebtester Bruder, um die Gefühle, die sich meines Herzens hier bemächtigt haben, auszudrücken, müsste ich wohl mit der flammenden Sprachfähigkeit eines Seraphs und Cherubs ausgerüstet sein! Meine Zunge ist zu matt und steif dazu!
[3.92.6] Das aber, lieber Bruder, muss ich dir gestehen, dass es mir nun ordentlich bange wird ums Herz, so ich neben diesen unaussprechlichen Herrlichkeiten der Erde bedenke, dass ich dieselben in kurzer Zeit vielleicht schon werde verlassen müssen!
[3.92.7] Fürwahr, ich für meinen Teil würde mir wohl in alle Ewigkeit kein besseres und seligeres Leben wünschen und auch keine schönere Welt, als da ist diese herrliche Erde!
[3.92.8] Wohin ich nur immer meine Augen wende, tauchen ja fortwährend neue Wunder auf! Dort gegen Abend hin glüht in tausendfarbiger Pracht das wogende Meer, das wohl hier bei der Erde seinen Anfang nimmt, sich aber dann ins Unendliche des Himmels verliert! Da, so ziemlich in unserer Nähe, stehen vor uns sieben kolossale, zugespitzte Berge und treiben an das Himmelsgewölbe Wassersäulen! Diese scheinen sich an des Himmels blauer Decke zu zerschellen, und von da in zahllosen strahlenden Tropfen wie fliehende Sterne wieder zur Erde herabzufallen und dieser den Segen des Himmels zu überbringen; ja man könnte beinahe auf den Glauben kommen, die nächtlichen Sterne des Himmels nehmen da ihren Ursprung!
[3.92.9] Von allen den tausend und tausendmal tausend anderen Herrlichkeiten mag ich gar nicht reden; denn zu mannigfaltig sind sie, zu groß und zu erhaben, als dass es der menschlichen Zunge möglich wäre, sie darzustellen. Daher, o Bruder, lasse mich noch eine Zeit lange ruhig genießen diese große Wunderfülle unseres heiligen Vaters!
[3.92.10] O Du, der Du mich gestern so erhaben lehrtest Deine Weisheit und endlose Liebe, wie endlos erhaben, heilig, gut, mächtig musst Du sein, da Deine Werke solche Ehre von Dir verkünden!
[3.92.11] O Bruder Henoch, wäre Er, der heilige Schöpfer dieser Herrlichkeiten, so wie gestern unter uns, wie erginge es da unserem Herzen?!
[3.92.12] Ja, heilig, überheilig ist unser Gott Zebaoth Jehova; denn Himmel und Erde sind ja überfüllt von Seiner großen Ehre!
[3.92.13] O Vater, wer kann Dich lieben, loben und preisen nach Recht und Gebühr? Denn zu heilig, erhaben und gut bist Du!“
[3.92.14] Hier verstummte der Lamech vor Entzückung. Adam und alle anderen aber wurden selbst bis zu Tränen gerührt ob des Benehmens des Lamech und seiner Gefährten. Und der Henoch selbst lobte in seinem Herzen gewaltig Gott den Herrn, da Er Sich derer so mächtig erbarmt hatte, die da schwach und verloren waren, und hat sie so mächtig gestärkt mit Seiner Gnade.
[3.92.15] Die Gesellschaft aber verweilte noch bis zur Mitternacht auf der Höhe.
Kein Kommentar bisher