Am 3. August 1843
[3.90.1] In der geräumigen Hütte Adams angelangt, war von den Dienern Seths auch schon die Stärkung von den edelsten Früchten herbeigeschafft. Die Gäste ließen sich nach der freundschaftlichen Beheißung Adams alsbald auf den Boden zu den Körben nieder, lobten und dankten Gott und aßen dann ganz wohlgemut.
[3.90.2] Der Lamech aus der Tiefe aber war nur noch zu sehr von einer zu großen Achtung gegen Adam erfüllt, darum er denn auch nicht die Heiterkeit völlig zu teilen imstande war, die sich gar bald all der anderen Gemüter bemeistert hatte.
[3.90.3] Adam aber merkte dies gar bald und fragte darum den Lamech.
[3.90.4] Und der Lamech erwiderte: „Vater, du Erster aller Menschen der Erde! Siehe, ich kann meiner übergroßen Ehrfurcht vor dir und all denen, die dich als deine ersten Kinder umgeben, nicht Meister werden!
[3.90.5] Der Gedanke: du bist der Vater Kahins, dessen Kinder und Kindeskinder alle samt und sämtlich schon lange gestorben sind, und diese – die Mutter von allen jetzt lebenden und nicht mehr lebenden Menschen! – erfüllt mein Gemüt mit stets steigender Ehrfurcht, und diese lässt mir nicht zu, so ganz ungebunden heiter zu sein, als da diejenigen es sind, die da solcher Erhabenheit sich entweder schon lange von Kindheit her angewöhnt hatten, weil sie allzeit um dich, o Vater, waren, oder die – wenn sie auch von meinem Ort sind – aber dennoch zufolge ihrer noch starken Gemütsbeschränktheit solches gar nicht in ihrer heiligen Tiefe genügend zu würdigen imstande sind!
[3.90.6] Daher vergebe mir, o Vater Adam, und du auch, allerehrwürdigste Mutter Eva, dass ich meines Gemütszustandes wegen eben nicht so heiter sein kann, wie da sind die anderen! Zudem sind alle anderen noch nie Sünder gegen Gott und gegen dich gewesen; ich aber war, vor einigen Wochen noch, ein Ungeheuer der Ungeheuer, das zu seiner Besserung aus sich gar nichts, sondern alles nur die göttliche Erbarmung getan hatte.
[3.90.7] Siehe, aus diesem Grunde kann ich wohl auch nicht mich so völlig der Freude hingeben gleich denen, die, wie gesagt, weder vor dir noch vor Gott je gesündigt haben!“
[3.90.8] Hier unterbrach der Adam die Entschuldigung Lamechs und sagte zu ihm: „Höre, mein armer Sohn meines unglücklichen ersten Sohnes Kahin! Deine Äußerung ist mir überaus lieb, wert und teuer, und ich muss dir noch obendrauf bekennen, dass ich derlei Worte noch nie von meinen Kindern vernommen habe.
[3.90.9] Aber dessen ungeachtet muss ich dir sagen, dass solche zu enorme Ehrfurcht vor mir, dem Erzvater der Menschen der Erde, ein wenig eitel ist; denn im Grunde bin ich denn doch auch nur ein Mensch gleich jedem anderen! Ob geboren oder unmittelbar von Gott erschaffen, das ist gleich; denn auch der Geborene wird im Mutterleib ebenso gut von Gott erschaffen, wie ich außer einem Mutterleib von Gott erschaffen wurde.
[3.90.10] Dass du ein Sünder warst, solches weiß jedermann auf der Höhe; dass du dich aber allgewaltigst gebessert hast durch die Gnade Gottes, solches wissen wir auch, und wie dir der Herr alles nachgelassen hatte, wissen wir. Daher denn haben auch wir dir alles um des Herrn willen vergeben, und so magst du schon heiter und fröhlich sein mit uns!
[3.90.11] Esse und trinke daher, und enthebe dich deiner Trübheit; denn ich habe dir noch sehr vieles zu zeigen hernach!“
[3.90.12] Diese Worte brachten unseren Lamech wieder zur Besinnung, und er ward darauf heiteren Mutes und konnte essen und trinken.
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