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19. Erklärung der beiden Worte ‚Jerusalem‘ und ‚Melchisedek‘. Die Heilige Schrift als göttliches Wort. Jorams Hinweis auf die Unverständlichkeit der auf den Messias hinweisenden Texte

[19.1] Sagte Barnabe: „Aber liebster wunderbarer Knabe! Wegen den zwei Worten ‚Jerusalem‘ und ‚Melchisedek‘ – darüber möchten wir wohl noch heute von dir einiges vernehmen!“

[19.2] Sagte Ich: „So gebe denn acht allein auf die einzelnen Wurzeln der althebräischen Zunge! Je (dies ist), Ruh oder Ruha (die Wohnstätte), sa (für den), lem oder lehem (großen König); Me oder mei (meines), l’chi oder lichi – gelesen litzi – (Angesichtes oder Lichtes), sedek (Sitz).

[19.3] Ihr wisst, dass die Alten die Selbstlaute bei der Wortbildung zwischen den Mitlauten wohl aussprachen, aber aus einer gewissen Pietät nicht niederschrieben. Man muss sonach bei solchen über tausend Jahre alten Worten die Vokale zwischen die Konsonanten zu setzen verstehen, und der wahre Begriff eines so alten Namens erklärt sich dann von selbst aus seinen Wurzeln. Nun bist du wohl zufriedengestellt mit dieser Erklärung?“

[19.4] Sagte Barnabe: „Ja ganz überaus und über die Maßen vortrefflich! Aber wie kamst du denn wiederum da hinter solche Geheimnisse?“

[19.5] Sagte Ich: „Da ist eines wie das andere und beruht alles auf der von oben Mich verherrlichenden Kraft des Geistes aus Gott! Das aber kannst und wirst du noch lange nicht einsehen, wie solches möglich ist.

[19.6] Sieh, du liest auch die Schrift, findest aber für dich nichts Göttliches darinnen, denn du hältst sie für reines Menschenwerk, das verschiedene Menschen wegen der leichteren Beherrschung ihrer Nebenmenschen zusammengeschrieben haben. Die Ägypter hätten das getan durch ihre mystischen und riesenhaftest großen Gebilde und die Hebräer durch ihre mystischen Schriften; für die wahre Bildung des Menschen dieser Zeit aber tauge das eine wie das andere nicht mehr, was alle wahren Weltweisen schon lange wohl eingesehen und klar bewiesen haben!

[19.7] Nun sieh, das ist dein höchsteigenes inneres und daher wahres Glaubensbekenntnis! Ich aber sage es dir: Wer die Schrift mit deinen Augen betrachtet, der wird auch nie etwas Göttliches darinnen finden und bleiben fortan ein materieller Weltklotz, der mitunter wohl auch für außerordentliche Dinge und Erscheinungen einen Sinn haben wird, so sie gerade vor seinen Augen effektuiert werden. Aber er wird daraus für seinen Geist nie einen Gewinn ziehen, weil ihm jedes noch so große Wunder eine pure, seine Sinne ergötzende Vergnügungssache ist!

[19.8] Wahrlich, dergleichen Menschen haben eine große Ähnlichkeit mit den Schweinen, die auch allerlei zusammenfressen, aber dabei dennoch gleichfort die alten, unveränderlichen Schweine verbleiben, denen alles gleich wohlschmeckt, ob Kot oder feinstes Weizenbrot.

[19.9] Darum aber sollen solche Menschen, denen es an einem höheren geistigen Glauben fehlt, die Schriften, die aus dem Geiste Gottes den Menschen gegeben worden sind und als göttliches Wort zu betrachten seien, auch nicht lesen und sie dadurch verunheiligen, denn es steht geschrieben: ‚Den Namen Jehovas sollst du nicht eitel nennen!‘

[19.10] Ich aber sage und setze hinzu: Ein jedes Wort aus dem Geiste Gottes ist dem Namen Jehova gleich! Wer es liest wie ein Menschenwerk, der ist ein strafbarer Eitelnenner des Namens Jehova. Wer es aber liest mit großer Ehrfurcht seines Gemütes und glaubt, dass die Schrift göttlichen Ursprungs ist, der wird auch bald und leicht das Göttliche zur Erweckung und Belebung seines Geistes darinnen finden.

[19.11] Würdest du – und auch ihr – in euch die Schrift dafür halten, dass sie göttlichen Ursprunges sei, so würdet ihr Mich schon lange als das gehalten haben, was Ich eigentlich bin, und wie Ich Meine Wundertaten bewerkstellige. Weil ihr aber die Schrift nur für ein eitles und für diese Zeit gänzlich unbrauchbares Menschenmachwerk haltet, so ist es euch auch unmöglich, Mich als das anzuerkennen, was Ich so ganz eigentlich bin – und da ihr Mich als das nicht anerkennen mögt, so müssen euch da ja auch Meine Taten im höchsten Grade unbegreiflich sein!“

[19.12] Sagte Joram: „Mein holdester Knabe, du scheinst hier denn doch in deiner Annahme dich ein wenig zu versteigen! Denn sieh, so unter uns auch etwa einige sind, die an die reine Göttlichkeit der Schrift nicht glauben, so sind aber dennoch schon wieder noch einige, die daran noch sehr festhalten und glauben und daher auch auf die Ankunft des verheißenen Messias und seines Reiches hoffen, und die werden auch bei deiner näheren Bekanntschaft eben nicht viel dagegen sein, so du eben jener verheißene Messias wärest, von dem eben der große Prophet Jesajas am meisten geweissagt hatte.

[19.13] Es ist im Jesajas die Weissagung freilich stark mystisch gehalten, und man kann mit des Messias Persönlichkeit nicht so recht ins Klare kommen; aber sie hat im Ganzen recht vieles, was mit dir stimmt! Einiges ist dann freilich wieder darunter, was weder auf dich und am Ende noch weniger auf einen rechten Messias – und käme er direkt aus den Himmeln – schon gar nicht passt! Und so wirst du überaus weiser Junge wohl auch selbst einsehen, dass es selbst für die festest Gläubigen stets noch sehr seine geweisten Wege hat, und dass es eine wahrlich sehr schwere Sache ist, sich darinnen ordentlich und klar zu orientieren.

[19.14] Die Sache bleibt immer nur mehr eine Volkssage, hervorgehend aus dem langgehegten Wunsch des Volkes, und da mögen die Römer nicht ganz unrecht haben, so sie sagen: Ubinam vanis invectis superlativum tradit gens, nihil quam aquam haurire! [Sobald das Volk aus nichtigen Gerüchten Übertreibungen überliefert, heißt dies nichts als Wasser schöpfen! (Auf Volkssagen kann man nichts geben!)] Und so ist es teilweise auch hier mit dem Messias! Es kann allerdings schon etwas sein, möglich aber auch nichts – und so würde man aus dem alten Jakobsbrunnen kaum einen gesunden Wassertropfen zu schöpfen bekommen. Was sagst du dazu, holdester Knabe?“

[19.15] Sagte Ich: „Wie lauten denn hernach die Stellen aus den Weissagungen des Jesajas, die auf den Messias und namentlich auf Mich schon gar nicht passten?“

[19.16] Sagte Joram: „Ja, mein liebster junger Freund, da muss ich erst das Buch holen; denn auswendig sind mir jene Stellen eben nicht mehr geläufig, denn so was liest man seltener nach, und da vergisst man denn doch so manches, namentlich aus der Sphäre der Propheten! Aber warte nur ein wenig, wir werden die Sache gleich haben.“

[19.17] Sagte Ich: „Weißt du was?! Indem es heute schon Abend geworden ist, so lassen wir das auf morgen. Und da heute von frühmorgens bis jetzt niemand zur Stärkung seines Leibes etwas zu sich genommen hat, so wollen wir nun unsere Sitzung aufheben, ein Abendbrot nehmen und morgen dann unsere Sache fortsetzen.“

[19.18] Mit diesem Meinem Antrag waren alle gleich einverstanden, und wir verließen die Sprechhalle und begaben uns in die schon bekannte Herberge.

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