[7.1] Sagte der Richter zu Mir: „Nun, was sagst du, holder Knabe, zu dieser allerdings äußerst triftigen Rede des Hochpriesters?“
[7.2] Was sollte Ich anders dazu sagen als: „Entweder hat er recht, und der Prophet ist ein Lügner und hat somit kein Recht, oder das Unrecht fällt auf den Hohenpriester zurück, und der Prophet hat dennoch recht. Beide aber können unmöglich recht haben, da der Hochpriester gerade das Gegenteil von dem behauptet, als was da der Prophet von der Ankunft des Messias geweissagt hatte.
[7.3] So der Prophet spricht: ‚Siehe, eine Jungfrau – also kein Weib – ist schwanger und wird einen Sohn gebären; den wird sie Emanuel, verdolmetscht ‚Gott mit uns‘ heißen.‘ – wie behauptet dann der Hochpriester, dass der Messias nur unter den großartigsten Zeichen am Firmament als ein allermächtigster Kriegsheld und als ein schon gemachter König über alle Völker der Erde rein vom Himmel herab unter dem größten Himmelsglorienpomp auf diese Erde zu den Menschen kommen werde?! Wenn es so wäre, was gewönnen da wohl die armen, schwachen Menschen, die voll von der höchsten Furcht über die Erwartung der Dinge, die da kommen würden, mehr denn zur Hälfte verschmachten müssten?!
[7.4] Ich möchte da schier behaupten, dass solch eine Messiasankunft auch den Herren des Tempels sehr ungelegen käme und ihnen am Ende dennoch lieber wäre des Messias Ankunft auf jene bescheidene, höchst anspruchslose Weise, wie sie eben der Prophet Jesajas beschrieben hatte.
[7.5] Es meinte aber der Hochpriester zuvor, dass die etwas wunderbare Geschichte mit dem Sohn des Zacharias, der eben von den Priesterhänden zwischen dem großen Opferaltar und zwischen dem Allerheiligsten ist erdrosselt worden, ganz zu Ende ist und niemand mehr daran denke.
[7.6] Ich aber sage, dass sie noch lange nicht gar so zu Ende ist, als wie es diese Herren meinen, und es wird die Zeit ehest kommen, wo derselbe Johannes wie ein mächtiger Blitz unter sie fahren und ein großes Gericht halten wird unter ihnen. Seine Worte werden schärfer sein für euch denn die allerschärfsten Pfeile!
[7.7] Und wie die Geschichte des eben in der Rede stehenden Johannes, so und noch als ein ärgeres Gericht wird jener Wunderknabe aus Nazareth über euch kommen und euch zeigen seine volle göttliche Herrlichkeit, aber ja etwa nicht zu eurer Auferstehung, sondern zu eurem Fall!“
[7.8] Hier machte der Hochpriester ganz zornige Augen und sagte: „Woher weißt du denn das, du wahnwitziger Knabe?! Wer hatte dir in solchen Dingen den Kopf so verwirrt gemacht, und wer bist du denn, dass du es wagst, uns solche Dinge so ganz keck zu sagen?!“
[7.9] [Sagte Ich:] „Ich bin der, der Ich bin, und woher Ich kam, das habt ihr ja aufgezeichnet. Was fragt ihr dann weiter, wer und woher Ich sei?! Zudem habe Ich es euch ja ohnehin schon gesagt, dass Ich aus Galiläa und eben auch von Nazareth gekommen bin und daher den in der Rede stehenden Knaben überaus gut kenne und durchaus nicht so dumm bin, um die Taten eines Magiers – wenn auch aus Indien sogar – von jenen des Wunderknaben zu unterscheiden.
[7.10] Mache Mir aus euch jemand aus Lehm zwölf Sperlinge und belebe sie dann bloß durchs Wort, dass sie dann auffliegen und gleich den anderen sich ihre Nahrung zu suchen anfangen und fortleben!
[7.11] Wer aus euch vermag wohl einem sich zu Tode gefallenen und ganz zerschmetterten Knaben augenblicklich durchs bloße Wort das Leben wiederzugeben und ihn leiblich vollkommen wieder zu heilen?!
[7.12] Wer aus euch vermag dem Blitz zu gebieten, dass er dort und dahin fahre und erschlage eine Hyäne, die einer Mutter ihr einziges Kind raubte und damit dem Wald zueilte?
[7.13] Wer aus euch kann dem Sturm, wie jener Knabe, gebieten bei einer nächtlichen großen Windstille und bei einer Gelegenheit, wo einigen Städten und Flecken eine große Gefahr durch eine zahlreiche Raubmörderhorde drohte, die nächtlicherweile auf einem großen Schiff sich Kapernaum nahte, bei zweihundert Mann stark, die bis an die Zähne bewaffnet waren?!
[7.14] Der bewusste Knabe, der zur selben Zeit gerade mit seinem Vater sich in Kapernaum befand, rettete also den ganzen Ort! Denn auf sein Wort erhob sich plötzlich einer der fürchterlichsten Seestürme, trieb das Schiff mit Pfeilesschnelle weit hinein in die hohe See, allwo das ganze Schiff durch den zu mächtigen Wellenschlag zerstört wurde und unfehlbar mit all den zweihundert Raubmördern unterging.
[7.15] Das und viele dergleichen Taten hatte jener Knabe schon verübt allzeit zum Wohle der irgend bedrängten Menschheit, und noch nie hatte es jemals jemand erlebt, dass er darum je von jemand irgendeinen Lohn verlangte. Dass aber das keine Erdichtungen von Mir sind, dafür mögt ihr zur Steuer der vollsten Wahrheit ganz Nazareth und Kapernaum zur Zeugenschaft anrufen.
[7.16] Wenn aber also, ist da jener Knabe wohl bloß nur gleich so schlechtweg ein eingelernter Zauberer, oder tut er alles das nur aus der ihm in aller Fülle innewohnenden Gotteskraft? Oder erklärt es nun Mir, wie und mit welchen Mitteln der Knabe etwa nach eurer Kenntnis und Weisheit solches zustande bringt!
[7.17] Meine Vorfragen habt ihr Mir schlecht beantwortet. Wir werden nun sehen, was ihr auf diese Hauptfrage für eine Antwort bringen werdet, und wir werden dann auf die Vorfrage schon wieder zurückkommen und sie selbst zu einer Hauptfrage machen. Redet aber behände, denn der Tag neigt sich, und wir werden uns dann wohl um ein Abendmahl umzusehen anfangen!“
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