Am 8. Februar 1843
[2.249.1] Und so denn begab sich die ganze Gesellschaft, dem Henoch folgend, an den schon mit allerlei Früchten belegten Tisch.
[2.249.2] Alle dankten dem Herrn inbrünstig für solche Gnade im Herzen und baten Ihn auch, dass Er fürder und allezeit mit Seiner so sehr segnenden Gnade bei ihnen verbleiben möchte und möchte sie beschützen vor jeglichem Übel am Geiste, wie auch am Leibe.
[2.249.3] Nach solcher innersten, lebendigen Anrufung segnete der Henoch die Speise und den Trank im Namen des Herrn und sagte darauf: „Nun denn, liebe Brüder und liebe Schwestern, wollen wir wohlgemut stärken unseren Leib, und so denn essen und trinken wir im Namen des Herrn!“
[2.249.4] Und alsbald griff alles nach den Früchten, welche aber auf diesem Herrentisch nicht verändert wurden; der Lamech aber hatte einen starken Appetit nach den edlen Früchten.
[2.249.5] Aber der Henoch sagte zu ihm: „Bruder Lamech, der Herr hat eine Menge Tiere erschaffen, die da sind allein, dass sie fressen Tag und Nacht; aber uns Menschen hat Er nicht darum das Dasein gegeben, dass wir nur leben sollen, um zu essen, sondern dass wir uns im Geiste vervollkommnen sollen und sollen daher nur des dazu nötigen Leibeslebens wegen essen mit gutem Ziel und gerechtem Maß, aber nicht dies alleinige Scheinleben darum haben, um zu essen ebenfalls die besten und edelsten Früchte der Erde ohne Ziel und ohne Maß!
[2.249.6] Lasse es dich daher nicht gelüsten nach jenen edleren Früchten, die da die Tische deiner Gäste zieren, sondern bleibe dankbarst bei dem, was uns der Herr beschert hatte!“
[2.249.7] Diese Rede machte den Lamech alsogleich vollends zufrieden mit dem, was da war auf seinem Tisch, und er ließ sich’s recht gut schmecken.
[2.249.8] Als aber alles also recht fröhlich und munter aß und trank, da erhob sich vor der Türe des Thronsaales ein Wortstreit, der aber immer heftiger zu werden drohte.
[2.249.9] Der Lamech aber stand auf und ging nachzusehen, was da etwa vor sich gehe.
[2.249.10] Als er aber sogestaltet an die Türe kam, siehe, da ersah er alsobald mehrere Arme, welchen einige derbe Diener Lamechs den Eintritt darum verweigerten, indem sie zu spät gekommen wären und es sich jetzt nicht gezieme, in den Saal zu treten, da sich schon die hohe Herrschaft im selben befinde.
[2.249.11] Da der Lamech aber solchen Unfug von Seiten seiner Diener sah, da ergrimmte er beinahe und sagte zu den Dienern: „O ihr arge Schlangenbrut! Dankt Gott dem Herrn, dass Er jetzt meinen gerechten Zorn im Zaum hält! Wahrlich, für diese eure Tat wäre sonst wohl das tiefste aller meiner Gefängnisse auf die Zeit eures ganzen Lebens euer Teil geworden!
[2.249.12] Seid ihr meine Diener, so harret auf mein Geheiß, und tuet dann danach also, wie es euer Vorstand, der Brudal tat; aber ferne bleibe von euch alle Eigenmächtigkeit!
[2.249.13] Gott ist nun mein und euer alleiniger Herr; dieser aber hat euch sicher nicht beheissen, die Armen abzuhalten von mir! Also habt ihr blind eigenmächtig gehandelt!
[2.249.14] Ich sage euch aber nun zum letzten Mal, dies sei eure letzte Eigenmacht! Noch einmal solches von euch getan, und ihr sollt nackt von mir in die ödeste Wüste hinausgestoßen werden!
[2.249.15] Jetzt aber geht in euer Gemach, und bereut eure Tat, damit sie euch Gott vergebe!
[2.249.16] Ihr, meine armen Brüder, aber kommt mit mir, und stärkt euch im Saal mit Speise und Trank!“
[2.249.17] Einer aber unter den zehn Armen sah gar kläglich aus, denn er war beinahe zur Hälfte nackt; diesem verwehrten die Diener auch am meisten den Eintritt.
[2.249.18] Als aber der Lamech diesen ersah, ward er zu Tränen gerührt und sagte zu ihm: „O du mein armer Bruder du, komme her in meine Arme! Sicher bist du durch mich arm geworden! Wahrlich, du sollst aber an meiner Seite durch die Gnade des Herrn der Reichste werden! Komme also mit mir an meinen Tisch!“
[2.249.19] Der Arme aber sagte zum Lamech: „O gerechter König, ich will dir ja folgen; aber nur die Diener, die mich misshandeln wollten, lasse nicht in deiner Ungnade, sondern vergebe es ihnen so ganz und gar, wie ich es ihnen von ganzem Herzen vergeben habe!“
[2.249.20] Diese Worte des Armen brachen dem Lamech völlig das Herz, dass er weinte; er sandte auch alsbald einen anderen Diener hin und ließ den harten Dienern ihre Freiheit verkünden. Lamech aber begab sich mit seinem Armen alsbald in den Saal und räumte demselben seinen Sitz ein.
[2.249.21] Es kamen aber nun auch die harten Diener, ganz erweicht, und fielen dankbarst vor Lamech nieder. Lamech aber hob sie alsbald mit seinen Händen auf und begrüßte sie als Brüder.
[2.249.22] Der Arme aber stand auf, ward gerührt bis zu Tränen, umarmte den Lamech und sagte dann zu ihm:
[2.249.23] „Lamech, jetzt hat dich das ewige Leben umfangen, und Ich, dein Gott und dein Herr, will dir nicht nur ein Vater, sondern auch ein wahrer Bruder sein! Also werde Ich diese Erde bewohnen ewig!“
[2.249.24] Hier erkannten alle den Herrn in dem armen Bruder.
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