Über die drei Anstände: Den Walfisch des Propheten Jonas, über den Menschen ohne das hochzeitliche Kleid bei der von Mir veranstalteten Mahlzeit, und über den flüchtigen Jüngling bei der Gelegenheit Meiner Gefangennehmung am Ölberg im Garten Gethsemane.
- Was den Walfisch betrifft, so hat es damit sowohl seine naturhistorische als auch geistige Richtigkeit; denn es muss da sowohl das eine als das andere richtig sein, da ohne diese Richtigkeit oder ohne die naturhistorische Unterlage das Geistige keine Entsprechung hätte.
- Um aber den naturmäßigen Teil zu verstehen, muss man wissen, dass es in jener Zeit, besonders in dem Mittelmeer, eine Art Riesenfische gegeben hat, die von einigen, namentlich den Ägyptern, den Namen Leviathan und bei den Altgriechen zu den Zeiten des bekannten Schriftstellers Herodot den Namen Phalos hatten. Diese Fischgattung, von welcher auch im Buch Hiob die Rede ist, ist bald nach dem Durchbruch des Meeres (bei Gibraltar) verschwunden und dann im Atlantischen Ozean durch dessen gewaltige Meeresströmungen nach Süden hin verschleppt worden, wo sie dann zum größten Teil in den kalten Gewässern gleich anderen großen Festlandstieren vollends zugrunde gegangen ist.
- Sie hatten fürs Erste einen ungeheuer großen Rachen, welcher mit ihrem ebenso großen Magen durch eine weite Öffnung verbunden war. Sie hatten keine Zähne, auch keine Zunge, aber dafür gleich den heutigen Nordwalfischen eine große Anzahl Finnen, die bei einem vollkommen ausgewachsenen Phalos nicht selten eine Länge von zwei bis drei Klaftern hatten und dem Riesenfisch dazu dienten, wie dem Elefanten sein Rüssel.
- Sie ergriffen mit diesen Finnen ihre Nährbeute und schoben sie ganz unbeschädigt in ihren großen Magen hinein, der kein Wasser enthielt, sondern an den inneren Wänden eine Art Saft ausschwitzte, der nach einigen Tagen die in diesem Magen noch lebende Fraßbeute aufzulösen begann und sie nach und nach völlig zerstörte.
- Zur Fluchtergreifung dieses Riesenfisches, der auch ein Säugetier war, lebendige Junge zur Welt warf und gleich dem gegenwärtig nördlichen Walfisch atmen und sich häufig auf der Meeresoberfläche erhalten musste, um nicht zu ersticken, diente die große Menge von auch sehr riesigen Haifischen, die früher im Nordmittelmeer lebten, sich aber beim Durchbruch der euch schon bekannten Deukalischen Landenge, aus der demnach die jetzige Meerenge von Konstantinopel und der Dardanellen entstanden ist, in dem gegenwärtigen Mittelländischen Meer eingebürgert haben. Diese großartigen Meereshechte fingen an, eine starke Jagd auf die großen Phalosse zu machen, bissen ihnen die Finnen ab und auch die anderen nicht unbedeutenden Extremitäten, zu denen besonders die großen Brüste [gehörten], wie auch die zu beiden Seiten dieser Brüste, einer Menschenhand nicht unähnlichen riesigen Schwimmflossen.
- Diese Extremitäten konnten die Haifische zu ihrer Nahrung recht gut brauchen, und die Phalosse ergriffen denn auch stets mehr und mehr die Flucht und gehörten in dem Mittelmeer stets mehr zu einer seltenen Erscheinung, und zu Jonas Zeit waren in dem benannten Meer kaum mehr ein paar hundert Stück noch zu Hause. Und Jonas, als er bei sehr unruhig gewordenem Meer über Bord geworfen wurde, hatte noch – durch Meine Zulassung – das Glück, von einem solchen Phalos verschlungen zu werden und darauf drei Tage in dessen Magen zuzubringen. Und Ich ließ es ferner aber auch zu, dass eben dieser Phalos, von Haifischen verfolgt, seine Zuflucht an ein asiatisches niedriges Ufer nahm und bei dieser Gelegenheit sich seiner im Magen liegenden Speise entledigte – was auch eine Eigenschaft dieser Riesenfische war, dass sie nämlich ans Land stiegen, wenn sie im Wasser eine große Gefahr witterten, und ihre Jungen, die sie gewöhnlich an einem seichten Meeresufer hegten und pflegten, gewisserart besuchten und sie mit Nahrung entweder aus ihren Brüsten oder auch mit einer schon in dem Magen befindlichen, aber noch lebenden Fraßbeute versahen. Denn sie ließen ihre Jungen nicht eher in das tiefere Meer, als bis diese die gewisse Größe, Kraft und Stärke erreicht hatten.
- Bei dieser Gelegenheit kam denn auch unser Jonas an die asiatische Küste, und als er von dem Phalos aus dem vorangezeigten Grund an das seichte Ufer ausgespien wurde, so raffte er sich schnell zusammen, floh vollends ans Land, wohin ihn weder der alte Phalos noch eines von seinen vier Jungen weiter verfolgen konnten.
- Da habt ihr also die natürliche Sache dargestellt, wie sie zu jener Zeit war – und jetzt und auch seit gar lange her nicht mehr ist.
- In den vormaligen Museen, besonders zu Alexandria, fanden sich noch Überreste von Rippen dieses einstigen Riesenfisches vor, sind aber in der späteren Zeit ebenso wie die Bücher von den Sarazenen zerstört worden. Etliche wenige Stücke befinden sich aber noch heutigentags in London wie auch in Paris vor, und man hält sie für Gerippe von einstigen überaus riesigen entweder Land- oder Wassertieren; jedoch mehr für aus dem Wasserreich herstammend, weil man sie gewöhnlich hie und da an den sandigen Strecken in der Nähe des Meeres auffindet. Eine Hauptrippe eines solch ausgewachsenen Phalos hatte nicht selten eine Länge von fünf bis sieben Klaftern und eine Schwere von zwanzig bis dreißig Zentnern. Gegenwärtig ist, wie gesagt, diese Riesenfischgattung gleich den anderen großen Landtieren gänzlich ausgestorben, und es findet sich seit nahe dreitausend Jahren kein lebendes Stück mehr vor.
- Man verstehe unter Phalos oder Leviathan ja etwa nicht den gewissen Kraken, der dann und wann im Altantischen Ozean – besonders in der Gegend, in der vor der allgemeinen, euch bekanntgegebenen Flutung die Inselreihe Westafrikas bis an die östliche Spitze des heutigen Brasilien in einer ziemlich geraden Linie sich hinzog und wo sich heutzutage noch in dieser Richtung große und weitgedehnte Sandbänke vorfinden – zum Vorschein kommt und kleineren Schiffen nicht selten gefährlich wird.
- Dieser Kraken ist durchaus kein Fisch, sondern nur ein großartigster Meerespolyp, der sich aus den im Meer befindlichen Sandbänken und ihrem Schlammgehalt gleich den anderen Polypen entwickelt und so lange am Grund des Meeres festsitzt, bis er nicht durch irgendeine unterseeische Meereseruption an die Oberfläche des Meeres gebracht wird und dann nicht selten einer schwimmenden kleinen Insel gleicht.
- Mit dem nach der Bibel schwer zu glaubenden Walfisch des Mittelländischen Meeres wären wir somit zu Ende. Alles Weitere über diesen Propheten kann jeder in der Bibel finden. Und so gehen wir nun zu dem Menschen ohne hochzeitliches Kleid beim Gastmahl über.
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