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54. Auslegung von Matthäus 6,34 – 18. September 1842 [Supplemente 1883]

  1. „Darum seid nicht besorgt für den morgenden Tag, denn der morgende Tag wird besorgt sein für das Seine. Genug, dass jeder Tag seine eigene Plage habe.“ (Mat. 6,34) Also schreibe! Dieser Text hat zwar zunächst nur eine natürliche Bedeutung; aber dessen ungeachtet hat er dennoch einen tiefen himmlisch-geistigen Sinn, also wie jedes Wort, das aus Meinem Munde geflossen ist, da er auch aus Meinem Munde kam.
  2. Was sonach dieser über alles zu beachtende Text in der natürlichen Hinsicht besagt, das lehrt dessen Buchstabensinn. Was er aber in himmlisch-geistiger Weise fasst, das ist endlos groß, und es wird euren Geist eine tüchtige Anstrengung kosten, nur den kleinsten Teil desselben halbwegs zu erfassen.
  3. Ihr werdet sagen: Wie kann solches wohl möglich sein? Denn wir haben ja doch schon manches Schwere begriffen; wie sollte denn gerade das also unbegreiflich sein?! – Ich aber sage: Nur Geduld! Einige kleine anspielende Proben werden euch davon alsogleich überzeugen, wie schwer der himmlische geistige Sinn dieses Textes zu erfassen ist für jene, welche noch nicht völlig in dem Himmel sind.
  4. Es gibt zwar noch viele solche Texte, aber dieser gehört zu den schwersten, weil er pur die allerhöchste Weisheit zum Grunde hat. Also zur Probe:
  5. „Sorgt nicht!“ heißt so viel als: Weissagt nicht. „Für den morgigen Tag“ heißt: für die allerhöchste Weisheit des ewigen Geistes aus Gott. „Denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“, das heißt: diese Weisheit benötigt keines Helfers. „Es ist genug, dass ein jeder Tag seine Plage hat“, das heißt: Es genügt euch, dass da jedem mit der Liebe zum Vater erfüllten Geist ein wohlgemessener Teil der Weisheit nach der Stärke seiner Liebe gegeben ist!
  6. Solches aber ist der leichter zu fassende Sinn. Aber hört nun einen anderen, der also lautet: Kümmert euch nicht um die Fülle künftiger Ewigkeiten, denn sie sind schon erfüllt in Meinem Geiste; es ist genug, dass vor euren Augen die Gegenwart unendlich ist.
  7. Seht, dieser Sinn ist schon schwerer zu fassen in seiner Fülle. Wir wollen aber die Bedeutungen noch tiefer verfolgen; und so achtet ferner, was alles der Text besagt.
  8. Solches aber besagt er ferner: Die Liebe trage keinen Kummer um die Weisheit; es ist genug, dass sich die höchste Weisheit um die Liebe kümmert, denn die Liebe ist ja der Grund aller Weisheit. Seht, das ist schon wieder schwerer zu fassen in der innersten Tiefe.
  9. Ferner: Das Leben frage nicht nach dem Tag des Todes, denn der Tod sorgt schon für seinen Tag; euch aber genüge der Tag des Lebens. Seht, das ist schon wieder um vieles tiefer!
  10. Wir aber wollen noch tiefer dringen, und da lautet es: Brennet nicht am Tag das Öl in der Lampe, denn der Tag hat seine Leuchte; aber in der Nacht lasst das Öl nicht ausgehen und plagt euer Herz mit dem Schimmer der Lampe, damit in selbem nicht ausgeht die Leuchte zum Tag des Lebens. Seht, um wie vieles tiefer und schwerer schon wieder dieser Sinn liegt!
  11. Aber gehen wir nur noch etwas weiter, es wird schon noch besser kommen. Und also heißt es ferner: Ein freies Wort suche nicht sein Wesen, denn Wort und Wesen sind Eins; es ist aber ja ohnehin jedem Wort sein Wesen eigen! Versteht ihr solches in der Fülle?! Solches wird wohl schwerhalten!
  12. Aber hört nur noch weiter. Eine Gabe ist gerecht, wenn der Geber ein weiser Geber ist, seid daher nicht um die Gabe, sondern um den Geber besorgt; denn durch den Geber wird die Gabe geheiligt. Seht, das ist schon wieder um vieles tiefer!
  13. Ich will euch aber noch einen tieferen Sinn geben, damit ihr daraus die endlose Tiefe erschaut, welche in diesem Text steckt; und so vernehmt denn noch, denn also lautet es ferner: Wollt nicht Richter sein am großen Rad der Unendlichkeit, denn es ist genug, dass da ein ewiger Richter ist; euch aber ist gegeben ein eigenes Rad – seht, dass dieses im Geleise des Lebens verbleibt!
  14. Seht, also birgt bei solchen Texten immer ein Sinn den anderen ins Unendliche fort, und jeder enthüllte Sinn hat wieder in sich, das heißt an und für sich wieder Unendliches. Darum kann ein solcher Text mit Recht schwer fasslich genannt werden, weil dessen Fülle unendlich ist.
  15. Daraus aber kann auch eben die reine Göttlichkeit und die große Wichtigkeit solcher Texte erkannt werden, wenn sie solch Unendliches in sich bergen.
  16. Aus dem Grunde sollt ihr auch nicht die leichten Texte für leicht nehmen; denn je offener der Buchstabensinn sich ausspricht, desto tiefer liegt der geistig-himmlische Sinn. Daher sollen solche Texte aber auch sorglichst selbst dem Buchstabensinn nach beobachtet werden, damit durch sie der Geist lebendig werde für die Tiefen der Himmel. Solches bedenkt überaus wohl – und Wer Der ist, der euch solches rät durch den Knecht! Amen.

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