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52. Erklärung verschiedener kleiner aber wichtiger Schrifttexte (Fortsetzung) – 18. August 1842 [Supplemente 1883]

  1. „Wenn du fastest, da salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht, auf dass du nicht prunkst vor den Leuten mit deinem Fasten.“ (Mat. 6,17) Dieser vielsagende Vers taugt ebenfalls ganz besonders für diese Zeit, in der die Gleißnerei aller Art den höchsten Gipfel erklommen hat. Einige laufen in die Kirchen, bloß nur um als fromme Menschen gesehen zu werden und dass sie darum bei einem oder dem anderen Geistlichen so recht in die Gnade kommen möchten, andere, um in der Kirche ein wenig faulenzen zu können, wieder andere, um allda in irgendeinem Kirchenwinkel mit ihren bestellten Liebhabern zusammenzukommen und sich da über eine oder die andere vorhabende Gelegenheit zu sündigen gegenseitig zu verständigen. Andere wieder, um mit einem Nachbarn oder einer Nachbarin die Menschen auszurichten oder zu sehen, mit was für Kleidern dieser und jener oder diese und jene angetan sind. Ein anderer geht wieder wegen seiner frömmelnden Anverwandten, um sich dadurch bei ihnen recht in die Achtung zu setzen, damit sie ihn lobten und ihn manchmal auch beschenkten. Mancher geht in die Kirche, um dadurch so manchem argen Verdacht, der auf ihm rastet, zu begegnen. Der Beste geht ebenfalls mit einem halben Glauben, besser Aberglauben, in das Bethaus, um sich zwar seltener von Mir, aber dennoch von irgendeinem Heiligen einen zeitlichen Vorteil zu erbitten; aber keiner, dass er Mir die Ehre gebe!
  2. Ja, es gibt noch manche Rücksichten, warum die Menschen in die Bethäuser rennen; nur Ich bin dabei am allerwenigsten der Grund, darum die Menschen in die Bethäuser laufen. Siehe, das sind lauter ungewaschene Faster und haben kein gesalbtes Haupt! Also fasten die Menschen auch nur aus Furcht vor Rom, aber nur aus Liebe zu Mir mag niemand fasten weder in einem noch im anderen. Niemand will sich wahrhaft verleugnen, das Kreuz auf seine Schulter nehmen und Mir nachfolgen. Es will ein jeder nur scheinen, aber nicht sein, darum – da zum Weltdienst ja auch der Schein genügt. Wozu denn also das beschwerliche Sein?! Wozu die Salbung des Hauptes, und wozu die Waschung des Angesichtes? Denn der Welt genügt ja der Schein! Ich bin ja ohnehin der Niemand dabei! Doch es wird gar bald für jedermann die Zeit kommen, da die Ungewaschenen und Ungesalbten werden wie Spreu vom Weizen gesondert werden. Da wird der Schein von ihnen weichen, und in ihrer Nacktheit werden sie ins Feuer des Drachen geworfen werden. Versteht solches wohl!!!
  3. „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!“ (Mat. 7,1) Ich meine, dieser Verstext steht jetzt mit so manchen anderen gerade also im Buch des Lichtes und des Lebens wie ein fünftes Rad am Wagen! Wer dieses etwa übertrieben finden sollte, der beliebe nur die Millionen Weltgesetze und Verordnungen durchzugehen und dann noch die gegenseitigen bürgerlichen Rücksichten, was alles vor den Weltgerichten abgehandelt, beurteilt und verurteilt werden kann und sogar, politisch genommen, muss, – so wird ihm das fünfte Rad am Wagen so klar werden wie die Sonne am hellen Mittag. Anderer gegenseitig richterlicher Rücksichten nicht zu gedenken, da ein Mensch dem anderen ein steter Richter ist! Soll Ich etwa darum solche fünften Wagenräder von den Texten aus der Schrift löschen? O nein, das wird nicht geschehen; eher sollen Himmel und Erde vergehen, ehe Ich nur ein Häkchen auslösche der Bosheit der Menschen wegen! Es werden aber eben solche Texte dereinst die Menschheit richten und werden ihr verrammen den Weg zum Leben; daher nichts mehr weiter von dem fünften Rad!
  4. „An der Frucht erkennt man den Baum.“ (Mat. 12,33) Auch dieser Text gehört jetzt schon mehr in das Reich des fünften Rades am Wagen. Du sagst: Wieso denn? — So höre denn, es ist allerdings wahr, dass man den Baum nur an der Frucht erkennt, ob er ein guter oder ein arger Baum ist. Sage Mir aber, woraus man denn einen solchen Baum erkennt, der da dumm ist und keine Früchte trägt? Oho, wie bist du denn jetzt um eine Antwort verlegen?! Siehe, ein Baum lässt sich ja auch aus den Blättern erkennen; denn also erkannte Ich Selbst den fruchtlosen Feigenbaum, welcher da der einzige war, den Ich verflucht habe, weil er gar keine Früchte trug denn allein die des Schweines [Scheines] zur Speise der Würmer und des Moders der Erde! Siehe, auf diesem Baum steht mit eherner Schrift geschrieben das Los der jetzt lebenden lauen, fruchtlosen Menschheit! Versteht alle solches!
  5. „Wessen das Herz voll ist, davon geht der Mund über.“ (Mat. 12,34; Luk. 6,45) Siehe, das ist der wahre Richter. Nur fragt es sich auch hier in dieser Zeit: Von was geht denn der Mund dann über, wenn das Herz ganz leer ist zufolge der großen Lauheit der Menschen, die sogar zum Sündigen zu träge – durch das frühere zu fleißige Sündigen – geworden sind, geschweige, dass sie etwa dazu gar noch gute Früchte tragen sollen! Es heißt auch: Nach deinen Werken wirst du gerichtet werden. – Das ist einerlei; wie wird denn bei denen das Gericht dann ausfallen, die gar keine Werke haben? Ich sage dir: Alles nach dem Schein auf die Art des oben angeführten Feigenbaumes, denn was tot ist, das ist ja auch schon gerichtet, es braucht da nichts als eines Fluches zur Vertilgung der Schmarotzerpflanzen auf den edlen Fruchtbäumen! Verstehst du solches? O ja, du verstehst es!
  6. „Ein jeglicher Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorträgt.“ (Mat. 13,52) Warum denn? Weil es schon also von Ewigkeit her in Meiner Ordnung gegründet ist, dass da schon aus jeglichem Samenkorn sowohl eine frische Frucht wie ebenfalls wieder derselbe Same, wie er zuvor in die Erde gesät wurde, zum Vorschein kommt, und ohne den älteren Baum keine neue Frucht denkbar ist. Wenn irgendetwas entstehen soll, so muss ja doch ein Grund vorhanden sein. Also ist auch ein älteres Wort der Grund zu einem neueren und eine ältere Lehre der Grund zu einer neuen, wie das Vorleben ist ein Grund des Nachlebens. Solches also fasse; denn darnach wird Mein Wort beurteilt in seiner Wahrheitsfülle, ob es hat den wahren alten Grund! Verstehst du solches? Ja, solches musst du vorerst am meisten verstehen!
  7. „Die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geiste und in der Wahrheit.“ (Joh. 4,23) Das heißt, lebendig durch die Werke der Liebe! Denn niemand kann sagen: Vater unser, so er durch die Werke der Nächstenliebe nicht offen aus seinem Herzen dartut, dass er alle Menschen als seine Brüder und Schwestern ansieht. Wer aber demnach die Werke der Liebe tut, der ist es, der da im Geiste und in der Wahrheit den Vater anbetet. Versteht solches gar wohl und gar lebendig tief!
  8. „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ (2. Kor. 3,6) Das heißt, es nützt dir kein Wissen und kein Glauben ohne Tat! Was nützt einem Hungrigen ein Speisezettel! Ein Stück ordinärsten Brotes wiegt für ihn eine ganze Bibliothek voll der reichhaltigsten Speisezettel und Kochbücher auf! Daher hängt das Leben nur am Werk selbst, nicht aber an der leeren Erkenntnis des Wortes. Solches also besagt dieser Vers!
  9. „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh. 8,32) Wie und wann denn? Wenn sie wird ein lebendiges Licht in eurem Herzen, welches dem Feuer der lebendig tätigen Liebe entflammt! Und dieses Licht kann auch nur allein mit dem vollsten Recht Wahrheit genannt werden; sonst aber gleicht jede mit dem Verstand begriffene Wahrheit einer gemalten Frucht, die wohl recht schön fürs Auge ist, aber für einen hungrigen Magen ist sie eine pure Fopperei und so gut wie eine barste Lüge. Versteht es!

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