Um solcherlei Verse zu verstehen, muss man vorerst wissen, was unter David im Verlaufe von dessen Psalmen verstanden wird. Denn solange jemand hinter dem David nichts als einen König des Altertums, welcher Psalmen schrieb, versteht, so lange ist auch vom Verstehen solcher Texte durchaus nicht die allerleiseste Rede.
So aber da jemand versteht dem geistigen Sinn nach, was da ist der David, der versteht auch, was da besagt Sichem, das Tal Suchot, Gilead, Manasse, Ephraim, Moab, Edom und Philistäa.
So lasst uns denn sehen, was hinter dem David steckt!
Seht, Meine lieben Kindlein, hinter dem David steckt nichts mehr und nichts weniger als Ich Selbst. Nun habt ihr schon einen Schlüssel. Wie ist aber dieses zu verstehen, dass der David zugleich ein Mensch ist wie ein jeder andere, welcher aus Seele und Leib zusammengesetzt ist, – und wie ist er demnach auch Ich, da er doch vor Mir gesündigt hat?
So hört denn, und wir wollen sehen, auf welche Weise Ich und der David Eins werden; denn in diesen Versen redet doch offenbar der David zu Gott – und Gott zu David.
Seht und merkt nun wohl: Unter dem Gesichtspunkt Davids wird verstanden die herniedersteigende Liebe Gottes, und unter Gott wird verstanden die endlose Weisheit des Geistes.
Da ihr nun solches wisst, so wird es nicht mehr schwer sein zu verstehen, was der achte Vers des 60. Psalms besagt, der da lautet: Gott redet in Seinem Heiligtum – oder Gott redet in Seiner Liebe und nicht in Seiner Weisheit, sondern die Weisheit in Seiner Liebe; des bin Ich froh und will zerteilen und nicht allzu sehr beachten die Weisheit, welche verstanden wird unter Sichem, aber dafür will Ich wohl abmessen das Tal Suchot oder die wahre Demut und die reine Liebe aus ihr; des bin Ich froh. – Es wird kaum nötig sein zu erwähnen, wer da unter dem Ich verstanden wird, der da froh ist, oder voll der Liebe, und warum? Wegen der Einung der unendlichen Weisheit mit der ebenso unendlichen Liebe durch die Erbarmung Gottes.
Da ihr nun den achten Vers sicher versteht, so werdet ihr auch nicht minder den folgenden neunten verstehen, welcher nur eine Zergliederung des ersten ist, gleichwie auch der zehnte und der elfte es ist. Seht, da Suchot die Demut besagt und ihr zufolge die Liebe, in der Liebe aber die Weisheit nun als vollkommen Eins wohnt, so wird ja etwa doch Gilead wie Manasse Mein sein, – Gilead, die Weisheit oder das Licht, welches wandelbar ist und unstet, und Manasse das ewig Bleibende.
Ephraim ist die Macht Meines Hauptes, und Juda Mein Fürst. – Seht, so ihr dieses buchstäblich nehmen möchtet, so käme da der größte Unsinn heraus, weil dadurch der David fürs Erste einen ganzen jüdischen Urstamm, fürs Zweite ein gleichnamiges Land und fürs Dritte eine gleichnamige Stadt hätte müssen entweder in seinem Kopf oder auf seinem Kopf herumtragen und dazu noch mit aller Kriegsrüstung wohl versehen. Dessen ungeachtet aber wäre der also mächtige König David dennoch dem Fürsten Juda untertänig, darum er spricht: Juda ist mein Fürst, was ebenso viel besagt als: Juda ist mein Herr. – Seht ihr nun schon ein wenig ein, welcher Unsinn da aus dem bloßen Buchstabensinn herauswachsen möchte, so da nicht ein pur geistiger Sinn zugrunde läge?
Da aber Gilead Mein ist und Manasse Mein, da ist Ephraim als das Licht der Liebe freilich wohl die Macht aller Weisheit, welche ist Mein Haupt, und Juda wahrhaft ein Fürst in Mir, welches da ist der Liebe lebendiges Wort von Ewigkeit her, durch welches alle Dinge erschaffen worden sind, und welches da durch den David mächtig sich über die Erde zu ergießen anfing. Seht, Meine lieben Kindlein, ob dieser Vers, besonders von Ephraim angefangen, nicht einen viel weiseren Sinn hat, als wie er dem Äußeren nach im Buchstaben erscheint?
Also wird auch im zehnten Vers unter Moab die demütigste Liebe, welche ist gleich der Reue im menschlichen Herzen, allhier zu einem Waschtopf; und der Schuh, welcher ist das naturmäßige Welttümliche, wird über Edom gestreckt, welches ist die Nacht des Todes. Und Philistäa jauchzet zu Mir, oder die geläuterte Liebe wird Eins mit Mir. So aber die geläuterte Liebe nun Eins ist mit dem Licht und hat dasselbe in sich eingeschlossen, welches ist der alleinige Führer aller Dinge, so ist hier im elften Vers eine scheinbare Frage gestellt, darum das Licht in der Liebe verschlossen ist, nämlich: Wer will Mich führen in eine feste Stadt? Und wer geleitet Mich bis nach Edom? Allein in dieser scheinbaren Frage liegt schon die Antwort offenkundig da, so ihr unter Wer Meine Liebe und unter Mich die Weisheit und unter der festen Stadt ein wohl zubereitetes Herz versteht, und unter Edom aber ein Herz, welches voll angestopft ist von Weltlichem und somit auch mit allem, welches ist des Todes.
Wie es sich aber verhält mit der Frage des elften Verses, gerade also verhält es sich mit der mehr erklärenden Frage des zwölften Verses, nämlich: Wirst Du es nicht tun, Gott, der Du uns verstoßest, und ziehest nicht aus, Gott, auf unser Heer? Welches auf verständlich Deutsch so viel besagt als: Du Licht der Liebe wirst Mich führen zur Zeit, da Ich herniedersteigen werde zur Erde; Du wirst zwar nicht ausziehen auf der Macht des Lichtes, sondern auf unser Heer wirst Du ausziehen, welches ist die Macht der ewigen Liebe.
Damit ihr aber dieses recht innerlich versteht, so mache Ich euch darauf aufmerksam, dass so von der göttlichen Weisheit die Rede ist, diese allezeit, wenn sie für sich allein dargestellt wird, in der einfachen Zahl genannt wird. Die göttliche Liebe aber wird darum häufig in der vielfachen Zahl genannt, weil alles, was da ist in der ganzen Unendlichkeit und Ewigkeit, aus Ihr hervorgegangen ist.
So ihr nun das Vorhergehende versteht, so wird es nicht schwerhalten, die gleichlautenden letzten zwei Verse zu verstehen, welche nichts als eine lebendig demütige Wiederholung des Früheren sind und also lauten: Schaffe uns Beistand in der Not – oder: Du ewiges Licht, sei und bleibe der ewige Führer deiner Liebe, denn Menschenhilfe ist kein nütze, oder: Die Liebe taugt nicht allein für sich, da jegliche Liebe ohne das heilige Licht nur eine pure, sich selbst verzehrende Eigenliebe ist.
Daher lasse, Gott, die Liebe durch Dich alle Taten verrichten, so wird die Finsternis als der größte Feind des Lebens auf ewig unterjocht werden. Solches ist aber der Liebe Feind, dass sie blind ist ohne Gott. Mit Gott oder mit dem ewigen Licht vereinigt aber ist sie die allerhöchste Macht, Kraft und Gewalt, welcher die ganze Unendlichkeit auf den allerleisesten Wink ewig gehorchen muss.
Schließlich sage Ich euch noch hinzu, dass diese enthüllten Verse eine doppelte Beziehung haben, und zwar gerade also, wie sie sich beziehen auf Mich, also auch beziehen sie sich auf jeden einzelnen Menschen. Erfasst sie daher recht tief, ja allertiefst in euren Herzen, so wird euch ein großes Licht in der Nacht eures Herzens werden. Amen.
Meine Gnade, Liebe und Erbarmung mit euch allen! Amen.
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