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173. Die Macht im Schwachen. Eine kleine Gleichnisgeschichte – 31. Mai 1847

  1. Es war dereinst eine Witwe, der drei Männer im Verlaufe von kurzen Zeitfristen gestorben waren. Als sie zum dritten Mal Witwe ward, da überlegte sie bei sich tief trauernden Herzens, was sie tun solle: ob sie noch einen Mann nehmen solle, so man zum vierten Mal um sie werben sollte?
  2. Sieben Tage lang überlegte sie diese Sache. Am achten Tag aber siegte ihr Herz über ihre Gedanken, und sie sprach zu sich: „Ich habe nun die Überzeugung in mir gefunden, dass, so ich mir den vierten Mann nehme, auch dieser sterben würde in der Bälde, denn ich bin zu sehr mit weiblichen Reizen ausgestattet und diese bringen jedem Mann den Tod. Daher will ich nun Witwe verbleiben bis an mein Lebensende, und kein Mann soll mehr den Tod in meinen Reizen finden! Also beschlossen und also getan muss es sein! Denn ich sehe, dass ich für die Männer nicht geschaffen bin.“
  3. Am neunten Tag nach solchem festen Beschluss aber kam ein Freier und warb um ihre Hand. Und die Witwe gedachte ihres Beschlusses und sprach zu dem Werber: „Freund, was willst du von mir? Soll ich auch dir den Tod geben? Hast du denn nicht gehört, wie bald die drei, denen ich Weib war, gestorben sind, da sie meinen Reizen nicht widerstehen konnten – und alle waren Männer von großer Stärke?! Du aber bist ein Schwächling und willst mich zum Weib! Wirst du nicht schon in den ersten Tagen unter meinen Reizen als ein Opfer deiner Schwäche fallen?!“
  4. Aber der schwache Bewerber um die Hand der Witwe sprach mit gemessenen Worten: „Schönstes Weib! Wohl weiß ich das Schicksal der drei Männer, denen du ein Weib warst und von denen du eine dreifache Witwe bist. Aber siehe, nicht von der Art dieser deiner drei früheren Männer bin ich. Mir werden deine Reize nichts anhaben, denn ich kenne mich ebenso gut, wie du dich selbst kennst! Was deinen früheren Männern zum Tode gereichte, das wird mir zum Leben gereichen! Und du sollst nicht verantwortlich sein, so ich auch stürbe an deiner Seite. Wohl aber sage ich dir: Siehe, ich werde deinen Leichnam eher ins Grab legen, als du den meinigen! Versuche es nur, und du wirst dich überzeugen, dass ich, als der „Schwache“, am Ende dennoch stärker sein werde als du und deine drei ersten, aber nun im Grab modernden Männer, die an deinen Reizen den Tod fanden.“
  5. Als die Witwe solches von dem schwachen Mann vernommen, wurde sie erbost in ihrem Herzen und sprach zum schwachen Bewerber: „Wohl denn, weil auch du ein Feind deines Lebens bist, so nimm hier meine Hand – und stirb! Ich bin nun dein Weib, dein Tod!“
  6. Und der Mann nahm der Witwe Hand, drückte sie an sein Herz und sprach: „Ich habe gesiegt! Wohl ist Tod in dir, dein Blut ist Gift und Pest dein Hauch und dein Fleisch wie das der Nattern. Aber doch sollst du mir nicht den Tod geben!“
  7. Als die Ehe ein Jahr gedauert hatte, ward das Weib zum ersten Mal gesegnet und verwunderte sich darob, dass der Schwache solches vermochte, was die drei früheren nicht vermocht hatten, da sie allezeit eben daran starben.
  8. So kam auch das zweite Jahr, und wieder war das Weib gesegnet; und das dritte und das vierte Jahr, und jedes war neu gesegnet. Und das Weib staunte über ihres Mannes Kraft und Vermögen und ward schwach, krank und starb.
  9. Als sie aber dann zum Grab gebracht wurde, da ließ es der Mann nicht zu, dass sie begraben würde, sondern ließ den Sarg öffnen und legte seine Hand auf das Herz des Weibes. Und siehe, da fing es an, sich zu regen. Und sie richtete sich auf und ward wieder völlig lebend.
  10. Und der Mann sprach zum wiederbelebten Weib: „Siehst du nun, wie viel Kraft in dem ‚schwachen‘ Mann ist! Nicht nur stirbt er nicht und wird ewig nimmer sterben, sondern er kann auch die beleben, die schon gestorben an seiner Hand und seinem Herzen!“
  11. Da sprang das Weib aus dem Sarg und hüpfte und sprang vor Freude um ihren wunderkräftigen Mann und sprach: „Wer bist du, der du solches vermagst wie keiner vor dir?“
  12. Und der Mann sprach: „Ich bin das Alpha und Omega, den du, Welt, lange verkanntest! Aber eben Der, den du am Ende für nichts hieltest, ist es, der dir das wiedergab, was du vermisstest an denen, die zuvor deine Hand und dein Herz hatten und denen du zum Tode warst! Da du aber nun erwecket bist und wieder lebst und nimmer sterben wirst und hast aus Mir gezeugte lebendige Frucht zutage gefördert, so sollen auch die wieder leben, die an dir gestorben sind! Es werde!“
  13. Diese kleine Geschichte soll erst nach einiger Zeit näher enthüllt werden. Amen.

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