Am 22. November 1842
[2.196.1] Als sie bereits in der Residenz Lamechs angelangt waren, da kamen ihnen alle die Weiber und Mägde entgegen, fielen vor ihnen nieder auf die Knie und lobten mit verhüllten Angesichtern den Namen, der da gezeichnet war auf der steinernen Tafel, welche der Lamech trug.
[2.196.2] Der Kisehel aber sagte zum Sethlahem: „Bruder, siehe die Weiber! Nach deinem Wort in dir behandle sie!“
[2.196.3] Und der Sethlahem hieß alsbald die Weiber und Mägde erstehen und sagte dann noch weiteres zu ihnen:
[2.196.4] „Geht und bestellt ein gutes Mahl, lasst heute ein Lamm schlachten und es wohl zurichten für den neuen König, und ein gemästetes Kalb soll zubereitet werden für den neuen Bräutigam und für dessen Braut!
[2.196.5] Also auch sorgt für Brot und für edle Früchte, und es sollen nicht mangeln gute, reine Getränke!
[2.196.6] Also geht zum Speisemeister, und bestellt solches alles auf das Zierlichste! Amen.“
[2.196.7] Und die Weiber und die Mägde eilten und besorgten alles Anbefohlene genau.
[2.196.8] Als aber nach dem die ganze Gesellschaft in den großen Königssaal trat, da blieb der Lamech stehen und sagte zum Kisehel: „Großer, mächtigster Freund und vollends wahrster und gerechtester Gesandter des allmächtigen großen Gottes, siehe, mich erschaudert nun durch und durch der Anblick meines vorigen Gräuelherrscherthrones, und es tauchen wieder alle meine Gräuel in meiner Seele auf, wie da schwere Wetterwolken aus den großen Gewässern auftauchen in der schwülen Nacht.
[2.196.9] Wäre es denn dir nicht genehm, dass wir diesen vermeiden möchten und beziehen ein anderes großes Gemach, welches mir freundlicher vorkäme denn gerade dieses, allda ich mich als ein Gott habe förmlich anbeten lassen.
[2.196.10] Und habe von eben dem Thron, der von der armen Menschheit blutigen Tränen ist errichtet worden, auch noch dazu die allergrausamsten heimlichen und offenbaren Gebote gegeben!
[2.196.11] O Freund, wenn es dir darum genehm wäre, da möchte ich dich wohl aus allen meinen Kräften bitten, wie ich schon gesagt habe, ein anderes Gemach zu beziehen!“
[2.196.12] Und der Kisehel aber erwiderte dem Lamech und sagte: „Bruder, gerade das ist das allerpassendste Gemach dieses deines ganzen großen Palastes!
[2.196.13] Denn willst du ganz vollkommen genesen in deinem Herzen und deinem Geist, so musst du dein Herz auch vollends reinigen von allem alten Unrat; solches aber kann nur dadurch bewerkstelligt werden, dass dein Geist sich mehr und mehr entzündet und in seinem Feuer all den Unrat in deinem Herzen verzehrt.
[2.196.14] Wie aber kann wohl der Geist füglicher zur Entzündung gebracht werden als eben durch den Druck von allen Seiten, welcher durch die erwachte Gefühlslast deiner verübten Gräueltaten bewirkt wird?
[2.196.15] Nun aber merkst du eben in diesem Gemach diesen lästigen Druck, und das ist ja auch, was du dir am sehnlichsten wünschen sollst! Die argen Erinnerungen drücken dich, und das ist gut, denn eben dieser Druck wird dich frei machen.
[2.196.16] Siehe, was willst du denn tun? Kannst du das Geschehene ungeschehen machen? Kannst du dich je frei machen von deinen Taten? Ich sage dir, lieber Bruder, solches ist dir ewig unmöglich, solange du die Erinnerung deines Gefühls an dieselben fliehst!
[2.196.17] Nur eines kann dein Herz und sodann auch deinen Geist frei machen, und dieses Eine ist die Wahrheit!
[2.196.18] Diese musst du suchen in allem, so wird ihr Feuer den Unflat in dir verzehren, und du wirst dann freien Geistes einhergehen und in diesem freien Geiste erst dann vollends erkennen, was eigentlich die Sünde ist, und wie es dem Herrn ein Leichtes ist, dich endlich aller deiner Sünden zu entheben, und wäre ihre Zahl größer denn die des Grases auf der Erde und des Sandes im Meer!
[2.196.19] Also werden wir in diesem Gemach verbleiben und diese Tafel einstweilen auf dem festlich geschmückten Thron aufstellen zum Zeugnis, wessen in der Zukunft der eigentliche Herrscherthron sein soll.
[2.196.20] Und so denn trage die Tafel hin auf den Thron, und stelle sie dort auf; allda soll sie bis zur Vollendung des Tempels bleiben! Amen.“
[2.196.21] Und der Lamech stellte sich zufrieden und tat alsogleich, was ihm der Kisehel beheißen hatte, und lobte und pries darauf den heiligen Namen auf der Tafel.
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