[1.401208A.1] Was die Respirationsorgane bei den Pflanzen betrifft, so gibt es im Allgemeinen keine anderen als nur solche, deren in der letzten Mitteilung umständlich erwähnt wurde. Jedoch wie bei allen Dingen dieser Welt, mögen sie in ihren Extremen sich noch so unähnlich sein in ihrer Art als sie wollten, so gibt es aber doch zwischen allen diesen Dingen sich besonders annähernde Punkte, so zwar, dass dann niemand mehr recht weiß, wo die eine Klasse der Dinge eigentlich aufhört und eine andere anfängt.
[1.401208A.2] Dieses Ineinandergehen der Dinge werdet ihr nicht nur bemerken von einer Klasse zur anderen, sondern selbst auch bei Dingen einer und derselben Art, entweder bei Mineralien oder Pflanzen und Tieren. Denn seht, betrachtet einmal nur den Kalkstein, und ihr werdet in diesem schon die bedeutendsten Übergangs-Abstufungen gewahren, wo dieser Stein in den ersten Prinzipien seines Bestehens ein fester und harter Stein ist und nicht viel Unterschiedliches in dieser seiner Art von der Art des Kiesels hat. Von dieser seiner härtesten Form geht er über, bis er endlich so weich wird, dass zwischen ihm und einigermaßen nur gefesteter Lehmerde kein bedeutender Unterschied mehr ist. Und solche Annäherungen gibt es von einer Art zur anderen durchgehends bei allen Mineralien. Und diese Annäherung geschieht nicht nur speziell, sondern auch formell.
[1.401208A.3] Und wie es bei den Mineralien der Fall ist, so ist es auch bei den Pflanzen und Tieren. Betrachtet nun einmal die verschiedenen Gattungen des Apfelbaumes! Wer aber kann es bestimmen, wo diese Gattung der Bäume anfängt und wo sie aufhört? Ebenso werden euch die Menge Arten des Weinstockes auffallen müssen; aber wer weiß, wo der Weinstock anfängt und wo er aufhört? Und doch gibt es zwischen jeder Gattung, wie schon erwähnt, immerwährende Übergänge zu anderen. Und es steht da keine Gattung für sich allein so isoliert, dass sie nicht mit einer ihr vorhergehenden und ihr nachfolgenden in irgendeinem beschaffenheitlichen und eigenschaftlichen Zusammenhang stünde.
[1.401208A.4] Das eben auch ist der Fall bei den Tieren. Betrachtet nur einmal alle Rassen einer und derselben Art der Tiere – und wer kann behaupten und zeigen, wo eine Rasse anfängt, wo ihr Kulminationspunkt ist und wo sie aufhört?
[1.401208A.5] Nehmt z. B. den Hund und versucht zu bestimmen, wo dieses Geschlecht seinen Anfang nimmt und wo es aufhört, und bestimmt den Kulminationspunkt dieses Tieres und zeigt an, welcher Hund da am meisten Hund ist.
[1.401208A.6] Ich aber sage, es gehen alle diese Gattungen, Klassen und Rassen ebenso eines in das andere über wie die Wellen des Weltmeeres, da auch niemand bestimmen wird können, welche von diesen zahllosen Wellen, die die Oberfläche dieses großen Gewässers beunruhigen, die erste, mittlere und letzte ist.
[1.401208A.7] Ich aber sage, und ein jeder einfache Mensch wird es auch sagen: Da ist weder eine die erste, noch eine andere die mittlere und noch eine andere die letzte! Sondern es treibt da eine Woge die andere und geht in die andere über, ohne dass sie in diesem sich schaukelnden Übergang etwas anderes wäre als das, was sie früher gewesen ist, nämlich Wasser. Aber nur befindet sie sich nicht mehr an der Stelle, sondern, nachdem sie eine frühere Woge verdrängt hat, wogt sie nun an deren Stelle, während wieder eine ihr nachfolgende sie drängt.
[1.401208A.8] Um dieses Bild noch richtiger zu begreifen, denkt euch einen Kreis, der da genau in gleiche Grade geteilt wäre. Nun sagt selbst, wie wäre die Behauptung, so jemand sagen möchte: „Dieser oder jener Grad ist der erste!“ – Ich aber sage: Warum zankt ihr ob der Primität eines Grades, da doch einer ist wie der andere, und es einerlei ist, welchen ihr für den Ersten annehmt. – Und es kann da ja leicht sein, dass dieses alle einsehen und dann sagen: „Da einer ist wie der andere und jeder von dem anderen durch einen gleichen Zwischenraum getrennt ist, so werden wir durch solchen nutzlosen Zank nicht weiser; sondern, da sei der nächste beste der Erste, und von da zählen wir fort. So wir den Ersten bezeichnet haben, so wird sich dann wohl geben, welcher der Letzte ist.“
[1.401208A.9] Seht gerade so, wie sich dieses alles verhält, so verhält sich’s mit dem Kreis der Dinge. Es geht immer eines unbemerkt in das andere über, wie eine Woge in die andere.
Kein Kommentar bisher