[1.401122A.1] Nicht nur Pflanzen, ja sogar Steine atmen, jedes nach seiner Art.
[1.401122A.2] So ihr die Tiere nach der Reihe durchgeht, so werdet ihr finden, dass jedes Tier atmet. Aber das Atmen ist jedem Tier eben auf eine solche Art eigen, wie die Art und Gattung dessen Selbständigkeit selbst bedingt. Denn anders atmet das Pferd, anders ein Stier, anders ein Hund, anders eine Katze, und so auf diese Art jedes vierfüßige Tier anders. Denn obschon das Atmen in nichts anderem als wie in dem Insichziehen und Wiederhinausstoßen der Luft besteht, von welcher immer der zum speziellen Leben eines Tieres nötige Stoff absorbiert wird und darauf der untaugliche alsogleich hinausgestoßen, so ist aber doch die Art und Weise verschieden, wie nämlich die Luft in sich gezogen, daselbst gleich zerlegt und das ausgeschiedene Unbrauchbare wieder hinausgestoßen wird.
[1.401122A.3] Und so atmen denn wieder Amphibien, Würmer und Insekten ebenfalls; aber wie ganz verschieden ist das Atmen dieser kaltblütigen und sogar blutlosen Tiergattungen! Denn die Insekten haben kein Blut, sondern nur einen ihrer Beschaffenheit entsprechenden Saft, der sich beständig in einer hin- und herrollenden Bewegung befindet, durch welches Hin- und Herrollen denn auch die zum Leben solcher Tiere nötige Elektrizität in den Gefäßen entwickelt wird. Und wieder ganz anders ist das Atmen jener Tiere, die unter dem Wasser leben. Und da es der Tiere unter dem Wasser außerordentlich viele gibt in Hinsicht auf Art und Gattung derselben, so müsst ihr euch wohl denken, dass das Atmen wieder ebenso verschiedenartig ist wie die Verschiedenheit der Tiere selbst.
[1.401122A.4] Seht, diese Fragen, die da gestellt sind, sind allerdings einer Beantwortung würdig. Aber es ist eine Grundfrage weggeblieben, ohne deren Beantwortung diese zwei Fragen nie können vollends zur gründlichen Einsicht der Menschen beantwortet werden, und diese Grundfrage ist folgende:
[1.401122A.5] Warum atmen die Tiere, Pflanzen, Steine und alle Weltkörper? Seht, wenn man nicht einsieht, dass das Atmen und wie das Atmen notwendig ist zum Bestehen der Dinge, so nützt es einem nichts, zu wissen, ob und wie die Dinge atmen, da dieser Akt mit dem Auge nicht bemerkbar ist. Weiß man aber, warum geatmet werden muss, dann ist das Ob und Wie ja ohnedies schon so viel als beantwortet. Denn es ist schwerer die Notwendigkeit einzusehen, als das Ob und Wie.
[1.401122A.6] Um aber dieses einzusehen, wollen wir uns zuerst nicht etwa über die Pflanzen und Tiere, sondern über einen Stein machen und sehen, ob dieser das Atmen nötig hat. Und werden wir’s finden, dass er es nötig hat, so werden wir doch auch sicher finden, dass er atmet. Und wie er atmet, wird sich dann wohl auch zeigen in der Notwendigkeit des Atmens selbst.
[1.401122A.7] Nun seht, ihr sagt: Die Materie ist nichts als der Ausdruck zweier sich widerstrebender Kräfte, nämlich der Zentripetal- und Zentrifugalkraft, denn so nennt ihr diese Kräfte.
[1.401122A.8] Das Bestehen dieser Materie hat demnach darin seinen Grund, dass die Zentrifugalkraft in demselben Grad der Zentripetalkraft entgegenwirkt in dem beständigen Bestreben, sich nach allen erdenklichen Richtungen endlos weit ausdehnen zu wollen, in welchem Verhältnis die Zentripetalkraft wieder das ganz entgegengesetzte Bestreben äußert und sich beständig in einem Punkt zusammenziehen will.
[1.401122A.9] Nun, wenn besonders die Zentripetalkraft nicht durch das beständige Annehmen der sie umgebenden gleichartigen Hilfskräfte genährt oder unterstützt würde, so würde sie ja alsobald von der Zentrifugalkraft überwunden werden, wodurch sie dann auch zunichte würde und die Materie dadurch träte aus der Sphäre des Daseins. Daher hat alsdann der Stein, je welcher Art er ist, beständig die ihn umgebenden gleichartigen Teile in der Luft an sich zu saugen, das ihm ganz Gleiche zu behalten und dadurch die durch den gegenseitigen Kampf verbrauchten Teile zu ersetzen, und das Unähnliche aber vermöge der stets nach außen wirkenden Zentrifugalkraft wieder hinauszuschaffen, damit er das bleibe in seiner Art, als was er gebildet wurde. Obschon es dann und wann auch geschieht, dass selbst ein Stein gewisserart krank wird, wenn fremdartige Teile zu häufig mit den ihm eigentümlichen eingesaugt wurden, dass diese durch die gegenwirkende Zentrifugalkraft nicht wohl möchten wieder hinausgeschafft werden und der Stein dann in sich fremdartige Gebilde bekommt, als z. B. da man findet in einem oder dem anderen Stein sonstige Mineralien oder in einem unedlen Stein edlere Steine; oder, was von euch ein jeder schon öfter wird beobachtet haben, wenn sonst durchsichtige Kristalle, oder selbst Diamanten, gewisse undurchsichtige, moos- und federartige Partikeln in sich enthalten, welche doch gewiss nicht der Natur dieser sie enthaltenden Steine selbst sind.
[1.401122A.10] Nun, wie geschieht denn eigentlich der Akt des Atmens bei den Steinen? Diese Frage liegt zwar schon zur Hälfte beantwortet in der Notwendigkeit des Atmens. Ein Stein atmet fürs Erste auf die tierische Art, nämlich durch die Inhalation und Respiration; das heißt, er zieht vermöge seiner groborganischen Bildung und seiner mit derselben verbundenen Eigenschaft beständig, das heißt unausgesetzt, ihm ähnliche Teile aus der ihn umgebenden Luft in sich. Und wie bei den Tieren die chemische Zersetzung erst im Körper selbst erfolgt, so erfolgt da diese Zersetzung schon auf seiner Oberfläche; weshalb mit der Zeit auch seine Oberfläche von einer ihm fremdartigen, andersfärbigen, dünnen Kruste überzogen wird, welche mit der Zeit bei größeren Steinmassen oft so stark wird, dass sie nach ihrer Art entweder ein eigenes Gestein bildet, oder je nachdem die ausgeschiedenen Teile sind, sich oft auch als ein pflanzenartiges Gewächs unter allerlei Formen ansetzt.
[1.401122A.11] Seht, dieses könnte gewiss nicht geschehen, wenn der Stein nicht inhalierte und respirierte (d. h. ein- und ausatmete). Aber eben diese Erscheinung muss ja auch jedem auch noch befangenen Forscher auffallen. Denn sie sagt ihm ja klar: der harte Stein, der weder Feuchtigkeit noch irgendetwas zum pflanzenartigen Wachstum in sich enthält, wie z. B. der blanke Gebirgskies, wie kann der wohl um seinen ganzen Umfang oft einen Zoll dick mit ganz fremdartigen Gebilden umgeben sein, welche auf irgend anderen Körpern nicht in der Art zu treffen sind wie um ihn, wenn er nicht durch das Einatmen der ihm zusagenden Teile eben das in irgendeiner Luftregion ausgeschieden zurückließe, was hernach durch einen anderen Prozess zur Bildung der den Stein umgebenden fremdartigen Formen tauglich ist?
[1.401122A.12] Denn es geschieht dasselbe, wie wenn ihr irgendeinen Körper eine Zeit lang in ein mineralisches Wasser legen würdet, so würde dieser Körper ebenfalls alsobald das ihm Zusagende davon in sich aufnehmen, und das ihm nicht Zusagende, aber doch zunächst ihn Umgebende, würde sich dann in irgendeiner salzartigen Kruste um den Körper anlegen.
[1.401122A.13] Gleich wie z. B. euch die sonderbare Erscheinung ein sichtliches Probestück liefern kann, so ihr ein Zinkstängelchen nehmen würdet und selbes hineinhängen möchtet in ein Glas, welches angefüllt wäre mit aufgelöstem Blei. Was wird hier geschehen? Das Zinkstängelchen wird jetzt begierig einzuatmen anfangen und wird aus der Flüssigkeit das ihm Zusagende einsaugen. Das Blei aber, welches durch diese Flüssigkeit aufgelöst wurde, wird wieder kompakt ersichtlich um das Zinkstängelchen, nachdem es sich alsobald unter allerlei, man könnte sagen zufälligen Gebilden um dasselbe wohl ersichtlich angelegt hat. Seht, was durch dieses euch gezeigte Experiment sichtlich vor sich geht, das ist auch der Fall bei allen Mineralien.
[1.401122A.14] Nun hätten wir denn auch gesehen, wie dieses Atmen geschieht. Aber nebst diesem in- und respirativen Atmen gibt es noch ein zweites und ein drittes Atmen.
[1.401122A.15] Seht, das ist wieder etwas Neues. Nachdem ihr begierige Neuheitsschnapper seid, so muss Ich euch schon wieder etwas Neues auftischen. Denn Ich meine, es wird nicht mehr nötig sein, hinsichtlich des ersten Atmens noch lächerlich zu erörtern, ob die Steine atmen, nachdem ihr doch gesehen habt, dass sie fürs Erste atmen müssen und fürs Zweite, wie sie atmen. Wenn man nun diese zwei Grundbedingungen notwendig einsichtlich weiß, dann werdet ihr wohl selbst bemerken, dass es mit dem „Ob“ seine geweisten Wege hat. Und sonach gehen wir zu unserer Neuigkeit über.
[1.401122A.16] Das nächste Atmen ist ein elektrisches Atmen. Dieses elektrische Atmen ist nichts anderes als das Aufnehmen des magnetischen Fluidums in sich, durch welches Fluidum die beiden sich oppugnierenden [gegenstrebenden] Kräfte gestärkt werden in ihrer Beharrlichkeit. Diese Beharrlichkeit ist wieder nichts anderes als der sichtbare Ausdruck der gegenseitigen Polarität, und das zwar darum sichtbar, weil, wie ihr schon ohnedies hoffentlich ein wenig wissen werdet, die Materie in ihrer Erscheinlichkeit nichts anderes ist als die Polarisation der sich entgegenstrebenden Kräfte selbst.
[1.401122A.17] Diese Polarisation ist dann gewisserart das Leben der Materie, welches solange fortwährt, so lange die Polarisation sich als Beharrlichkeit der gegenstrebenden Kräfte in der Materie ausspricht.
[1.401122A.18] Wird durch was immer für einen bestimmten Umstand eine oder die andere Polarität in ihrer Beharrlichkeit gestört, alsdann verwittert die Materie und zerfällt endlich in Staub, welcher Staub selbst nur so lange als solcher existiert, solange in seinen Partikeln noch irgend Polarität vorhanden ist, geht aber endlich aus diesem letzten Dasein in ein anderes über, sobald die Polarität gänzlich eine andere Richtung durch irgendeinen Umstand zu nehmen genötigt wurde.
[1.401122A.19] Jedoch was die dritte Art des Atmens anbelangt, davon soll bei einer nächsten Gelegenheit nähere Meldung geschehen. Und darüber sage Ich hier nur so viel: Da ihr schon ohnedies wohl wisst, aus einem anderen Gesichtspunkt, als von dem der Gelehrten der Welt, was und wozu eigentlich die Materie ist, so müsst ihr ja ohnedies euch wohl denken, dass wenn die Materie, woraus das Haus gebaut ist, notwendig atmen muss, um als solche zu bestehen, und sich in selber, durch das zweite Atmen, die zur Existenz der Materie nötige Beharrlichkeit der Polarität aussprechen kann, dass dann doch gewiss die Einwohner in diesem Haus nicht atemlos sein werden.
[1.401122A.20] Ihr werdet doch verstehen, welche Bewohner hier verstanden werden. Nun da wir sogar die Steine haben schnarchen gehört, so wird es gewiss ein noch viel Leichteres sein, die viel organischere Pflanzenwelt in einer und derselben notwendigen Ein- und Ausatmungssphäre zu belauschen.
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